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Streikschäden bei Drittunternehmen: Wer soll das bezahlen?

23.09.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Es wird gestreikt in Deutschland: Erst die Lokführer, dann die Fluglotsen und Piloten, zwischenzeitlich die Erzieherinnen und nun wieder die Piloten. Hiervon betroffen sind nicht nur die unmittelbar bestreikten Arbeitgeber, sondern auch Drittunternehmen, wenn diese z. B. aufgrund des Streiks nicht rechtzeitig die dringend benötigten Zulieferteile erhalten.

Mit Urteilen vom 25. August 2015 (Az. 1 AZR 754/131 und 1 AZR 875/13) hat das BAG nun erstmals zu der Frage Stellung genommen, ob vom Arbeitskampf drittbetroffene Unternehmen Schadensersatz von der Gewerkschaft verlangen können. Dies hat das BAG verneint und klargestellt, dass Gewerkschaften für die Streikfolgen bei Drittunternehmen nicht aufkommen müssen, selbst wenn der Arbeitskampf rechtwidrig ist.

I. Einleitung

Die Frage, ob vom Arbeitskampf drittbetroffene Unternehmen Schadensersatz von der Gewerkschaft verlangen können, war bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Nun hat das BAG hierzu in zwei wichtigen Grundsatzentscheidungen Stellung genommen. Vier Fluggesellschaften, die vom Fluglotsenstreik gegen die Deutsche Flugsicherung betroffen waren, wollten nicht auf dem durch die ausgefallenen Flüge entstandenen Schaden sitzen bleiben und verklagten die streikführende Gewerkschaft auf Schadensersatz. Mit ihrem Argument, der unrechtmäßige Streik habe ihre Rechte am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt, drangen sie in Erfurt jedoch nicht durch. Das BAG stellte mit Urteilen vom 25. August 2015 (Az. 1 AZR 754/13; 1 AZR 875/13) fest, dass Unternehmen, die nicht selbst bestreikt werden, keinen Schadenersatz für Streikfolgekosten verlangen können – auch wenn es Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes gibt.

II. Sachverhalt

Das BAG hatte über die Schadensersatzklagen von Fluggesellschaften zu entscheiden, die insgesamt gegenüber der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) einen finanziellen Schaden von rund 3,2 Millionen Euro geltend machten. Konkret ging es um einen Unterstützungsstreik am Flughafen Stuttgart sowie um einen angekündigten, letztlich aber nicht durchgeführten Streik der GdF. Wegen des Unterstützungsstreiks der Fluglotsen für die Vorfeldmannschaft fielen trotz einer Notdienstvereinbarung zahlreiche Flüge aus, weitere hatten Verspätung oder mussten umgeleitet werden. Aufgrund einer Verbotsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main brach die GdF den Unterstützungsstreik vorzeitig ab. In dem anderen Fall blieb es bei der Ankündigung eines Arbeitskampfes der GdF – die Fluggesellschaften hatten jedoch dadurch Buchungsrückgänge zu beklagen und zudem bereits Flüge abgesagt und Passagiere umgebucht.

III. Entscheidung

In der bislang lediglich als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung hat das BAG klargestellt, dass die Luftfahrtgesellschaften gegen die streikführende Gewerkschaft keine Schadenersatzansprüche wegen ausgefallener, verspäteter oder umgeleiteter Flüge haben.

Die Richter in Erfurt verneinten eine widerrechtliche Eigentumsverletzung durch eine erhebliche Nutzungsbeeinträchtigung der Flugzeuge sowie einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Fluggesellschaften. Zur Begründung führte das BAG aus, dass der Fluglotsenstreik gegen den Betrieb der Deutschen Flugsicherung gerichtet gewesen sei. Ein Eingriff in die Gewerbebetriebe der Fluggesellschaften sei damit nicht verbunden und insbesondere nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für Luftverkehrsunternehmen anzunehmen. Das BAG hat sich damit der Vorinstanz (LAG Hessen, Urteil vom 27. Juni 2013, Az. 9 Sa 1387/12) angeschlossen, wonach sich der Schutz des Gewerbebetriebs auf unmittelbare, betriebsbezogene Eingriffe beschränke. Dies war nach Ansicht des LAG Hessen vorliegend nicht der Fall, da nach dem Sinngehalt und der tatsächlichen Bedeutung der Arbeitskampfmaßnahme sowie der Willensrichtung der Gewerkschaft die Streikankündigungen nicht darauf gerichtet waren, auf den Gewerbebetrieb der Fluggesellschaften einzuwirken.

Zudem sah das BAG die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung durch den Arbeitskampf als nicht gegeben an und verneinte daher einen entsprechenden Schadensersatzanspruch.

IV. Praxishinweis

Die Urteile haben Bedeutung weit über die konkreten Streitfälle hinaus. Zu denken ist nur an infolge von Streikmaßnahmen geschlossene Kitas, lahmgelegte Bahnverbindungen oder liegengebliebene Zulieferteile. Hiervon betroffen sind auch immer Drittunternehmen. Nach dem Grundsatzurteil des BAG ist nun aber klar: Drittunternehmen können durch den Streik entstandene Schäden nicht von der streikführenden Gewerkschaft ersetzt bekommen.

Was allerdings nicht in Frage gestellt wird: Arbeitgeber, gegen die sich ein rechtswidriger Streik richtet, können Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft geltend machen. Die hierzu ergangene Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 19.6.2012,1 AZR 775/10) bleibt bestehen. Dass ein rechtswidriger Streik zu einer Schadensersatzforderung des Arbeitgebers führen kann, ist eine starke Waffe der Arbeitgeberseite in einem Tarifkonflikt. Meist ist es für die Arbeitgeberseite auch nicht besonders schwierig nachzuweisen, dass ein Schaden kausal auf einem Arbeitsausstand beruht. Die rechtliche Auseinandersetzung konzentriert sich dann auf die Frage, ob der Streik rechtmäßig war oder nicht. Ist auch diese Hürde genommen, steht dem unmittelbar vom – rechtswidrigen – Streik betroffenen Arbeitgeber Schadensersatz zu.

BAG, Urteile vom 25. August 2015 (Az. 1 AZR 754/131 und 1 AZR 875/13)


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