25.07.2017 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war im Streitjahr W, der Lebensgefährte der Klägerin, mit dem sie in einem Haushalt lebte. W hielt zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Beteiligung an der GmbH, die 1993 gegründet worden war, nachdem W mit seinem Einzelunternehmen in Konkurs geraten war. Nach seinem Anstellungsvertrag stand W neben einer Festvergütung auch eine Tantieme zu. Die Höhe der Vergütung wurde mehrfach geändert, die Gehaltserhöhung zum 1.1.1996 erfolgte unter Beteiligung der Klägerin durch Beschluss der Gesellschafter. Die Klägerin wurde im Jahr 1997 zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt.
Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für 1996 einen Bruttoarbeitslohn von 116.211 DM sowie Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 257.142 DM, denen eine Vorabgewinnausschüttung der GmbH in Höhe von 180.000 DM zuzüglich Kapitalertragsteuer und anrechenbarer Körperschaftsteuer zugrunde lag. Das FA veranlagte die Klägerin zunächst (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) erklärungsgemäß. Im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung beanstandete der Betriebsprüfer u.a. die Angemessenheit der Gehälter bzw. Gesamtbezüge der Klägerin, des W und der ebenfalls für die GmbH tätigen Ehefrau des W. Zudem sah der Prüfer in der Übernahme privater Notar- und Rechtsberatungskosten durch die GmbH eine vGA an die Klägerin. Das FA schloss sich dieser Auffassung an und erließ einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es der Besteuerung der Klägerin nur noch einen Arbeitslohn in Höhe von 55.000 DM zugrunde legte, jedoch die Einnahmen aus Kapitalvermögen um die vGA auf 646.756 DM erhöhte. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Das die nachfolgende Klage abweisende Urteil des FG vom 8. März 2006 2 K 1862/04 (EFG 2007, 1342) hat der Senat mit Urteil vom 30. November 2010 VIII R 19/07 (BFH/NV 2011, 449) aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Die Sache sei nicht spruchreif, da u.a. nicht ausgeschlossen werden könne, dass W im Streitjahr Gesellschafter der GmbH gewesen und ihm daher die vGA vorrangig zuzurechnen seien.
Hiernach machte die Klägerin erstmals geltend, sie habe die Anteile an der GmbH aufgrund einer verdeckten Treuhandabrede nur vorübergehend und treuhänderisch für W gehalten, so dass sämtliche offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen nicht ihr, sondern dem Treugeber W zuzurechnen seien. Im Verlauf des FG-Verfahrens hat das FA mitgeteilt, es halte an der vGA aufgrund der überhöhten Gehaltszahlungen an die Ehefrau des W nicht mehr fest. Im Übrigen sei weiterhin von vGA an die Klägerin auszugehen, da eine Treuhandabrede mit W nicht nachgewiesen sei. Bei der Berechnung der vGA sei nicht nur der das angemessene Gehalt des W übersteigende Teil zu berücksichtigen, sondern der jeweilige Anteil der einzelnen Gehaltsbestandteile. Von dem an W im Streitjahr ausgezahlten Gehalt (488.656 DM) seien 36,13 % (= 176.539 DM) unangemessen, was zu einer Minderung der bisher angenommenen vGA in Höhe von 4.793 DM führe. Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung sei allerdings nicht geboten, da bei einer Lohnsteueraußenprüfung festgestellt worden sei, dass die Klägerin den aus einer privaten PKW-Nutzung resultierenden geldwerten Vorteil (5.200 DM) nicht versteuert habe. Da die Gesamtvergütung der Klägerin bereits überhöht gewesen sei, stelle auch dies eine (bislang nicht erfasste) vGA dar. Dieser Fehler sei gemäß § 177 AO zu saldieren. Mit seinem in EFG 2015, 123 veröffentlichten Urteil vom 10. Juni 2014 6 K 13014/11 gab das FG der Klage teilweise statt.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (BFH Urteil vom 14.3.2017, VIII R 32/14). Das FG hat die streitigen Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen zutreffend unter Berücksichtigung einer offenen und verdeckter Gewinnausschüttung(en) ermittelt und der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr zugrunde gelegt. Die im Streitjahr an die Klägerin gezahlte Vorabausschüttung in Höhe von 180.000 DM zuzüglich Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer war bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erfassen. Die Vorabausschüttung war ihr als Anteilseignerin zuzurechnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG eine Zurechnung der Einkünfte zu W als Treugeber verneint hat. Eine solche abweichende Zurechnung wäre gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO bei Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses geboten. Ein Treuhandverhältnis ist indes nur gegeben, wenn die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht so zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint.
Diese Würdigung des FG widerspricht weder Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen. Sie ist vielmehr in Anbetracht des unsubstantiierten Sachvortrags der Klägerin zu dem vermeintlichen Treuhandverhältnis bzw. der tatsächlichen Einflussnahme des W auf die Klägerin als Gesellschafterin der GmbH nachvollziehbar.
Ebenfalls ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG der Klägerin als Anteilseignerin auch die dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen vGA, die aus der ihr gewährten überhöhten Gesamtausstattung (Gehalt und PKW-Nutzung) und den von der GmbH übernommenen Notar- und Rechtsberatungskosten (jeweils zuzüglich Körperschaftsteuer) resultieren, zugerechnet hat.
Die Zurechnung der vGA aus der überhöhten Vergütung des W hält der revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls stand.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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