10.09.2020 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Das Thema beschäftigt schon seit Ende 2019 die Gemüter und offenbar kommt es immer wieder zu Abmahnungen und Gerichtsverfahren. Einige Landgerichte hatten zwischen August und November 2019 entschieden, dass bei der Preisangabe der vom Verbraucher zu zahlende Flaschenpfandbetrag in den Endpreis in der Werbung einzurechnen sei.
LG Essen (Urt. v. 29.8.2019, Az. 43 O 145/18), LG Gera (Urt. v. 21.10.2019, Az. 11 HK O 35/19) und LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.11.2019, Az. 3-10 O 50/19).
Die Gerichte sehen den vom Kunden beim Kauf zusätzlich zu entrichtenden Flaschenpfand als Teil des Endpreises und dieser sei nach der Preisangabenverordnung als solcher anzugeben.
Sogar der Gutachterausschuss für Wettbewerbsfragen beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag beschäftigte sich in seiner Sitzung am 29.11.2019 mit dem Pfandproblem. Dieses Gremium wurde von Spitzenorganisationen der Wirtschaft gegründet und setzt sich aus Experten des Wettbewerbsrechts aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen und beschäftigt sich auf der Basis der Praxiserfahrung mit lauterkeitsrechtlichen Fragestellungen (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) und gibt hierzu Auskünfte, die unter anderem auch als Hilfestellung für Gerichte interessant sind.
Dort war man sich am Ende einig, dass die Preisangabe – anders als die oben aufgeführten Gerichte dies sahen - in der Werbung getrennt erfolgen sollte. Pfandbetrag und Getränkepreis wären damit nicht zu einem einheitlichen Gesamtpreis zu bilden. Auch die Wettbewerbszentrale, als großer Verband, der sich der Überwachung der Einhaltung des Wettbewerbsrechts verschrieben hat, schloss sich dem an.
Das eigentliche Problem liegt im europäischen Recht begründet. In der deutschen Preisangabenverordnung ist die getrennte Angabe vorgesehen (§ 1 Abs. 4 PAngV). Zu dieser Regelung findet sich aber keine europarechtliche Grundlage. Daher meinen die Kläger, dass die Regelung nicht mehr angewendet werden dürfe.
Das war auch der Fall in einem aktuellen Verfahren des OLG Schleswig. Dort entschieden die Richter, dass es nicht abmahnfähig sei, wenn Pfand und Getränkepreis getrennt angegeben werden OLG Schleswig (Urteil vom 30.07.2020 – 6 U 49/19). In erster Instanz hatte das LG Kiel noch dem Kläger Recht gegeben (LG Kiel, Urt. v. 26.6.2019 – 15 HKO 38/18). Die OLG- Richter erkannten zwar das europarechtliche Problem, sahen aber die deutsche Preisangabenvorschrift noch als gültig an. Das Gericht sehe sich „aus rechtsstaatlichen Gründen an einer Stattgabe des Klageantrags gehindert“. Nach der Entscheidung kommt es auf das Verständnis des europarechtlichen Begriffs des „Verkaufspreises“ in Art. 2 a Preisangabenrichtlinie an.
Dazu hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Überführungskosten bei einem Fahrzeug einen unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteil des Preises ausmachten und deshalb in den Verkaufspreis einzuberechnen seien (EuGH GRUR 2016, 945, 946 Rn. 40 – Citroën).
Das half den Richtern aber für die Frage, wie es sich bei einem Pfand verhält, nicht weiter. Das OLG Köln sah in seinem Urteil zum Pfand (OLG Köln, Urt. vom 06.03.2020 – Az. 6 U 90/19) das Pfand als reine Sicherheit im Interesse der Wiederverwertung des Gebindes. Es sei damit kein Bestandteil des Warenwertes und stelle als „rückerstattbare Sicherheit“ gerade keine Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses.
Das OLG Schleswig musste einräumen, dass die deutsche Regelung wegen des Vollharmonisierungsgrundsatzes bei den Preisangaben eigentlich seit 2013 nicht mehr zu halten ist:
§ 1 Abs. 4 PAngV findet weder in der UGP-RL noch der PAng-RL eine Grundlage. Bis zum 12.06.2013 war dies unschädlich. Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestattete es den Mitgliedstaaten, für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12.06.2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beizubehalten, die restriktiver oder strenger sind als die Richtlinie, zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. § 1 Abs. 4 PAngV gilt als strenger als Art. 3 Abs. 1 PAng-RL, wonach der Verkaufspreis als Endpreis angegeben werden muss. Bis zum Ablauf der Frist konnte § 1 Abs. 4 PAngV deshalb noch auf die Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestützt werden. Nachdem diese Grundlage mit Fristablauf weggefallen ist, ist die Regelung zur Preisangabe in § 1 Abs. 4 PAngV ohne europarechtliche Grundlage. Sie verstößt damit gegen das insbesondere Art. 4 UGP-RL zu entnehmende Gebot der Vollharmonisierung in diesem Bereich."
Die Richter sahen sich jedoch gehindert, der Unterlassungsklage stattzugeben.
Auch dann nämlich, wenn alle Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestandes vorlägen, sähe sich der Senat gehindert, dem Unterlassungsantrag stattzugeben. Einerseits nämlich ist § 1 Abs. 4 PAngV nicht mehr anwendbar (s. o.). Gleichwohl ist die Vorschrift geltendes Recht. Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte zu verurteilen, weil sie sich daran gehalten hat.
Die Kölner Richter hatten sich an das bestehende deutsche Recht gebunden gesehen und deshalb die Klage abgewiesen.
Sowohl das OLG Köln als auch das OLG Schleswig haben also entschieden, dass es nicht abgemahnt werden kann, wenn der Pfandbetrag nicht in den Gesamtpreis eingerechnet wurde, sondern als „zzgl.-Angabe“ neben dem Preis genannt wird. Das OLG Köln hat die Revision gegen die Entscheidung nicht zugelassen. Das OLG Schleswig hat dagegen die Revision zugelassen.
Der Dumme ist der Händler. Er weiß nicht, wie er sich gesetzeskonform verhalten soll. Wer den Preis getrennt angibt, wie bisher, scheint jedenfalls in der zweiten Instanz noch Recht zu bekommen. Ob dies noch europarechtskonform ist, kann nur der europäische Gerichtshof entscheiden. Man kann natürlich das eine tun ohne das andere zu lassen. Es lässt sich ein Gesamtpreis darstellen (hervorgehoben) und zusätzlich der Getränkepreis zzgl. Pfand.
Bild: Pixabay (Pexels, Pexels Lizenz)
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