05.05.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: The Boston Consulting Group GmbH.
Weltweit überdenken Organisationen ihre Fertigungsnetzwerke und Regierungen erkennen die wirtschaftliche Relevanz einer stabilen Fertigungsbasis. Die kostenseitige Wettbewerbsfähigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Brasilien ist heute eines der Länder mit den höchsten Produktionskosten, dagegen hat sich Großbritannien zum billigsten Fertigungsstandort in Westeuropa entwickelt. In Mexiko sind die Fertigungskosten heute niedriger als in China, während diese Kosten in den meisten osteuropäischen Ländern ähnlich hoch liegen wie in den USA. Das sind die wichtigsten Resultate der Analyse, die von BCG im Rahmen einer Untersuchung der weltweiten Fertigungsprofitabilität durchgeführt wurde.
Um die sich ändernde Kostendynamik in der Produktion genauer zu beleuchten, hat BCG ein neues Tool entwickelt: den BCG Global Manufacturing Cost-Competitiveness Index. Die damit gewonnenen Kennzahlen zeigen, wie sich die Produktionskosten der 25 größten Exportnationen in den vergangenen zehn Jahren verändert haben. Der Index erfasst vier Hauptfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit: Löhne, Produktivitätswachstum, Energiekosten und Wechselkurse. Auf die 25 betrachteten Länder entfallen knapp 90 % des weltweiten Exports produzierter Güter.
Von den zehn Ländern mit den niedrigsten Fertigungskosten befinden sich sechs in Asien, andere in Nordamerika und Osteuropa. Eine Reihe weiterer Länder haben aufgrund der Kostensituation einen Großteil ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Die höchsten Fertigungskosten unter den 25 Ländern weist Australien auf, wo die Produktionskosten um etwa 30 % höher liegen als in den USA, – dicht gefolgt von Brasilien.
"Viele Unternehmen treffen in der Fertigung Investitionsentscheidungen auf Basis einer jahrzehntealten Weltsicht, die völlig überholt ist", sagt Daniel Spindelndreier, Partner bei BCG und verantwortlich für das Thema Manufacturing. "Nordamerika und Westeuropa gelten dabei als High-Cost, Lateinamerika, Osteuropa und ein Großteil Asiens – insbesondere China – als Low-Cost. Tatsächlich gibt es aber innerhalb aller Regionen wesentliche Abstufungen, und einige Länder haben in den vergangenen Jahren deutlich an Attraktivität verloren."
Die Untersuchung stellte vier typische Muster fest, nach denen sich die Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen zehn Jahren in vielen der 25 untersuchten Länder verändert hat.
Unter Druck: Fünf traditionell als Low-Cost-Standorte betrachtete Länder – Brasilien, China, Tschechien, Polen und Russland – haben seit 2004 ihren Kostenvorteil in erheblichem Maße eingebüßt. Ursachen sind ein deutlicher Anstieg der Löhne, nachlassendes Produktivitätswachstum, ungünstige Währungsschwankungen und eine dramatische Steigerung der Energiekosten. Der Fertigungskostenvorteil Chinas gegenüber den USA ist auf weniger als 5 % geschrumpft, und in Brasilien ist die Produktion heute teurer als in vielen Ländern Westeuropas. In Osteuropa liegen die Kosten ebenso hoch oder sogar höher als in den USA, sind damit allerdings teilweise nach wie vor deutlich attraktiver als in Westeuropa.
Boden verloren: Einige – vor allem westeuropäische – Länder, in denen die Produktionskosten bereits vor zehn Jahren vergleichsweise hoch waren, sind noch weiter zurückgefallen. Die durchschnittlichen Fertigungskosten sind in Belgien um 6 %, in Schweden um 7 %, in Frankreich um 9 % und in der Schweiz und in Italien um 10 % höher gestiegen als in den USA. Hauptursachen für diese Entwicklung sind höhere Energiekosten und ein geringes Wachstum oder sogar ein Rückgang der Produktivität.
Position gehalten: Eine Handvoll Länder konnten ihre Fertigungskosten von 2004 bis 2014 im Vergleich zu den USA stabil halten und ihre Wettbewerbsfähigkeit innerhalb ihrer Regionen deutlich verbessern. Infolge von Währungsabwertungen und den weitgehenden Ausgleich von Lohnsteigerungen durch höhere Produktivität ist es gelungen, die Gesamtkosten in Indonesien und Indien im Rahmen zu halten. Großbritannien und die Niederlande konnten dank kontinuierlicher Produktivitätssteigerungen ihre Position behaupten. So haben sich die Kostenstrukturen in Indonesien und Indien im Vergleich zu anderen großen Exportnationen in Asien verbessert, während Großbritannien und die Niederlande ihre kostenseitige Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen west- und osteuropäischen Exportländern deutlich erhöhen konnten.
Auf dem Vormarsch: In Mexiko und den USA haben sich die Kostenstrukturen in der Fertigung gegenüber nahezu allen anderen führenden Exportnationen weltweit deutlich verbessert. Verantwortlich dafür ist eine Reihe von Faktoren: eine stabile Lohnentwicklung, nachhaltige Produktivitätssteigerungen, stabile Wechselkurse und ein erheblicher Energiekostenvorteil, der vor allem auf der Halbierung der Erdgaspreise seit dem Beginn der großflächigen Förderung von Schiefergas in den USA im Jahr 2005 beruht. In Mexiko liegen die durchschnittlichen Fertigungskosten heute unter denen in China. In den USA sind die Gesamtkosten inzwischen 10 bis 25 % niedriger als in den zehn führenden Exportnationen weltweit mit Ausnahme Chinas.
"Personal- und Energiekosten sind zwar nicht die einzigen Faktoren bei Standortentscheidungen von Unternehmen, aber aufgrund der gravierenden Veränderungen bei diesen Kosten kommt es zu deutlichen Verschiebungen in der Profitabilität der Fertigung weltweit", erläutert Daniel Spindelndreier. "Unternehmen sollten aufgrund dieser Veränderungen ihre Einkaufsstrategien überdenken und sich genau überlegen, wo sie in Zukunft Kapazitäten aufbauen wollen. Viele werden sich dafür entscheiden, in wettbewerbsfähigen Ländern zu produzieren, die näher am Ort des Verbrauchs liegen. Wir sehen einen grundsätzlichen Trend zurück zum 'Near-Shoring' anstatt des klassischen 'Far-Shoring'."
Die Ergebnisse der Untersuchung sind auch für Regierungen relevant, die über mögliche Optionen im Fertigungsbereich nachdenken. Viele Länder sind seit 2004 zurückgefallen und laufen Gefahr, weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, falls sich die derzeitigen Lohn- und Produktivitätstrends fortsetzen. In einigen Ländern mit niedrigen direkten Fertigungskosten könnte die Wettbewerbsfähigkeit auch durch andere Faktoren, etwa ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld oder eine mangelhafte logistische Infrastruktur, unterminiert werden.
Die Autoren raten Unternehmen, ihre weltweiten Produktionsstandorte und ihren Einkauf im Hinblick auf aktuelle Kostenstrukturen und -trends zu überprüfen. Dabei geht es nicht nur um Löhne, sondern um die Gesamtkosten – einschließlich Produktivitätsunterschieden und versteckter Kosten. "Wenn Unternehmen neue Fertigungskapazitäten aufbauen, sind dies Entscheidungen für die nächsten 25 Jahre oder länger", so Spindelndreier. "Sie müssen genau untersuchen, wie sich relative Kostenstrukturen verändert haben – und welche Entwicklungen in Zukunft zu erwarten sind."
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