14.10.2013 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans Böckler Stiftung.
Auch, weil Arbeits- und Sozialrecht hier nach wie vor erhebliche Lücken haben. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt. Aus Sicht der Wissenschaftler sind neue rechtliche Instrumente nötig, um Beschäftigten eine selbstbestimmte Erwerbsbiografie zu ermöglichen, etwa ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeittätigkeit.
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"Das Arbeits- und das Sozialrecht kennen bereits an vielen Stellen Ansprüche auf Anpassung von Arbeitsverhältnissen", erläutert Prof. Dr. Eva Kocher, Rechtsprofessorin an der Europa-Universität in Frankfurt (Oder). "Aber diese Regeln formulieren heute immer noch vorwiegend `Ausnahmen´ vom so genannten Normalarbeitsverhältnis, also einem durchgehenden Erwerbsverlauf in Vollzeit." Vielfach sei der Übergang daher nur unzulänglich in eine Richtung geregelt, sagt Kocher. Zusammen mit Prof. Dr. Felix Welti von der Universität Kassel hat sie das Forschungsprojekt "Soziales Recht der Arbeit" geleitet. Darin hat ein Team aus Juristen und Sozialwissenschaftlern untersucht, inwieweit das bestehende Recht den Lebensmodellen von Beschäftigten gerecht wird - und wo Verbesserungsbedarf besteht. Die Ergebnisse sind soeben in Buchform erschienen.
Die "Einbahnstraßenperspektive" zeigt sich nach Analyse der Wissenschaftler beispielsweise bei der Elternzeit. Hier fehle es an Rechten, die eine Rückkehr ins Erwerbsleben ermöglichen. Jeder Beschäftigte kann zwar Teilzeit arbeiten - allerdings hat er nur in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern Anspruch darauf. Die Verringerung der Arbeitszeit kann zudem nur für unbestimmte Zeit verlangt werden. Besonders für Eltern ist das problematisch, haben die Forscher festgestellt: Viele kehren nach der Geburt ihrer Kinder zunächst nur in Teilzeit ins Erwerbsleben zurück, würden später aber oft gerne mehr arbeiten. Es fehlt ein Anspruch auf Aufstockung - zum Beispiel, wenn die Kinder älter sind. Vielen Eltern ist der Weg zurück ins Normalarbeitsverhältnis daher versperrt - und somit auch in eine auskömmliche Rente. Meist ist das für die Frauen ein Problem.
Unzureichend und zu wenig auf den Einzelfall abgestellt sind nach der Untersuchung auch die Rechte bei der Pflege von Angehörigen. Bei akutem Pflegebedarf haben alle Arbeitnehmer das Recht, der Arbeit bis zu zehn Tagen fernzubleiben. Nach dem Pflegezeitgesetz können Beschäftigte bis zu sechs Monate beruflich kürzer treten oder aussetzen, um nahe Angehörige zu pflegen. Dieser Anspruch gilt aber nur in größeren Betrieben. Auf den realen Alltag von Pflegenden passten diese Regelungen nur bedingt, kritisieren Kocher und ihre Forscherkollegen: Da träten Pflegesituationen eher oft und kurzfristig oder über deutlich längere Zeit auf. Beides berücksichtige das Gesetz nicht.
Ohne eine grundsätzliche Neuorientierung blieben auch gut gemeinte Gesetzesnovellen Stückwerk, warnen die Wissenschaftler. "Bloß punktuelle gesetzliche Eingriffe reichen nicht aus. Es muss vielmehr als neue Normalität begriffen werden, dass Beschäftigte darauf angewiesen sind, Privatleben und Erwerbsarbeit verbinden zu können - und zwar nicht nur in Bezug auf Kindererziehung und Pflege", sagt Eva Kocher. Arbeitsverhältnisse müssten für die Vielfalt des Lebens zukunftsoffen sein. Denn neben Elternschaft oder Pflege sollten auch Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit, Weiterbildung, ehrenamtliche Tätigkeiten oder auch nur der Wunsch, einmal länger durchzuschnaufen, mit einer Berufstätigkeit vereinbar sein.
"Der Wandel in Arbeitswelt und Gesellschaft drängt zu einer Neubestimmung des Leitbilds von Arbeitsverhältnis und Erwerbsbiographie", so die Juristin. Um dorthin zu kommen, bedürfe es nicht nur arbeitsrechtlicher Ansprüche auf Anpassung des Arbeitsverhältnisses. Es müssten auch geeignete Finanzierungsmodelle entwickelt und gesetzlich festgeschrieben werden. Hier bestünden Lücken, die besonders eklatant sind, wenn Familienangehörige gepflegt werden müssen.
Nach geltendem Recht erhalten lediglich die Pflegebedürftigen Pflegegeld; für Familienangehörige, die für die Pflege ihre Erwerbstätigkeit aufgeben oder reduzieren, ist keine Lohnersatzleistung vorgesehen. Auch davon sind häufig Frauen betroffen: Drei Viertel aller Pflegenden sind weiblich. "Das Familienpflegezeitgesetz hilft nicht viel weiter", konstatiert Kocher. Beschäftigte seien auf den Goodwill des Arbeitgebers angewiesen, wenn sie ihre Arbeitszeit zugunsten der Pflege von Angehörigen für bis zu zwei Jahre reduzieren möchten. Und selbst wenn der Betrieb zustimmt, müssen sie diese Zeiten selbst finanzieren: Der Arbeitgeber stockt ihre Vergütung zwar zunächst auf, wie in einem Arbeitszeitkonto müssen sie dies aber später selbst wieder ausgleichen. Die Experten um Kocher und Welti sehen das kritisch.
Die Vorschläge der Projektbeteiligten lauten daher:
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