01.08.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst & Young GmbH.
Angesichts einer anhaltend hohen Inflation, durchwachsener Konjunkturaussichten, hoher Energiepreise und erheblicher geopolitischer Spannungen stoppen immer mehr deutsche Unternehmen geplante Großinvestitionen: 53 Prozent der von EY befragten Konzerne ziehen aktuell bei Investitionen die Reißleine – weltweit liegt der Anteil mit 40 Prozent deutlich niedriger. Sowohl in Deutschland als auch weltweit ist der Anteil seit Jahresbeginn gestiegen: in Deutschland von 29 auf 53 Prozent, weltweit von 32 auf 37 Prozent.
Zudem planen immer mehr Unternehmen, Betriebsstätten zu verlagern: Der Anteil der deutschen Konzerne mit Verlagerungsplänen stieg seit Jahresbeginn von 30 auf 39 Prozent, weltweit gab es ein leichtes Wachstum von 36 auf 37 Prozent.
Keine Einsparungen vornehmen wollen die Unternehmen aber offenbar bei Investitionen in Künstliche Intelligenz: Weltweit haben bereits 43 Prozent der Unternehmen in KI investiert – in Deutschland liegt der Anteil sogar bei 53 Prozent. Und 42 Prozent (Deutschland) bzw. 45 Prozent (weltweit) planen derartige Ausgaben. Gerade einmal fünf Prozent der deutschen und zwölf Prozent der weltweit befragten Unternehmenslenker sind der Meinung, ohne KI-Innovationen auskommen zu können.
Das sind Ergebnisse des aktuellen CEO-Survey von EY. Basis der Studie ist eine Umfrage unter 1.200 Vorstandsvorsitzenden in Großunternehmen weltweit, davon 100 in Deutschland.
Constantin M. Gall, Partner und Leiter des Bereichs Strategy and Transactions bei EY in der Region Westeuropa sieht die Unternehmen im Dilemma: „Einerseits steigt der Kostendruck, viele Unternehmen leiden unter hohen Energie- und Rohstoffpreisen, einer unbefriedigenden Auftragslage und einer sinkenden Kauflaune“. Anderseits gebe es eine enorme Dynamik bei der Transformation in Richtung Digitalisierung, die aktuell durch den KI-Boom nochmal massiv beschleunigt werde. „Für viele Unternehmen heißt das: Sie müssen einen konsequenten Sparkurs einschlagen, um in der Lage zu sein, an den entscheidenden Stellen kräftig zu investieren.“
Gall rät Unternehmen, die Auswirkungen der Möglichkeiten, die sich durch Künstliche Intelligenz ergeben, nicht zu unterschätzen: „KI-Technologien haben enorme Potenziale: Mit KI können drastische Fortschritte bei der Automatisierung und Effizienzsteigerung, aber auch in Forschung und Entwicklung und der Kundenansprache erzielt werden – das sollte spätestens in diesem Jahr allen klar geworden sein.“ Die Transformationsanstrengungen der Unternehmen könnten durch diese Technologie zudem beschleunigt und verstärkt werden: „Die Transformation gewinnt jetzt an Kraft und Geschwindigkeit. Für die Unternehmenschefs geht es daher darum, heute die Weichen richtig zu stellen, von dieser Jahrhunderttechnologie zu profitieren und nicht ins Abseits zu geraten. Daher sind zuletzt in vielen Unternehmen sehr ambitionierte KI-Projekte gestartet – trotz des massiven Kostendrucks.“
Die neue Dynamik zeigt sich auch bei den M&A-Plänen der Unternehmen. Während Verlagerungen an günstigere Produktionsstandorte wieder ganz oben auf der Agenda stehen und nicht unbedingt notwenige Investitionen verschoben oder ganz gestoppt werden, sollen Zu- und Verkäufe von Unternehmen bzw. Unternehmensteile für zusätzliche Agilität sorgen: Weltweit steigt der Anteil der Unternehmen, die Fusionen oder Übernahmen planen, im Vergleich zum Jahresbeginn von 46 auf 59 Prozent, in Deutschland sogar von 39 auf 62 Prozent. „Wir werden in den kommenden Monaten zahlreiche Unternehmenstransaktionen sehen, bei denen es entweder darum geht, flexibler und schlagkräftiger zu werden oder das Geschäftsmodell an neue Rahmenbedingungen anzupassen und wetterfest zu machen“, erwartet Gall. Auch hier sieht er KI als Katalysator für zunehmende Aktivitäten: „Das Thema KI hat an den Weltbörsen bereits für erhebliche Kurssteigerungen gesorgt und wird auch weiterhin die Kapital- und Transaktionsmärkte beschäftigen: Technologieunternehmen mit entsprechendem Knowhow sind äußerst gefragt, und Unternehmen, die Nachholbedarf haben, schauen sich nach attraktiven Zielunternehmen um.“
Während die Wirtschaftswelt von den Potenzialen der Künstlichen Intelligenz elektrisiert ist und einen neuen Digitalisierungsschub erwartet, droht das andere große Transformationsthema – Nachhaltigkeit – in den Hintergrund zu rücken: Weltweit und in Deutschland geben 16 Prozent der Unternehmen an, dass Nachhaltigkeitsinitiativen im Mittelpunkt ihrer Investitionsstrategien stehen und dafür erhebliche Ressourcen aufgewendet werden. Für weitere 22 Prozent (weltweit) und 33 Prozent (Deutschland) der Unternehmen ist Nachhaltigkeit einer von mehreren Bereichen, in denen prioritär investiert wird. Immerhin 34 Prozent der weltweit befragten Unternehmen sehen keine Notwendigkeit, für einen Umbau in Richtung Nachhaltigkeit zu investieren – in Deutschland liegt der Anteil mit 15 Prozent allerdings deutlich niedriger.
Gall warnt, dass Nachhaltigkeit angesichts anderer, scheinbar drängenderer Herausforderungen, nicht in den Hintergrund treten dürfe: „Eine stringente Nachhaltigkeitsstrategie ist kein „Nice to Have“ für gute Zeiten, sondern für die meisten Unternehmen überlebenswichtig. Wer sein Geschäftsmodell nicht auf Nachhaltigkeit hin überprüft und optimiert, droht, an der Börse massiv abgestraft zu werden und sogar den Zugang zu Fremdkapital zu verlieren. Solche Unternehmen enden schnell als Übernahmekandidaten.“
Für Gall gehören die beiden Transformationsthemen ESG und Digitalisierung zusammen. „Beide Trends haben einen so umfassenden Einfluss auf die gesamte Wertschöpfung und das wirtschaftliche Umfeld, dass kein Unternehmen hier an der Seitenlinie stehen kann – Konjunkturflaute hin oder her.“
Deutsche Unternehmen zeigen sich dabei besonders aktiv: 29 Prozent der Unternehmen wollen die Umgestaltung ihres Portfolios in den kommenden zwölf Monaten beschleunigen, 45 Prozent behalten ihr Tempo bei. Weltweit wollen 21 Prozent den Veränderungsprozess beschleunigen und 42 Prozent das Tempo beibehalten. Auch Gall sieht bei deutschen Unternehmen eine große Handlungsbereitschaft: „Gerade in der deutschen Industrie herrscht eine Mischung aus Alarm- und Aufbruchstimmung. Allen ist bewusst, dass wir uns inmitten eines dramatischen Veränderungsprozesses befinden. Und die deutschen Konzerne mit ihrer starken internationalen Aufstellung und hohen Abhängigkeit von ausländischen Märkten registrieren Veränderungen im weltweiten Wirtschaftsumfeld besonders sensibel. Sie können sich nicht auf einem starken Heimatmarkt ausruhen, sondern müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit immer neu unter Beweis stellen. Dazu gehört eine große Bereitschaft zur Veränderung.“
Die Studie „EY CEO Survey“ können Sie hier kostenlos bestellen.
Bild: Willfried Wende (Unsplash, Unsplash Lizenz)
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