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Unternehmen mit starker Mitbestimmung investieren mehr

01.04.2021  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Unternehmen mit starker Mitbestimmung der Beschäftigten investieren mehr in die Zukunft als Firmen mit schwacher oder ganz ohne Arbeitnehmermitsprache im Aufsichtsrat.

Wenn institutionelle Investoren wie Hedgefonds oder Vermögensverwalter größeren Einfluss haben, scheint sich das hingegen negativ auf längerfristige Investitionen auszuwirken. Das ergibt eine neue Untersuchung von Forschern des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).

Es gibt zwei konkurrierende Theorien zu den betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Mitbestimmung. Die einen sagen: Ein starker Einfluss der Beschäftigten führt in der Tendenz dazu, dass ein größerer Teil des Kuchens an Arbeitnehmer geht – was den finanziellen Spielraum für Investitionen schmälert. Die anderen sagen: Gerade die Arbeitnehmer, die ein großes Interesse am langfristigen Erhalt ihrer Arbeitsplätze haben, setzen sich für Zukunftsinvestitionen ein – und verhindern, dass die dafür nötigen Finanzmittel als Dividenden oder über Aktienrückkäufe an Anteilseigner ausgeschüttet werden. Wer recht hat, lässt sich nur durch empirische Forschung beantworten.

Sigurt Vitols, PhD., und Dr. Robert Scholz vom WZB haben sich der Frage angenommen und umfangreiche Datensätze analysiert. Ihre Studie fußt auf den Geschäftsberichten der rund 190 größten börsennotierten deutschen Unternehmen und erfasst den Zeitraum von 2006 bis 2017. Wie stark der Einfluss der Beschäftigten im jeweiligen Unternehmen ist, bestimmen die WZB-Wissenschaftler anhand des Mitbestimmungsindex MB-ix, der vom Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wird. Der MB-ix berücksichtigt unter anderem, welchen Anteil Arbeitnehmervertreter an den Aufsichtsratsmitgliedern haben, ob sie in wichtigen Ausschüssen vertreten sind oder ob es einen eigenen Personalvorstand und einen Europäischen Betriebsrat gibt. „Der MB-ix bietet eine gute Datenbasis, um ökonomische Effekte von Mitbestimmung kontinuierlich zu untersuchen“, sagt Dr. Sebastian Campagna, Wirtschaftsexperte am I.M.U.

Der MB-ix kann Werte zwischen 0 – überhaupt keine Mitbestimmung – und 100 – alle Möglichkeiten der Beteiligung sind ausgeschöpft – annehmen. Im Jahr 2017 beispielsweise kamen knapp 60 Unternehmen auf Werte von 0 bis 9, sie waren also gar nicht oder nur sehr schwach mitbestimmt. Am anderen Ende der Skala erreichten und 40 zwischen 90 und 100 Punkte. Die übrigen lagen dazwischen.

Beim Blick auf die jeweiligen Investitionen in Sachanlagen mit einer Nutzungsdauer von wenigstens einem Jahr ergeben die Berechnungen der WZB-Forscher: Unternehmen mit einem MB-ix von 100 wenden für langfristige Investitionen jährlich einen Betrag auf, der 3,6 Prozent des Gesamtvermögens entspricht. Liegt der MB-ix bei 0, fließen nur 2,6 Prozent in diese Art Zukunftsinvestition. Dabei haben die Wissenschaftler extreme Ausreißer und Einflussfaktoren wie Größen- oder Branchenunterschiede herausgerechnet, um den reinen Effekt der Mitbestimmung isolieren zu können. „Diese Belege sprechen dafür, dass eine starke Verankerung der Mitbestimmung in den Unternehmen höhere Investitionsquoten fördert“, schreiben Vitols und Scholz in ihrem Fazit. Das wiederum sei „Ausdruck für eine langfristige Orientierung am Bestand der Unternehmen und der Standorte“.

Hedgefonds und Vermögensverwalter scheinen Investitionen zu bremsen

Mit demselben Datensatz haben Vitols und Scholz außerdem explorativ untersucht, welchen Einfluss die Aktionärsstruktur auf die langfristigen Investitionen hat. Ergebnis: „Die Kapitalinvestitionsraten liegen 0,4 Prozentpunkte höher in Unternehmen, bei denen 100 Prozent der Anteile von „Ankerinvestoren“ gehalten werden, als bei Unternehmen, bei denen 100 Prozent der Anteile durch institutionelle Investoren jeweils mit Anteilen unter 5 Prozent gehalten werden.“ Offenbar sind es gerade diese Investoren, die Unternehmen dazu drängen, eher auf kurzfristige Rendite zu setzen und die Erlöse in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen den Aktionären zukommen zu lassen. Damit bestätigt sich ein Trend, der zunächst in den 1980er-Jahren in den USA zu beobachten war.

Dahinter stehen nach Analyse der Wissenschaftler nicht nur besonders aggressive Anleger wie Hedgefonds. Auch andere Vermögensverwalter sehen sich zunehmend mit der Erwartung konfrontiert, kurzfristig, möglichst quartalsweise, Vermögenszuwächse zu präsentieren. Denkbar wäre zudem, dass Manager in der Realwirtschaft schon präventiv auf kurzfristige Rendite setzen – bevor ein „aktivistischer“ Investor ins Unternehmen einsteigt, der ihnen eine entsprechende Politik vorschreibt, um schnelle Kursgewinne zu erzielen.

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