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Trotz Krise: Mittelständler loben Standort Deutschland

06.04.2010  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst und Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H..

Ernst & Young-Umfrage „Mittelstandsbarometer 2010“: Unternehmer sehen Standort Deutschland gut gerüstet für die Krise, Standortzufriedenheit auf Rekordhoch, Stabiler Arbeitsmarkt schafft Vertrauen, Bildungspolitik weiter in der Kritik, Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg Top-Standorte in Deutschland

Trotz der Wirtschaftskrise liegt die Zufriedenheit der mittelständischen Unternehmen in Deutschland mit der Standortpolitik der Bundesregierung auf Rekordniveau. 69 Prozent der Mittelständler bezeichnen sie als gut oder eher gut – so viele wie seit Beginn der Befragung im Jahr 2002 nicht. Im Jahr 2009 hatten sich 61 Prozent positiv zur Standortpolitik geäußert, 2005 sogar nur 10 Prozent. Auch die Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen vor Ort erreicht eine Höchstmarke: 84 Prozent der Unternehmer sind zufrieden mit ihrem regionalen Standort. Die Stabilität des deutschen Arbeitsmarkts und die Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der Wirtschaftslage sind die Hauptgründe für die hohe Standortzufriedenheit der deutschen Unternehmen. Das sind Ergebnisse des „Mittelstandsbarometers 2010“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Der Studie liegt eine Umfrage unter 3.000 mittelständischen Unternehmen in Deutschland zugrunde.

„Deutschland hat die Krise bislang besser gemeistert als die meisten anderen Industrienationen – die Wirtschaftsleistung ging zwar deutlich zurück, die Arbeitslosigkeit stieg aber kaum an, und nicht zuletzt dank staatlicher Unterstützungsmaßnahmen konnte ein Zusammenbruch der deutschen Industrie verhindert werden“, stellt Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young, fest. „Das wissen die Mittelständler zu würdigen“. In der Krise erweise sich die tatsächliche Qualität des Standorts: „Wir haben hier keine Immobilienkrise und keine Spekulationsblasen – der Standort Deutschland ist strukturell gesund“, so Englisch.

Dennoch dürfe man sich nichts vormachen: Auch das Jahr 2010 werde extrem schwierig, prognostiziert Englisch: „Wir werden weiter einen heftigen Ausleseprozess erleben. Wenn aber erst einmal das Tal der Tränen durchschritten ist, hat Deutschland alle Chancen, zu den Gewinnern der Krise zu gehören“. Englisch erwartet, dass Deutschland im nächsten globalen Wirtschaftsaufschwung überdurchschnittlich stark von den spezifischen Verteilen des Standorts profitieren kann: „Dazu zählen die qualitativ hochwertige Produktpalette, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, der hohe Weltmarktanteil und der breit aufgestellte Export“.


tabiler Arbeitsmarkt – Deutsche Wirtschaft zeigt sich widerstandsfähig

Zwar hat die Wirtschaftskrise gerade Deutschland aufgrund seiner stark exportorientierten Wirtschaftsstruktur und der erheblichen Bedeutung des industriellen Sektors mit großer Wucht getroffen. Aber gerade jetzt erweise sich die Stärke des Standorts Deutschland, so Englisch: „Die Krise zeigt: Die heimische Industrie ist nach den jahrelangen Wirtschafts- und Sozialreformen, die zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und zu flexiblen Arbeitsmarktstrukturen geführt haben, sehr widerstandsfähig“. Die Zahl der Insolvenzen stieg zwar deutlich, aber nicht drastisch. Und die Arbeitslosigkeit nahm nur geringfügig zu: So stieg die Zahl der Arbeitslosen um drei Prozent. In Frankreich und Großbritannien war hingegen ein Anstieg um 20 bzw. 40 Prozent zu verzeichnen. Besonders hart getroffen hat die Krise den Arbeitsmarkt in den USA und Spanien, wo die Arbeitslosigkeit jeweils um 60 Prozent stieg.

Die Befragung zeigt: 2010 wird es im deutschen Mittelstand zwar insgesamt zu einem leichten Beschäftigungsrückgang kommen, einen deutlichen Arbeitsplatzabbau wird es aber wohl nicht geben. Der Anteil der Unternehmen, die eine Reduzierung der Belegschaft planen, ist mit 18 Prozent etwas größer als der Anteil der Befragten, die zusätzliche Neueinstellungen planen (15 Prozent). Die große Mehrheit der Unternehmen will aber die Zahl der Beschäftigten konstant halten.

Die Befragungsergebnisse deuten also darauf hin, dass das im Ausland vielfach bestaunte „deutsche Jobwunder“ auch im Jahr 2010 Bestand haben wird. „Die Robustheit des deutschen Arbeitsmarktes erklärt sich durch ein hohes Maß an Flexibilität aufseiten der Betriebe und der Mitarbeiter sowie durch erhebliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen“, so Englisch.

Zudem setzen die Unternehmen darauf, dass die Wirtschaftslage sich relativ bald wieder bessert – und dann würden wieder alle Arbeitskräfte gebraucht. „Das Vertrauen, dass es sich nur um einen vorübergehenden Einbruch handelt, ist sehr groß“, stellt Englisch fest. Immerhin jeder zweite Mittelständler erwartet einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung noch im Jahr 2010. Weitere 35 Prozent sagen die Konjunkturerholung für das Jahr 2011 voraus. Im Durchschnitt prognostizieren die Befragten, dass es spätestens zur Jahresmitte 2011 zu einem echten Aufschwung kommen wird.

Die aktuelle Stabilität auf dem Arbeitsmarkt sei allerdings teuer erkauft, so Englisch: „Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Produktivität der deutschen Firmen so gering ist wie lange nicht mehr“. Die Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe stiegen 2009 um mehr als 15 Prozent, die Rentabilität der Unternehmen geht deutlich zurück. „Ein abschließendes Urteil über den langfristigen Erfolg des deutschen Modells wird erst in einigen Jahren gefällt werden können. Vorläufig kann aber festgestellt werden: Der Arbeitsmarkt, die Achillesferse für Binnenkonjunktur und Staatsfinanzen, konnte stabilisiert werden, eine Negativspirale blieb bislang aus“.

Zudem werde der erhoffte Aufschwung nach Meinung des Ernst & Young-Partners zunächst wohl kaum positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. „Viele Firmen werden zunächst die Kurzarbeit beenden, die Arbeitszeitkonten auffüllen und auf Überstunden setzen oder Zeitarbeitskräfte beschäftigen. Erst wenn alle diese Mittel nicht mehr ausreichen, um die vollen Auftragsbücher abzuarbeiten, werden die Unternehmen wieder neue Arbeitsplätze schaffen.“


Globaler Standortwettbewerb wird sich verschärfen

Trotz des sehr positiven Urteils über die deutsche Standortpolitik stellt Englisch klar: „Die Wirtschaftskrise wird zu einem neuen Kräfteverhältnis zwischen entwickelten Industrienationen und Schwellenländern führen wird – und zwar zulasten der Industrieländer“. Die entwickelten Länder wurden von der Rezession sehr hart getroffen und finden nur langsam den Weg aus der Krise: So sank die Wirtschaftsleistung in den entwickelten Ländern im Jahr 2009 laut IWF um 3,2 Prozent, während sie beispielsweise in China um 8,7 Prozent und in Indien um 5,6 Prozent stieg. Im Jahr 2010 soll die Wirtschaft in den entwickelten Ländern um 2,1 Prozent, in China hingegen um 10,0 und in Indien um 7,7 Prozent steigen. „Die Krise führt dazu, dass sich der Aufholprozess der Schwellenländer noch weiter beschleunigt. Dementsprechend steigt auch ihr wirtschaftliches und politisches Gewicht“. Die Konkurrenz vonseiten der aufstrebenden Schwellenländer werde sich – auch für Deutschland – intensivieren.

In der aktuellen Diskussion in Europa über Deutschlands Exportstärke und Wettbewerbsfähigkeit seien die Befragungsergebnisse ein klares Signal: „Die deutschen Unternehmer sehen die Exportorientierung und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Wirtschaft als spezifischen Standortvorteil Deutschlands an“, konstatiert Englisch. „Deutschland hat in den Jahren vor der Krise seine Hausaufgaben gemacht – viele andere EU-Staaten nicht“. Der Standort Deutschland stehe im globalen Wettbewerb mit Standorten wie China und den USA. „Eine bewusste Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wäre absurd. Die deutschen Unternehmen können nicht dafür bestraft werden, dass sie sich fit gemacht haben für den globalen Wettbewerb“.


Unternehmen in Baden-Württemberg und Bayern am zufriedensten mit ihrem Standort

Im „Zufriedenheitsranking“ schneiden Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg am besten ab. Aus Sicht der befragten Unternehmen bieten diese Bundesländer den dort ansässigen Unternehmen ein besonders gutes Umfeld. Insgesamt ist in den meisten Bundesländern die Zufriedenheit mit den regionalen Rahmenbedingungen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Einzig im Saarland und in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Rückgang der Standortzufriedenheit festzustellen.

Besonders positiv bewerten die Unternehmen die Infrastruktur in Deutschland. Dazu zählen etwa Straßen- und Bahnnetze, Anbindung an Flughäfen oder auch die Verfügbarkeit von Büro- und Gewerbeflächen. Im Bundesdurchschnitt bewerten 85 Prozent der Unternehmen die Infrastruktur an ihrem Standort mit gut oder eher gut. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg erhalten die besten Noten.

Deutlich weniger zufrieden zeigen sich die Mittelständler mit der Bildungspolitik in ihrem Bundesland – nur durchschnittlich 60 Prozent bezeichnen sie als gut oder eher gut. Am besten schneiden Sachsen und Baden-Württemberg ab.


Zustimmung zu Mittelstandspolitik steigt – Bürokratieabbau gefordert

Die Mittelstandspolitik der Landesregierungen trifft in diesem Jahr auf deutlich größere Zustimmung als noch 2009. Im Bundesdurchschnitt steigt die Zufriedenheitsquote von 61 auf 72 Prozent. Hamburg, Baden-Württemberg und Thüringen schneiden im Urteil der Mittelständler am besten ab. Im Vergleich zum Vorjahr erhalten die Landesregierungen von Bayern, Hessen und Berlin deutlich bessere Noten, während es in keinem Bundesland zu erheblich schlechteren Benotungen kam.

„Alle Landesregierungen haben sich die Förderung des Mittelstands auf die Fahnen geschrieben“, stellt Englisch fest. „Was der Mittelstand allerdings braucht, sind nicht freundliche Worte, sondern Taten. Dazu zählt unter anderem, den Mittelständlern nicht mit einer Vielzahl von Vorschriften und Reglementierungen das Leben schwer zu machen“. Die deutschen Mittelständler sehen sich insbesondere durch Gesetze, Vorschriften und ausufernde Statistikpflichten stark eingeschränkt: Für 94 Prozent der Unternehmen wären ein umfassender Abbau von Bürokratie und schnellere Genehmigungsverfahren eine wichtige Maßnahmen, um den Mittelstand in Deutschland zu stärken.

An zweiter Stelle steht der Wunsch nach einer Senkung der Lohnnebenkosten: 91 Prozent der Befragten fordern entsprechende Reformen von der Politik. Ebenfalls eine große Mehrheit der Befragten – 81 Prozent – fordert eine direkte Förderung des Mittelstands, etwa durch verbilligte Kredite oder Zuschüsse.


Quelle: Ernst and Young
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