30.03.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.
Der Lohnrückstand von Frauen ist in Deutschland mit konstant 22 Prozent sehr groß im europäischen Vergleich. Doch schaut man auf die Renten, fällt der Abstand noch weitaus gravierender aus. Das konstatieren Dr. Christina Klenner, Gender-Expertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, sowie Dr. Peter Sopp und Dr. Alexandra Wagner vom Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt in Berlin. In einer neuen Auswertung aktueller Daten aus dem WSI GenderDatenPortal haben sie dokumentiert, welche Unterschiede es bei der Alterssicherung zwischen Frauen und Männern gibt. Nach ihrer Analyse sind Frauen sowohl bei der gesetzlichen Rente als auch bei der betrieblichen Altersversorgung klar im Nachteil. Gleichzeitig profitieren sie stärker von Elementen des sozialen Ausgleichs im Rentenrecht, vor allem bei der Hinterbliebenenversorgung.
Die Rente sei damit ein „Spiegelbild der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Erwerbsbeteiligung“, heißt es in der Studie, die heute als WSI-Report erscheint. Dass Arbeitnehmerinnen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, häufiger in Minijobs oder Teilzeit beschäftigt sind und oft Auszeiten für die Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen nehmen müssen, weil Männer hier weniger Zeit investieren, habe Folgen für die finanzielle Situation im Alter. Ausgleichsmechanismen wie die Anrechnung von Erziehungszeiten könnten diese Schieflage nur zum Teil korrigieren.
Betrachtet man alle eigenen Alterssicherungseinkommen aus gesetzlicher Rente, privater Vorsorge und Betriebsrenten, zeigt sich eine erhebliche Lücke zulasten von Frauen. Klenner, Sopp und Wagner zitieren Berechnungen der Rentenexpertin Brigitte Loose, denen zufolge der "Gender Pension Gap" 2011 bei 57 Prozent lag. Im Osten, wo Frauen traditionell häufiger berufstätig sind, war die Kluft mit 35 Prozent deutlich kleiner als im Westen mit 61 Prozent. Langfristig zeigt sich ein Trend zur Angleichung zwischen den Geschlechtern: 1992 betrug der Unterschied in Deutschland noch 69 Prozent.
Als gesetzliche Altersrente erhielten Frauen 2014 durchschnittlich 618 Euro, Männer 1.037 Euro. Das entspricht einer Differenz von über 40 Prozent. Wesentlich besser schneiden Frauen bei den Hinterbliebenenrenten ab: Witwen bekommen mit 592 Euro im Schnitt etwa doppelt so viel ausbezahlt wie Witwer. Der Grund: Die Rente des verstorbenen Ehepartners war bei den Witwen in der Regel höher als bei den Witwern, die eigenen Altersbezüge, die auf die Hinterbliebenenrente angerechnet werden, fallen bei den Frauen geringer aus.
Erheblich zurück liegen die Frauen bei der betrieblichen Altersvorsorge: 2011 bezogen 25 Prozent der männlichen und sechs Prozent der weiblichen Ruheständler eine Betriebsrente der Privatwirtschaft. Die Zahlungen waren mit 574 Euro bei den Männern im Schnitt fast dreimal so hoch wie bei den Frauen. Zumindest bei der Reichweite zeichnet sich aber eine Änderung ab: Aktuell erwerben 46 Prozent der Arbeitnehmerinnen und 51 Prozent der Arbeitnehmer Ansprüche in der betrieblichen Altersvorsorge der Privatwirtschaft. Im öffentlichen Dienst geht es schon jetzt ausgeglichener zu. Männer und Frauen erhalten hier ähnlich oft Leistungen aus einer Zusatzversicherung. Allerdings beziehen die männlichen Rentner durchschnittlich 392 Euro, die weiblichen nur 250 Euro. Bei den staatlichen Zulagen für die Riester-Rente haben die weiblichen Sparer die Nase vorn, was vor allem mit der Kinderzulage zusammenhängen dürfte.
Angesichts der Unwucht bei den Rentenbezügen überrascht es nicht, dass Frauen etwas häufiger als Männer auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind. 2014 waren 314.000 oder 3,2 Prozent der Frauen über 64 und 201.000 oder 2,7 Prozent der Männer betroffen. Ausschlagegebend für die seit Jahren kontinuierlich steigende Zahl ist der Analyse zufolge das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente – bei gleichzeitig steigendem Grundsicherungsniveau.
Zumindest in einer Hinsicht stehen Frauen deutlich besser da als Männer: Sie beziehen wegen der höheren Lebenserwartung im Schnitt fünf Jahre länger Rente. Bei den Hinterbliebenenrenten ist die Zahl der weiblichen Leistungsberechtigten auch deshalb ungleich höher, weil viele Frauen jünger als ihre Ehepartner sind.
Alles in allem sei die Rentenlücke angesichts steigender Frauenerwerbstätigkeit und stärkerer Anerkennung von Erziehungszeiten zuletzt zwar kleiner geworden, resümieren Klenner, Sopp und Wagner. Es sei aber noch viel zu tun. Notwendig für eine eigenständige Alterssicherung wären Verbesserungen bei den Erwerbschancen im Allgemeinen und bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Besonderen. Zudem gehörten die Rentenreformen des vergangenen Jahrzehnts auf den Prüfstand: Die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente hätten das Risiko der Altersarmut erhöht, das Drei-Säulen-Modell sei insgesamt gescheitert und habe die Geschlechterunterschiede zum Teil sogar verstärkt. Empfohlen wird die Rückbesinnung auf eine gesetzliche Rente, die sich an der Sicherung des Lebensstandards orientiert.
Weitere Informationen:
Christina Klenner, Peter Sopp, Alexandra Wagner: Große Rentenlücke zwischen Männern und Frauen (pdf), WSI-Report 29, März 2016.
Tabellenband mit allen Daten zum WSI-Report (pdf)
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