25.10.2016 — Timm Haase. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Ein Unternehmen betreibt in mehreren Filialen einen Einzelhandel mit Waren verschiedenster Art. Gemäß § 3 der Betriebsprüfungsordnung 2000 wurde der Betrieb zum 1. Januar 2004 als Kleinbetrieb, zum 1. Januar 2007 als Mittelbetrieb, zum 1. Januar 2010 als Großbetrieb und mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013 wieder als Mittelbetrieb eingestuft. Für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 sowie für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 führte das Finanzamt bei diesem Unternehmen Außenprüfungen durch, die zu keinen nennenswerten Beanstandungen führten.
Am 22. Januar 2013 ordnete das Finanzamt eine weitere Außenprüfung an, die sich auf die Feststellung der Einkünfte sowie die Gewerbesteuer für die Jahre 2008 bis 2011 erstrecken sollte. Daraufhin legte das Unternehmen Einspruch gegen die Prüfungsanordnung ein. Im Anschluss erließ das Finanzamt am 20 Februar 2013 eine neue Prüfungsanordnung, in der es den Prüfungszeitraum auf drei Jahre (2008 bis 2010) begrenzte. In einer Anlage zur Prüfungsanordnung forderte das Finanzamt den Unternehmer auf, die elektronischen Daten seines Warenwirtschaftssystems, des Kassensystems und seiner Erlöse zur Verfügung zu stellen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nach, hielt aber an seinem Einspruch fest.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30. April 2013 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es darauf, dass es sich bei der Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO um eine Ermessenentscheidung handele, die mit der Angabe der Rechtsgrundlage hinreichend begründet sei. Dies gelte auch im Falle einer Anschlussprüfung, die weder ein zu erwartendes Mehrergebnis noch relevante Prüfungsfeststellungen in den vorangegangenen Prüfungen voraussetze.
Da die Anordnung einer Außenprüfung einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Sphäre darstelle, dürfe das Auswahlermessen des Finanzamts nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen oder sich als willkürlich oder schikanös darstellen. Das sei vorliegend jedoch unstreitig nicht der Fall. Das Finanzamt habe sich auch durch den Wechsel der Größenklasse vom Groß- zum Mittelbetrieb zum 1. Januar 2013 zur Prüfung veranlasst gesehen. Mit dieser Argumentation war das Unternehmen nicht einverstanden und klagte.
Während des Klageverfahrens erließ das Finanzamt am 13. März 2014 eine neue Prüfungsanordnung, die wiederum auf § 193 Abs. 1 AO gestützt war. Sie ergehe aufgrund einer Ermessensentscheidung, bei der das Kontrollmaterial von ausschlaggebender Bedeutung sei. Es lässt den Schluss zu, dass im Prüfungszeitraum nicht alle Geschäftsvorfälle zutreffend erfasst worden seien. Es sei daher notwendig, eine zweite Anschlussprüfung durchzuführen, obgleich die letzte Betriebsprüfung nicht zu nennenswerten Beanstandungen geführt habe.
Das Finanzgericht gab der Klage statt und hob die Prüfungsanordnung vom 13. März 2014 auf. Zur Begründung führte es aus, das Kontrollmaterial ließe zumindest für das Jahr 2008 einen Prüfungsbedarf erkennen. Die Prüfungsanordnung leide aber an einem Begründungsmangel i. S. des § 121 Abs. 1 AO, da sie keine sachgerechte Ermessensausübung erkennen lasse. Es sei nicht auszuschließen, dass zumindest eine Plausibilitätsprüfung durch Abgleich des Kontrollmaterials mit der bereits vorgelegten elektronischen Buchführung möglich und die Prüfungsanordnung daher unverhältnismäßig sei. Zudem sei nicht auszuschließen, dass der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat gegen das Unternehmen bestehe und daher mit der Prüfungsanordnung § 393 Abs. 1 und § 397 Abs. 3 AO (Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit) sowie die aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung zu beachtenden Vorgaben des § 10 BpO unterlaufen werden sollten.
Ob und in welchem Umfang nach § 193 AO eine Außenprüfung angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung. Das Finanzamt hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und frei von Ermessensfehlern entschieden, so das Urteil des BFH.
Eine Außenprüfung ist nach § 193 Abs. 1 AO u. a. zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Daher sind Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig Weder der Abgabenordnung noch der Betriebsprüfungsordnung ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen. Für die Anordnung einer Außenprüfung ist unerheblich, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht
Die Anordnung der zweiten Anschlussprüfung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Nach der BpO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 4 Abs. 1 BpO). Bei Großbetrieben und bestimmten anderen Unternehmen soll der Prüfungszeitraum an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BpO). Bei anderen Betrieben soll der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Der Prüfungszeitraum kann insbesondere dann drei Besteuerungszeiträume übersteigen, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht.
Anschlussprüfungen sind grundsätzlich stets zulässig (§ 4 Abs. 3 BpO), wobei aber die Größenklasse (§ 3 BpO) entscheidend ist, in die der Betrieb im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eingeordnet ist (§ 4 Abs. 4 BpO). Der Betrieb des Unternehmens war danach bei Erlass der Prüfungsanordnung als Mittelbetrieb eingestuft, so dass er nicht schon nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO der Anschlussprüfung unterlag. Die BpO lässt jedoch Anschlussprüfungen auch bei Mittelbetrieben ausdrücklich zu und macht sie auch nicht von besonderen Voraussetzungen abhängig.
Quelle:
BFH-Urteil vom 15.6.2016, Az. III R 8/15, veröffentlicht am 12.10.2016
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