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Studie: Altersstruktur zunehmend problematisch

22.02.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Öffentlicher Dienst: zwei Jahrzehnte Stellenabbau

Die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gesunken - teils durch Privatisierung, teils durch Stellenabbau. Damit der Staat seine Aufgaben weiterhin erfüllen kann, wären knapp 100.000 neue Stellen nötig. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Berliner Finanzwissenschaftlers Dr. Dieter Vesper im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Seit der Deutschen Einheit ist der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt nahezu stetig zurückgegangen. Ein wesentlicher Grund: Der Staat gibt immer weniger Geld für sein Personal aus. Das liegt einmal daran, dass die Zahl der Stellen im öffentlichen Dienst stark geschrumpft ist. Und auch die Einkommenssteigerungen blieben hinter denen der Gesamtwirtschaft zurück, zeigen Vespers Berechnungen. So stiegen von 2002 bis 2010 die nominalen monatlichen Bruttobezüge von Vollzeitbeschäftigten gesamtwirtschaftlich um insgesamt 19,5 Prozent. Bei den Vollzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst waren es hingegen nur 16,6 Prozent.

Angebotspolitische Denkmuster prägten das Handeln der Politik, erläutert Vesper. Dazu gehörten die Annahmen, dass ein hoher Staatsanteil das Wachstum hemme und die Privatisierung staatlicher Leistungen die Antriebskräfte des Systems stärke. Doch kann der öffentliche Dienst nach Jahrzehnten der Schrumpfung überhaupt noch den Bedarf an öffentlichen Gütern decken? Dieser Frage ist das langjährige Mitglied im Kreis der Steuerschätzer nachgegangen. Seine Antwort: Insgesamt arbeiten inzwischen zu wenige Beschäftigte bei Bund, Ländern und Gemeinden. Besonders groß ist die Lücke an den Schulen.

Von 1991 bis 2010 ist die Zahl der Staatsbediensteten um 1,6 Millionen gesunken - über 30 Prozent. Knapp die Hälfte des Stellenabbaus folgte daraus, dass der Staat Wirtschaftsunternehmen wie die Bahn oder die Post, Krankenhäuser und Hochschulen zunehmend aus den Kernhaushalten ausgliederte. Bereinigt um diese Verschiebungen liegt der Rückgang bei 18 Prozent. Die Bundeswehr baute mit dem Ende des Kalten Krieges in starkem Maße Personal ab. Unter Berücksichtigung dieser "Friedensdividende" sank die Zahl der Beschäftigten aber immer noch um 11 Prozent. Gegenwärtig sind rund 6,6 Prozent aller Einwohner im öffentlichen Dienst beschäftigt. Im Vergleich zu den Ländern des Euroraums liegt Deutschland damit inzwischen unter dem Durchschnitt. Die verschiedenen staatlichen Ebenen bauten in unterschiedlichem Ausmaß Personal ab, zeigt Vesper:

Bund. Auf Bundesebene liegt der Rückgang bei insgesamt 30 Prozent - und ist primär auf die Entwicklung im militärischen Sektor zurückzuführen. Über den gesamten Zeitraum rückläufig war die Zahl der Beschäftigten aber auch in der Finanzverwaltung und bei Verkehrsbehörden wie in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung oder dem Kraftfahrt-Bundesamt.

Länder. Um 25 Prozent sank die Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst der Länder. Starke Rückgänge verzeichneten die politische Führung und zentrale Verwaltung, besonders aber die Bereiche Gesundheit, Erholung und Umwelt, Soziale Sicherung sowie Wirtschaftsunternehmen. Bei letzteren handelt es sich zum Beispiel um Förderbanken, Wohnungs- oder Verkehrsunternehmen.

Gemeinden. Mit 38 Prozent fiel der Personalabbau auf der kommunalen Ebene massiv aus. Ein wesentlicher Faktor dabei war die Privatisierung zahlreicher Krankenhäuser. Zudem strichen die Gemeinden in der Sozialen Sicherung und dem Bildungssektor sehr viele Stellen. "Mit dem Stellenabbau im öffentlichen Dienst einher ging eine besorgniserregende Verschlechterung der Altersstruktur der Beschäftigten", stellt Vesper fest. Vielfach stellte der Staat nach dem Ausscheiden von Mitarbeitern in den Ruhestand keine jüngeren Arbeitnehmer ein, sondern strich deren Stellen. In den kommenden Jahren werden sich Bund, Länder und Gemeinden das nicht weiter erlauben können, so der Finanzexperte. Schätzungsweise bis zu 140.000 Beschäftigte werden pro Jahr in der nächsten Zeit in den Ruhestand gehen.

Unabhängig vom Nachwuchsproblem sieht der Forscher schon jetzt Indizien für einen höheren Personalbedarf. Der sei allerdings nur schwer zu quantifizieren, denn beim Bedarf an öffentlichen Gütern handele es sich um "eine kaum objektivierbare Größe". Hilfsweise hat Vesper den Umfang des öffentlichen Dienstes in anderen Staaten und die unterschiedliche Personalausstattung der einzelnen Bundesländer zum Vergleich herangezogen:

  • Für die Finanzverwaltung kommt er auf einen Zusatzbedarf von 4.500 Stellen - dann hätten alle Bundesländer mindestens so viele Bedienstete wie derzeit im Durchschnitt
  • Im Polizeidienst errechnet er auf gleichem Wege einen Fehlbestand von 24.000 Stellen
  • Im Bildungssektor fehlen im internationalen Vergleich 55.000 Lehrkräfte
  • In der Kinderbetreuung ergibt sich aufgrund des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab zwei Jahren ein zusätzlicher Bedarf von 16.000 Stellen.

Vor dem Hintergrund der kürzlich im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse rechnet der Finanzexperte eher mit einer restriktiven Haushaltspolitik, besonders auf Länderebene. "Genau dies wäre aber ein falscher Ansatz", warnt Vesper. Er rechnet bei einer Aufstockung des öffentlichen Dienstes um 100.000 Vollzeitstellen mit zusätzlichen Kosten von 5,5 Milliarden Euro - und erwartet positive Wirkungen für das Wirtschaftswachstum. Gerade Bildungsausgaben sorgten mittelbar für mehr Wachstum. "Ähnliches gilt für die institutionalisierte Kinderbetreuung, die für die Integration, Sozialisation und Ausbildung von Kindern unabdingbar ist" - und somit ebenfalls förderlich für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

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