22.04.2014 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin ist unstreitig umsatzsteuerliche Organträgerin der R GmbH (Organgesellschaft). Eine in Großbritannien registrierte S Ltd bestellte am 30.05.2008 20.000 Handys bei der Organgesellschaft. Die S Ltd trat dabei unter ihrer britischen Umsatzsteueridentifikationsnummer auf und war in Deutschland steuerlich nicht registriert. Zwischen der Organgesellschaft und S Ltd war die Lieferbedingung "EXW N " vereinbart. Die Organgesellschaft berechnete mit Rechnung vom 12.06.2008 die 20.000 Handys. Umsatzsteuer war auf der Rechnung nicht ausgewiesen. Die Rechnung enthielt den Hinweis "VAT Nummer GB … EU Ausfuhrlieferungen sind nach § 4 Nr. 1b UStG steuerfrei…".
Die Rechnung wurde am 12.06.2008 bezahlt. Von den 20.000 berechneten Handys sind unstreitig 5.000 nach England gelangt. Die steuerliche Behandlung dieser 5.000 Handys ist hier nicht streitig. Die S Ltd hatte am 12.06.2008 eine "proforma invoice" über 12.000 Handys an O T , PO Box xxx, Dubai und am 10.06.2008 über 3.000 Handys an P L.L.C, PO Box xxx, Dubai gestellt. Daraus ergibt sich, dass den Handys ein deutsches Handbuch beigegeben war. Als Auslieferungsort waren auf den zuvor genannten Proformarechnungen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, jeweils Frachtzentren in der Freihandelszone Flughafen Dubai angegeben.
Die S Ltd beauftragte am 12.06.2008 die H Ltd mit der Abholung der 15.000 Handys bei der Organgesellschaft und dem Transport der Handys nach Dubai. Am 13.06.2008 erfolgte die Ausfuhrabfertigung am Hauptzollamt G. Als zollamtlicher Anmelder ist die Organgesellschaft angegeben. Diese ist auf den zollamtlichen Ausfuhrpapieren neben der S Ltd außerdem als "Versender/Ausführer" aufgeführt. Am 19.06.2008 wies der Rechnungsempfänger O T, Dubai, die Annahme von 10.000 der an ihn berechneten 12.000 Handys zurück. S Ltd verkaufte diese am 23.06.2008 an einen anderen Abnehmer in Z (D LLC, Dubai). Weitere Angaben über die Umstände der Liefergeschäfte der S Ltd an ihre Abnehmer in Dubai sind nicht bekannt.
Die Klägerin hat in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2008 die Lieferung der 20.000 Handys als steuerfrei behandelt. In der zusammenfassenden Meldung gemäß § 18a UStG der Klägerin war der Vorgang zunächst nicht erfasst. Die Lieferung der 5.000 Handys ist später in einer zusammenfassenden Meldung erklärt worden.
Nach einer Mitteilung der Zentralstelle zur Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung NRW vom 12.09.2008 an den Beklagten über die Ausfuhr der 15.000 Handys begann am 06.11.2008 bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für Juni und Juli 2008. Der Prüfer war der Auffassung, die Lieferung der 15.000 Handys, die letztlich nach Dubai gelangt sind, sei nicht steuerfrei. Das FA erließ für Juni 2008 am 23.01.2009 nach Maßgabe des Prüfungsberichts einen Änderungsbescheid, gegen den die Klägerin fristgemäß Einspruch einlegte. Während des Einspruchsverfahrens, am 03.03.2010, reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr 2008 beim FA ein. Darin war die Lieferung der 15.000 Handys wiederum als steuerfrei erfasst, was das FA aber zunächst nicht erkannt hat. Das FA stimmte der Umsatzsteuer - Jahreserklärung am 26.03.2010 zunächst zu. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.09.2010 wurde die Umsatzsteuer (verbösernd) auf … € gegen die Klägerin festgesetzt. Der Umsatz der 15.000 Handys, die nach Dubai gelangt sind, wurde als umsatzsteuerpflichtig behandelt (Netto - Bemessungsgrundlage: … €, 19 %: … €).
Die Klage ist unbegründet (FG Münster, 5 K 3930/10 U – Revision zugelassen). Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die streitbefangenen Lieferungen der 15.000 Handys durch die Organtochter der Klägerin an S Ltd sind nicht steuerfrei.
Eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b) i.V.m. § 6a UStG kommt entgegen dem Hinweis in der Rechnung der Organtochter vom 12.06.2008 nicht in Betracht, denn die streitbefangenen 15.000 Handys sind unstreitig nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet, sondern das Drittlandsgebiet gelangt. Eine Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG scheidet aus, denn nicht die Organtochter der Klägerin, sondern die S Ltd hat eine Ausfuhrlieferung durchgeführt. Der Senat folgt der Auffassung der Beteiligten, dass im Hinblick auf die Lieferung der 15.000 Handys ein Reihengeschäft im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 5 UStG vorlag und dass diese Lieferung in Deutschland steuerbar war. Es haben mehrere Unternehmer über die Handys Umsatzgeschäfte abgeschlossen, nämlich die Organtochter der Klägerin mit S Ltd und diese mit ihren Abnehmern in Dubai. Die Handys sind auch unmittelbar von der Organtochter an die letzten Abnehmer in Dubai gelangt. Die bewegte Lieferung fand entgegen der Auffassung der Klägerin gemäß § 3 Abs. 6 S. 6 UStG jedoch nicht im Verhältnis der Klägerin zu S Ltd, sondern im Verhältnis S Ltd zu ihren Abnehmern in Dubai statt. Die Steuerfreiheit gemäß § 6 UStG betrifft daher die (bewegte) Lieferung der S Ltd an ihre Abnehmer. Die Klägerin hat die ruhende Lieferung erbracht, die gemäß § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar und mangels einer Befreiungsvorschrift auch steuerpflichtig ist. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die S Ltd die Handys als Lieferer im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UStG versendet hat. Die widerlegbare Vermutung in § 3 Abs. 6 S. 6, 1. Alt. UStG, dass bei der Beförderung oder Versendung durch einen mittleren Unternehmer die bewegte Lieferung der Lieferung an diesen Unternehmer zuzuordnen ist, greift im Streitfall nicht ein.
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