20.11.2018 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
1. Ein Verzicht des Gesellschafters auf ein Gesellschafterdarlehen gegen Besserungsschein kann für Schuldzinsen, die auf ein Refinanzierungsdarlehen gezahlt werden, bis zum Eintritt des Besserungsfalls zu einem Wechsel des Veranlassungszusammenhangs der Aufwendungen hin zu den Beteiligungserträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Ein Wechsel des Veranlassungszusammenhangs tritt insbesondere ein, wenn der Gesellschafter durch den Verzicht auf Zins- und Tilgungsansprüche aus dem Gesellschafterdarlehen die Eigenkapitalbildung und Ertragskraft der Gesellschaft stärken will.
2. Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG kommt für Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Kapitalerträgen aus einem Gesellschafterdarlehen stehen, gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich auch dann nicht zur Anwendung, wenn die geschuldeten Kapitalerträge von der Gesellschaft nicht gezahlt werden.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. In den Streitjahren (2009 und 2010) waren der Kläger zu 66 % und die Klägerin zu 8 % an der X GmbH (GmbH) beteiligt. Die Kläger hatten ein Darlehen aufgenommen, um ihre Stammeinlagen in die GmbH zu finanzieren. In beiden Streitjahren zahlten sie hierfür Schuldzinsen in Höhe von 5.800 EUR an die finanzierende Bank. Seit 1997 hatten die Kläger der GmbH mehrere verzinsliche Gesellschafterdarlehen gewährt, die sie zum größten Teil bei Banken refinanziert hatten. In den Streitjahren bestand auf Grundlage von Umschuldungen früherer Refinanzierungsdarlehen ein Darlehen der Kläger bei der ... Bank über rund 986.000 EUR. Auf dieses Darlehen zahlten die Kläger im Streitjahr 2009 Schuldzinsen in Höhe von 55.713,14 EUR und im Streitjahr 2010 in Höhe von 33.510,16 EUR.
Für die mit den Refinanzierungsdarlehen finanzierten Gesellschafterdarlehen an die GmbH hatten die Kläger in den Jahren 2003 und 2004 sowohl auf Zinsen als auch auf die Darlehensrückzahlung verzichtet. Die Wirkung des Verzichts sollte jeweils entfallen, wenn die Befriedigung der Kläger ohne Gefährdung anderer Gläubiger möglich sei oder die Eigenkapitalquote der GmbH 20 % erreicht hätte. In den Streitjahren waren diese Bedingungen nicht erfüllt. Die GmbH zahlte trotz des Verzichts im Streitjahr 2009 aus nicht näher festgestellten Umständen auf dieses Gesellschafterdarlehen Zinsen in Höhe von 155,83 EUR. Für ein im Jahr 2000 aufgenommenes Refinanzierungsdarlehen über 500.000 EUR zahlten die Kläger in beiden Streitjahren Schuldzinsen an die Bank in Höhe von 28.250,04 EUR. Für das ausgereichte Gesellschafterdarlehen hatten die Kläger im Jahr 2004 auf Zinsen und Rückzahlung gegen Besserungsabrede verzichtet.
In den Streitjahren waren die Voraussetzungen der Besserungsabrede nicht erfüllt. Zinszahlungen der GmbH auf das Gesellschafterdarlehen erfolgten nicht. Gleiches galt für ein im Jahr 1997 aufgenommenes Refinanzierungsdarlehen über 29.000 EUR (Schuldzinszahlungen der Kläger 2009 in Höhe von 1.116,55 EUR und 2010 in Höhe von 657,19 EUR); den Verzicht auf das hieraus finanzierte Gesellschafterdarlehen hatten die Kläger gegen Besserungsabrede im Jahr 2000 erklärt. Für ein im Jahr 2006 aufgenommenes Refinanzierungsdarlehen über 250.000 EUR zahlten die Kläger im Streitjahr 2009 Schuldzinsen in Höhe von 11.187,50 EUR und im Streitjahr 2010 in Höhe von 8.625 EUR. Für das an die GmbH ausgereichte Gesellschafterdarlehen hatten die Kläger einen Teilverzicht auf die Rückzahlung (115.000 EUR) und auf die entsprechenden Zinsen gegen Besserungsschein erklärt. In den Streitjahren waren die Voraussetzungen der Besserungsabrede nicht erfüllt. Zinszahlungen der GmbH auf das Gesellschafterdarlehen erfolgten jedoch auch nicht, soweit nicht verzichtet worden war. Schließlich war ein Gesellschafterdarlehen an die GmbH vorhanden, auf das die Kläger nicht verzichtet hatten und auf das die GmbH in den Streitjahren die vereinbarten Zins- und Tilgungsbeträge zahlte. Das Darlehen war ebenfalls refinanziert. Die vereinnahmten Zinsen wurden gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vom FA als gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG tariflich zu besteuernde Einkünfte aus Kapitalvermögen und die im Zusammenhang mit diesen stehenden Schuldzinsen für das Refinanzierungsdarlehen als Werbungskosten behandelt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Zudem waren den Klägern in den Streitjahren im Zusammenhang mit den Kapitaleinkünften Steuerberatungs- und Finanzierungskosten sowie Aufwendungen für Fachliteratur und Bankgebühren entstanden. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärte der Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 89.814 EUR (2009) und in Höhe von 58.070 EUR (2010), die Klägerin in Höhe von 1.292 EUR (2009) und in Höhe von 1.302 EUR (2010). Die Steuererklärungen waren vom steuerlichen Berater erstellt worden. Ein Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren für Beteiligungserträge von der GmbH gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG wurde in den Erklärungen nicht gestellt.
Das FA veranlagte die Kläger im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2009 vom 15. Februar 2011 zunächst erklärungsgemäß. Am 19. April 2013 erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2009 und einen von der Erklärung abweichenden Erstbescheid für das Streitjahr 2010. Für den Kläger setzte das FA aus dem unstreitigen Darlehen, für das kein Verzicht vorlag und auf das von der GmbH Zinsen gezahlt worden waren, den Überschuss der Zinseinkünfte über die Refinanzierungszinsen in Höhe von 14.684 EUR (2009) und in Höhe von 21.697 EUR (2010) als tariflich zu besteuernde Kapitaleinkünfte an. Im Übrigen verneinte es aufgrund der Verzichte der Kläger auf Zins- und Darlehensrückzahlungsansprüche für die Gesellschafterdarlehen jeweils die Überschusserzielungsabsicht und versagte die Berücksichtigung der Schuldzinsen als Werbungskosten. Soweit andere Kapitalerträge der Kläger dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterlagen, zog das FA von diesen Einkünften den Sparer-Pauschbetrag der Kläger ab.
Einspruch und Klage vor dem FG blieben erfolglos. Die Entscheidung des FG vom 24. Mai 2016 13 K 3369/14 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1781 veröffentlicht. Die Revision ist begründet (BFH Urteil vom 24.10.2017, VIII R 19/16). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen des FG tragen dessen Würdigung, dass ein Abzug der Schuldzinsen aus den Refinanzierungsdarlehen und der übrigen Aufwendungen als Werbungskosten in den Streitjahren ausgeschlossen ist, nicht vollständig. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat zutreffend einen Abzug der Schuldzinsen für das von den Klägern aufgenommene Darlehen zur Finanzierung der Stammeinlagen als Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG verneint. Das FG hat ebenfalls zutreffend entschieden, dass ein Abzug der Schuldzinsen gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG ausgeschlossen ist, soweit die Kläger vollständig auf Zinszahlungen und die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen gegen Besserungsschein gegenüber der GmbH verzichtet hatten und in den Streitjahren auf die zur Refinanzierung aufgenommenen Darlehen Schuldzinsen (2009: 85.079,73 EUR; 2010: 62.417,39 EUR) zahlen mussten. Hinsichtlich der Refinanzierungszinsen, die mit dem Darlehen über 250.000 EUR in Zusammenhang stehen, auf dessen Rückzahlung teilweise (in Höhe von 115.000 EUR) verzichtet wurde und hinsichtlich der weiteren streitigen Werbungskosten erweist sich die Vorentscheidung jedoch als rechtsfehlerhaft. Sie ist aufzuheben.
Das Werbungskostenabzugsverbot aus § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG gilt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG nicht für Kapitalerträge aus einem Gesellschafterdarlehen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn diese von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner (hier den Kläger) gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Das FG stützt sich zu Unrecht darauf, dass die Regelungen in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 und in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht anzuwenden sind, wenn Zinszahlungen auf ein Gesellschafterdarlehen von der Gesellschaft zwar zivilrechtlich geschuldet, aber nicht erbracht werden.
Eine Verpflichtung der GmbH zur Zahlung von Zinsen auf das Gesellschafterdarlehen bestand in den Streitjahren noch, soweit die Kläger auf Zins- und Tilgungsansprüche nicht verzichtet hatten. Die Nichtzahlung der geschuldeten Zinsen aus dem Gesellschafterdarlehen bewirkt aber nicht, dass die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG in den Streitjahren nicht erfüllt sind. Zwar könnte aus dem Merkmal "gezahlt" in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG geschlossen werden, dass stets eine tatsächliche Zahlung vom Schuldner an den Gläubiger erfolgen muss, damit die Ausschlusswirkung der Regelung für Kapitalerträge aus dem Gesellschafterdarlehen und für das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG greift.
Eine derart enge Auslegung entspricht aber nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Dies lässt sich daraus ableiten, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG sowohl für laufende Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) als auch für Veräußerungsgewinne (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) gilt. Aus dem Ausschluss sowohl der laufenden Kapitalerträge als auch der Veräußerungsgewinne in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG aus dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG und dem damit verbundenen Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG geht hervor, dass das Gesellschafterdarlehen eines zu mindestens 10 % beteiligten Gesellschafters mit den laufenden Erträgen und dem Vermögensstamm nicht der Besteuerung unterliegen soll. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob vom Gesellschafter aus dem Gesellschafterdarlehen tatsächlich Kapitalerträge erzielt werden. Folglich ist das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG in den Streitjahren nicht auf die Aufwendungen (Schuldzinsen) anzuwenden, die mit dem (hier teilweise fortbestehenden) Gesellschafterdarlehen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Zudem ist unklar, wie die Feststellung des FG zu verstehen ist, die geschuldeten Zinsen aus dem Gesellschafterdarlehen seien "faktisch nicht gezahlt" worden. Eine fehlende Zahlung der Zinsen erlaubt noch nicht den Schluss, dass dem Kläger in den Streitjahren keine Zinsen aus dem Gesellschafterdarlehen gemäß § 11 EStG zugeflossen sind. Denn bei einer Aufwandsbuchung der GmbH für die geschuldeten Zinsen wären diese dem Kläger als beherrschendem Gesellschafter auch ohne tatsächliche Zahlung i.S. des § 11 EStG zugeflossen.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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