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Positiver Ausblick: Corona-Pandemie könnte mittelfristig die Produktivität steigern

01.04.2021  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: McKinsey & Company.

Hoffen auf die Zeit nach Corona: In der Pandemie sank der deutsche BIP 2020 um 4,9%. Doch auf tiefe Wirtschaftskrisen kann auch eine schnelle wirtschaftliche Erneuerung folgen, wie dies nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war.

Welche Voraussetzungen dafür nötig sind und wie hoch das Produktivitätswachstum ausfallen kann, untersucht eine neue Studie des McKinsey Global Institute (MGI) mit dem Titel „Will productivity and growth return after the COVID-19 crisis?“. Der volkswirtschaftliche Think Tank der Unternehmensberatung McKinsey hat dafür die Aktivitäten von Firmen in acht wichtigen Wirtschaftssektoren untersucht, und hält eine Beschleunigung des Produktivitätswachstums in den USA und Europa von einem Prozentpunkt pro Jahr bis 2024 für möglich. „Wie unsere Volkswirtschaften aus der Krise kommen, hängt davon ab, ob die Nachfrage stark genug ist, um die Wirtschaft anzukurbeln. Zudem müssen Unternehmen auf breiter Front produktivitätssteigernde Maßnahmen ergreifen, insbesondere in Sektoren, die groß genug sind, um die nationale Produktivität zu beeinflussen", sagt Eckart Windhagen, Seniorpartner im Frankfurter Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie.

Die Studie zeigt, dass führende Unternehmen trotz oder gerade aufgrund der Pandemie bei einer Reihe von Faktoren, die die Produktivität in der Vergangenheit erhöht haben, schnellere Fortschritte gemacht haben als üblich. Sowohl in Europa als auch in den USA digitalisierten und automatisierten Unternehmen ihre Prozesse und Geschäftsmodelle bis zu 20 bis 25 mal schneller, als sie das vor der Pandemie für möglich gehalten hatten. „Wenn Unternehmen in der Breite solche Digitalisierungs- und Automatisierungsprogramme ausweiten, die Agilität erhöhen, neue Geschäftsmodelle realisieren und eine robuste Nachfrage herrscht, wird sich das Produktivitätswachstum bis 2024 um jährlich etwa einen Prozentpunkt beschleunigen“, sagt Jan Mischke, Partner beim McKinsey Global Institute und Co-Autor der Studie. Das entspräche mehr als dem doppelten Wachstum, das es in Deutschland seit der Finanzkrise gegeben hat. Mischke: „Ein derartiges Produktivitätswachstum könnte das BIP pro Kopf in Deutschland um EUR 2.000 zusätzlich zum erwarteten Trendwachstum erhöhen und entsprechend auch Reallöhne und Haushaltseinkommen stärken.“

Für die Studie haben die Autoren des MGI die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitsproduktivität in den USA und in den sechs größten europäischen Volkswirtschaften untersucht. Der Report stützt sich auf Daten von 5.500 Unternehmen aus den USA, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden und dem Vereinigten Königreich. Ergänzt wird der Report um eine Umfrage unter Führungskräften und eine tiefgehende Analyse von acht Sektoren: Einzelhandel, Information- und Kommunikationstechnologie (IKT), Gesundheit, Banken, Pharma, Automobil, Reise, Transport und Logistik sowie die Baubranche.

Das größte Potenzial für Produktivitätsbeschleunigungen sieht das MGI im Gesundheitswesen (z.B. Verbreitung der Telemedizin), im Baugewerbe (z.B. beschleunigte Einführung digitaler und industrialisierter Methoden), in der Informations- und Kommunikationstechnologie (u. a. erhöhte Nachfrage nach und Skalierung von digitalen Werkzeugen und Dienstleistungen) und im Einzelhandel (vor allem wachsender E-Commerce). In diesen Sektoren ist dem MGI zufolge sogar ein zusätzliches Produktivitätswachstum von bis zu 2 Prozentpunkten möglich.

"Superstar-Firmen" hängen andere Unternehmen ab

Doch das MGI-Szenario birgt auch Risiken: Erste Analysen deuten darauf hin, dass Fortschritte bislang vor allem bei großen Firmen mit hoher Rentabilität, sogenannten Superstar-Firmen, gemacht wurden. Diese Unternemen waren bereits vor der Krise führend und haben viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert, deutlich mehr als kleinere Firmen. Auch in der Krise sind sie weiterhin in der Lage, hohe Summen in Innovation, Automatisierung, Digitalisierung und Entwicklung agiler Organsationsstrukturen zu investieren.

„Bislang hat nur die Hälfte der für die Studie ausgewerteten Unternehmen ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung erhöht“, sagt Windhagen. In Deutschland sind die Gesamtinvestitionen im 3. Quartal 2020 gegenüber dem Vorkrisenniveau um 4% gesunken. In Frankreich betrug der Rückgang 5%, in Spanien und dem Vereinigten Königreich hingegen schon 11%.

Sollte sich dieses Ungleichgewicht bestätigen und anhalten, könnte eine große Kluft entstehen. Vergleichbar mit der Zeit nach der globalen Finanzkrise, würde nur eine Minderheit von Unternehmen, Haushalten und Regionen von Produktivitäts- und Einkommenswachstum profitieren.

Dabei steht Deutschland möglicherweise besser da als andere europäische Länder. Zum einen ist der Anteil der Großunternehmen an der Gesamtwirtschaft höher, zum anderen ist die Dynamik bei kleineren Unternehmen, gemessen an der Zahl der Konkurse und Neugründungen, mit -11% respektive -4% in den ersten drei Quartalen 2020 im Vergleich zum Vorjahr weniger stark gesunken als in anderen Ländern.

Investitionsprogramm zur Stabilisierung der Gesamtnachfrage

Nur eine robuste langfristige Gesamtnachfrage ermöglicht nach Analyse des MGI ein breites, beschleunigtes Produktivitätswachstum. Bei schwacher Nachfrage finden produktivitätsteigernde Investitionen kaum statt und den produktivsten Firmen fällt es schwer, ihren Marktanteil zu erhöhen. Ohne Maßnahmen würde die Nachfrage jedoch kaum mit einem möglichen Produktivitätsschub mithalten. Insbesondere einkommensschwächere Haushalte, die wichtig für den Konsum sind, haben unter der Krise gelitten und könnten bei beschleunigter Digitalisierung weiter unter Druck geraten.

„Unternehmen können die Nachfrage stärken, indem sie Produktivitätssteigerungen in Form von höheren Löhnen an die Mitarbeiter oder in Form verbesserter Produkte und Dienstleistungen an die Kunden weitergeben sowie nötige Investitionen in Nachhaltigkeit und Mitarbeiterschulung vorziehen“, sagt Mischke.

Aber auch die öffentliche Hand ist gefragt. Deutschland hat mit einem Stimulus von 11% des BIP bereits mehr in die Konjunkturbelebung investiert als andere europäische Länder. Weitere Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage könnten sein: ein auf Innovation ausgerichtetes öffentliches Beschaffungswesen, direkte Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur oder die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. Höhere CO2-Preise und Standards zur Nachhaltigkeit könnten Privatinvestitionen ebenso ankurbeln wie angepasste Bauvorschriften und die Bereitstellung von mehr Flächen für den Wohnungsbau.

Bild: PhotoMIX Ltd. (Pexels, Pexels Lizenz)

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