23.04.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders, hat ein positives Fazit des Projekts „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ gezogen. „Unser Pilotprojekt hat gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungen den Fokus auf die Qualifikation der Bewerbenden lenken und dabei gut umsetzbar sind“, sagte Lüders bei der Vorstellung des Abschlussberichtes am Dienstag in Berlin.
Am bundesweit ersten Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungsverfahren hatten sich im Zeitraum von November 2010 bis Dezember 2011 fünf Unternehmen und drei öffentliche Arbeitgeber beteiligt; 246 Stellen wurden besetzt, mehr als 8.550 Bewerberinnen und Bewerber haben sich anonymisiert beworben.
„Alle Bewerbenden hatten innerhalb des Verfahrens die gleiche Chance auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch – unabhängig davon, ob sie potentiell von Diskriminierung betroffen sind oder nicht“, sagte Lüders. Das zeige die wissenschaftliche Auswertung des Projekts durch das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und durch die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der Europa-Universität Viadrina (KOWA) in Frankfurt (Oder). Entscheidend sei dabei die Qualifikation der Bewerbenden gewesen, nicht ihr Aussehen, Geschlecht oder die Herkunft.
Im Vergleich mit klassischen Bewerbungsverfahren gibt es darüber hinaus Anzeichen dafür, dass Frauen von anonymisierten Bewerbungsverfahren besonders profitieren könnten, sagte Lüders. Das gelte etwa für jüngere Frauen, die bereits Berufserfahrung haben und zum Beispiel wegen eines möglichen Kinderwunsches bislang schlechtere Chancen hatten. Für Bewerbende mit Migrationshintergrund gilt: Hatten sie zuvor geringere Chancen auf eine Einladung, haben sich diese nach der Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren verbessert.
Auch die Einschätzung vieler Personalverantwortlicher im Pilotprojekt fiel positiv aus. Das Fehlen persönlicher Angaben in den Bewerbungsunterlagen wie Name, Geschlecht, Alter und Familienstand stellte für die Mehrheit der Personalverantwortlichen kein Problem dar, sagte Lüders. Viele Beteiligte hätten positiv angemerkt, dass die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren eine Diskussion der bisherigen Rekrutierungspraxis in der entsprechenden Organisation angeregt habe.
Einige Personalverantwortliche der Organisationen, bei denen sich keine signifikanten Effekte gezeigt hatten, stellten dabei fest, dass ihre bisherigen Rekrutierungsverfahren den Aspekt der Diversität bereits umfassend berücksichtigt hatten und deshalb anonymisierte Verfahren kein zusätzliches Potenzial entfalten konnten.
Eine Umfrage unter Bewerbenden, die ein standardisiertes Bewerbungsformular ausgefüllt haben, ergab darüber hinaus eine deutliche Zustimmung zum Konzept anonymisierter Bewerbungsverfahren. Bei der Frage nach der Präferenz zeigte sich, dass eine Mehrheit das anonymisierte Bewerbungsverfahren bevorzugt. Deutlich wurde auch, dass Bewerbende gut mit dem neuen Verfahren zurechtkommen. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie für die anonymisierte Bewerbung weniger Zeit benötigten als in herkömmlichen Verfahren oder dass es keinen Unterschied für sie mache, mit welchem Verfahren sie sich bewerben.
Mehrere der beteiligten Partner wollen nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch in Zukunft mit Teil- oder Voll-Anonymisierungen arbeiten. Darüber hinaus planen die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz weitere Pilotprojekte, auch mehrere Unternehmen und Kommunen haben ihr Interesse an dem Verfahren angemeldet.
Lüders: „Anonymisierung wirkt. Sie stellt Chancengleichheit her und macht Bewerbungsverfahren fairer. Und: Weitere Unternehmen und Personaler beginnen jetzt, ihren bisherigen, traditionellen Ansatz zu überdenken. Das ist ein gutes Signal für eine neue Bewerbungskultur in Deutschland“.
Weitere Informationen
Das Pilotprojekt wurde während der gesamten Dauer wissenschaftlich begleitet und im Anschluss umfassend ausgewertet. Dafür hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) aus Bonn und die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt der Europa-Universität Viadrina (KOWA) in Frankfurt (Oder) gewonnen. Bei den Projektpartnern handelt es sich im Einzelnen um die Deutsche Post DHL, die Deutsche Telekom, das Kosmetikunternehmen L´Oréal, den Geschenkdienstleister mydays, den Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle.
In dem Pilotprojekt arbeiten die Beteiligten mit insgesamt vier verschiedenen Varianten der Anonymisierung: einem standardisierten Bewerbungsformular (zum Herunterladen aus dem Internet oder als Online-Maske), dem Blindschalten sensibler Daten durch ein Online-System, der Übertragung von Bewerber/innen-Daten in eine Tabelle und dem Schwärzen per Hand oder im pdf-Dokument.
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