Die neue P2B-Verordnung (EU 2019/1150) betrifft nicht nur Händler und Anbieter von Plattformen, sondern auch Vermittlungsdienste für Hotels, Flugbuchungsportale oder Vermittlungsdienste für Dienstleister. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER, erläutert die Details und zeigt, dass auch kleinere Vermittlungsplattformen, betroffen sind.
Mehr Transparenz und Stärkung von Rechten
Die Plattform-to-Business-Verordnung (kurz: P2B-Verordnung) soll für mehr Transparenz und Fairness auf Onlineplattformen sorgen und die Rechte von Unternehmern gegenüber Plattformbetreibern stärken. Sie trat am 31.07.2019 schon in Kraft, gilt aber erst ab dem 12. Juli 2020 unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union und den EWR Staaten. Sie enthält Vorgaben zur AGB-Gestaltung der Plattformanbieter und Informationspflichten.
Es gibt natürlich auch kleinere Ausnahmen, etwa für Online-Werbeinstrumente oder Online-Werbebörsen, bei denen es nicht um die direkte Transaktion zum Endkundengeschäft geht und bei denen auch Verbraucher außen vor sind.
Auch kleine Vertriebshilfen erfasst
Art. 2 Abs. 2 definiert „Online-Vermittlungsdienste“ und bezieht sich auf Dienste der Informationsgesellschaft nach der EU-Richtlinie 2015/1535. Die stellt auf Dienstleistungen ab, die ohne gleichzeitige Anwesenheit der Parteien (im Fernabsatz) erbracht werden. Diese Dienstleistungen müssen darauf ausgerichtet sein, dass gewerbliche Nutzer auf Basis eines Vertragsverhältnisses zur Plattform Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbieten können.
Die Plattform muss nur die direkten Transaktionen zwischen Händler und Verbraucher einleitend vermitteln. Es kommt nicht darauf an, wo diese Transaktionen letztlich abgeschlossen werden. Damit sind auch schnell kleine Vertriebshilfen erfasst. Wenn Sie z.B. als Markenhersteller Ihre Händler auf der Seite aufführen und für ein zusammengestelltes Angebot dem Kunden eine Händlersuche bereitstellen und den Kontakt zum ausgesuchten Händler vermitteln, dann greifen die Vorgaben der Verordnung. Der Vertrag kann dann über den Link auf die Händlerseite dort zustande kommen oder auch offline im Ladengeschäft.
Suchmaschinen auch erfasst
Die Verordnung erfasst auch Suchmaschinenanbieter, die zwar kein Vertragsverhältnis zum Händler haben, aber mit ihren Rankings erheblichen Einfluss auf den Geschäftserfolg des Händlers haben können, der in der EU sitzen und seinerseits Verbraucher ansprechen muss. Es geht hier allerdings nicht um die internen Shop-Suchmaschinen.
Neue Vorgaben für AGB-Gestaltung
Die P2B-Verordnung sieht zunächst Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung von AGB vor und zwingt damit entsprechende Plattform-Anbieter zur Prüfung ihrer Regelungswerke.
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Diese müssen insbesondere klar und verständlich formuliert und zu jedem Zeitpunkt für gewerbliche Nutzer (auch bereits während der Phase vor Vertragsschluss) leicht verfügbar sein. Links, die sich erst nach zahleichen Dateneingaben erschließen, dürften damit der Vergangenheit angehören.
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Die AGB müssen Gründe festlegen, die Grundlage für eine Entscheidung zur Aussetzung, Beendigung oder sonstige Einschränkung des Service für einen Händler sein können.
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Über zusätzliche Vertriebskanäle und etwaige Partnerprogramme, die Plattformen für die Vermarktung der Händlerangebote nutzen (z.B. andere Websites, Softwareanwendungen oder sonstige Vermittlungsdienste), muss in den AGB informiert werden.
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Plattform-AGB müssen auch zumindest allgemein über die etwaigen Auswirkungen dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Inhaberschaft und die Kontrolle von Rechten des geistigen Eigentums der gewerblichen Nutzer informieren. Es geht also z.B. um die Verwendung bzw. den Umfang der Rechtseinräumung von Logos, Marken und geschäftlichen Bezeichnungen, aber auch etwa um Produktfotos und komplexe Beschreibungstexte.
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Die Anbieter müssen in den AGB sicherstellen, dass die Identität der auf der Plattform anbietenden Händler klar erkennbar ist.
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Klauseln zur Änderung der AGB müssen eine Frist von mindestens 15 Tagen vor der Umsetzung von Änderungen beachten. Händler müssen zuvor auf „dauerhaftem Datenträger“ (E-Mail für die Änderungsmitteilung dürfte reichen) über die vorgeschlagenen Änderungen unterrichtet werden. Längere Fristen für den Geltungszeitpunkt der neuen AGB-Bestimmungen sind einzuräumen, wenn dies erforderlich ist, um die aufgrund der Änderung notwendigen technischen oder geschäftlichen Anpassungen vorzunehmen. Ausnahmen gibt es nur bei gesetzlichen oder behördlichen Anordnungen oder „zur Abwehr einer unvorhergesehenen und unmittelbar drohenden Gefahr“ (also z.B. bei Betrug, Schadsoftware, Spam, Verletzungen des Datenschutzes oder andere Cybersicherheitsrisiken), wenn diese die Einhaltung der Frist nicht ermöglichen.
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Der Händler muss die Möglichkeit haben, vor Ablauf der Frist zu kündigen, wobei die Wirkung der Kündigung nicht weiter als 15 Tage nach Eingang der Änderungsmitteilung hinausgeschoben sein darf (kürzere Lösungsfristen dürfen die AGB vorsehen).
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Als Erleichterung für die Plattformbetreiber kann der Händler auf die Einhaltung der 15-Tagefrist zur Geltung der neuen AGB verzichten. Er muss dazu entweder eine schriftliche Erklärung abgeben oder eine eindeutige Handlung vornehmen (Einstellen neuer Waren oder Dienstleistungen). Bei notwendigen längeren Fristen, etwa wegen notwendiger technischer Umstellungen beim Händler, kann der Verzicht nur durch schriftliche Erklärung erfolgen.
Bei Verstoß AGB nichtig
AGB, die vorstehende Regelungen nicht einhalten, sind nichtig. Der Plattformbetreiber kann sich dann also nicht auf diese AGB berufen. Das gilt auch, wenn das Änderungsverfahren mit den Fristen nicht eingehalten wird (Art. 3 Abs. 3 P2BVO).
Weitere Informationen
Die Plattformbetreiber müssen aber noch weitere Informationen in ihre Nutzungsbedingungen für die teilnehmenden Händler aufnehmen. Nur gibt es keine direkte Sanktion, wenn die Information fehlt. Abmahnungen über Wettbewerbsrecht (UWG) oder Sanktionen über das Kartellrecht bleiben natürlich möglich. Es geht um AGB Informationen über
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das Ranking (Art. 5 Abs. 1);
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zu Nebenwaren oder Dienstleistungen (einschließlich Finanzprodukte) in Form der Beschreibung der Art und ob bzw. mit welchen Bedingungen der Händler solche Nebenleistungen anbieten kann (Art. 6); (Ein Recht auf die Möglichkeit eigener Angebote ist nicht enthalten);
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jegliche etwaige differenzierte Behandlung von Waren und Dienstleistungen, die Verbrauchern über diese Online-Vermittlungsdienste vom Plattformanbieter selbst (oder von ihm kontrollierten Anbietern) angeboten werden; es geht z.B. um Zugang zu Daten oder ein bevorzugtes Ranking, siehe Art. 7);
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Kündigungsmöglichkeiten des Händlers (Art. 8 b);
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Informationszugang nach Vertragsbeendigung (Art. 8 c);
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zum Bestehen und den Modalitäten eines eventuellen Datenzugangs (Art. 9);
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zu Einschränkungen zu Lasten der Händler, Angebote anderweitig zu anderen Konditionen anzubieten (Art. 10; Veröffentlichung der Gründe auch öffentlich notwendig);
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für größere Plattformanbieter (= >50 Beschäftigte + > 10 Mio. Umsatz) zum Zugang zu ihrem internen Beschwerdemanagementsystem und dessen Funktionsweise (Art. 11 Abs. 3).
Offenlegung von Ranking-Parametern
Weiterhin wird die Offenlegung von Ranking-Parametern verpflichtend. In den AGB der Plattformen müssen die Hauptparameter angegeben werden, die das Ranking bestimmen. Auch müssen die Gründe für ihre Gewichtung gegenüber anderen Parametern dargestellt werden. Ein Transparenzgebot für die Gewichtung von Parametern gilt auch für Suchmaschinen. Werden beim Ranking Provisionen berücksichtigt, muss angegeben werden, wie sich diese auf das Ranking auswirken.
Fazit:
Nicht nur die großen Player sind betroffen und müssen sich um Anpassungen kümmern. Vielmehr sind auch kleinere Plattformen insbesondere von Herstellern betroffen, die oft dazu dienen, den Absatz der eigenen Händler zu fördern. Beschäftigen die mehr als 50 Mitarbeiter und machen mehr als 10 Mio. Euro Umsatz, dann kommen noch besondere Pflichten zum Beschwerdemanagement und der Mediation von Streitigkeiten hinzu. Händler profitieren künftig etwas stärker von der neuen Transparenz und den Regelungen gegen Willkür. Die große Abhängigkeit wird bleiben und wie stark die Regelungen sich schützend für Händler auswirken, muss die Praxis zeigen.