20.07.2020 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Geworben hatte ein großes deutsches Kreditinstitut. Die Klägerin hatte ihr offenbar einmal eine Werbeeinwilligung erteilt und Anschrift sowie Telefonnummer hinterlassen. Per E-Mail forderte sie die Bank später auf, ihr keine Werbung mehr zuzusenden. Ungefähr 2 Monate später warb die Bank dann mit einem an sie persönlich adressierten werblichen Schreiben für ein Girokonto per Post. Die Betroffene wandte sich an einen Verbraucherschutzverband. Es kam zur Abmahnung und Klage.
Die Bank argumentierte damit, dass der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nur hartnäckige Missachtungen des Werbewiderspruchs verbiete. Diese Hartnäckigkeit ist nach der Ansicht von bestimmten Gerichten nicht erfüllt, wenn es nur zu einer einmaligen Zusendung gegen den Widerspruch der Beklagten kommt.
§ 7 Abs. 2 UWG lautet:
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
1. bei Werbung unter Verwendung eines in den Nummern 2 und 3 nicht aufgeführten, für den Fernabsatz geeigneten Mittels der kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher hartnäckig angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht;
In Nummer 2 werden Telefonanrufe und in Nummer 3 wird Werbung mittels Anrufmaschinen, Telefaxzusendungen und elektronische Post, also u.a. E-Mail-Werbung, angesprochen. Damit deckt die Nr. 1 die Werbung per Briefpost ab. Neben dieser Regelung sieht § 7 Abs. 1 UWG im zweiten Satz aber auch vor:
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
Diese Regelung stellt also z.B. auf den Werbewiderspruch ab, ohne eine Hartnäckigkeit zu fordern. Die Bank vertrat die Ansicht, die Regelung mit der hartnäckigen Ansprache gehe der allgemeineren Regelung in Absatz 1 vor („lex specialis“). Das weitere Werbeschreiben sei nur ein „Ausreißer“ gewesen.
Diese Ansicht teilte das OLG Frankfurt in seiner aktuellen Entscheidung (OLG Frankfurt 6. Zivilsenat, Urt. v. 07.05.2020, Az. 6 U 54/19 – nicht rechtskräftig) nicht und sah auch die Regelung von Absatz 1 anwendbar, die eine Werbezusendung gegen den erkennbaren Wunsch des Empfängers verbietet. Dies berührt komplizierte juristische Überlegungen, denn § 7 Abs. 2 dient u.a. der Umsetzung der EU-Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken, die es allerdings den Mitgliedsstaaten verbietet, strengere Regelungen vorzusehen. Die Richter des OLG Frankfurt sahen dennoch Raum für eine nationale Regelung durch die Generalklausel in Absatz 1:
„Belästigend in diesem Sinne ist eine Werbung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und bereits wegen der Art und Weise, wie sie ihn erreicht, unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer ist nicht erforderlich (…). Für eine solche Regelung lässt die UGP-Richtlinie auch Raum. Sie regelt zwar die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern grundsätzlich abschließend. Nach ihrem Erwägungsgrund 7 bezieht sie sich allerdings nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. Die Mitgliedstaaten sind daher grundsätzlich nicht gehindert, Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands zu verbieten, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen (…).“
Aus Sicht des Senats handelt es sich bei § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG um eine vorrangige Sonderregelung nur für den Fall, dass ein Verbraucher insbesondere durch Briefwerbung und Briefkastenwerbung hartnäckig angesprochen wird (…). Spricht die Werbung den Umworbenen nicht hartnäckig an, ist allein § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG anwendbar.
Dass es einmal eine Einwilligung gab, widerlege die Unzumutbarkeit nicht. Daraus folge nicht, dass der Betroffenen nach ihrem ausdrücklichen Widerspruch weitere Werbeschreiben eher zumutbar seien, als einem Verbraucher, der auch in der Vergangenheit damit nicht einverstanden gewesen sei. Auch der „Ausreißer“, der auf einem Einzelfallversagen einer nach Krankheitsfällen eingesetzten Aushilfe beruhte, widerlege dies nicht. Bei einem Unterlassungsanspruch komme es nicht auf ein Verschulden an.
Es sei eher im Rahmen der Abwägung zu prüfen, ob es sich um eine Bagatelle handelte. Allerdings sind an den Nachweis einer solchen strenge Anforderungen zu stellen. Die weiteren Ausführungen sind wichtig für die Direktmailing-Praxis.
Die Beklagte habe keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um Ausreißer zu verhindern. So wurde die Werbewiderspruchsdatei händisch geführt. Das anschließende Unterziehen eines an Millionen Kunden verschickten Werbeschreibens „mit verschiedenen Adressabgleichen“ in einem automatisierten Verfahren berge ein erhebliches Fehlerpotential.
Dazu spekulieren die Richter, dass bereits schon ein falsch geschriebener Buchstabe eines Adressaten in der Widerspruchsdatei einen zutreffenden Abgleich verhindere. Die Beklagte habe den konkreten Fehler auch nicht eindeutig aufklären können. Wenn es ein Versagen der Aushilfskraft gewesen sei, habe es an einer hinreichenden Kontrolle gefehlt. Im Urteil heißt es dazu:
Die Beklagte hätte schon zum Zeitpunkt der Versendung des streitgegenständlichen Schreibens entweder ein geeignetes Kontrollverfahren, z.B. das „Vier-Augen-Prinzip“, oder ein automatisiertes Erfassungsverfahren vorhalten müssen, um Fehler bei der händischen Erfassung auszuschließen. Nach ihrem Vortrag in der Klageerwiderung hat sie zwischenzeitlich ihren Bearbeitungsprozess auf ein automatisiertes Erfassungsverfahren umgestellt. Dies indiziert, dass bessere Vorkehrungen zur Fehlervermeidung möglich und zumutbar sind. Bei dieser Sachlage kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Verfahren der Beklagten sonst zuverlässig funktioniert bzw. zu keinen Beanstandungen geführt hat.
Schließlich reichte es dann bei der Verbandsabmahnung auch nicht mehr, dass die Bank eine auf die Kundin beschränkte Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Das Gericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Mit dem Urteil wird es grundsätzlich schwieriger, sich gegen eine Abmahnung zur Zusendung eines Werbeschreibens nach einem Werbewiderspruch zu wehren. Es ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Ob sich Unternehmen wirksam durch die automatisierte Organisation von Werbewiderspruchsdateien und deren Verarbeitung schützen können, bleibt unklar. Die Richter des OLG Frankfurt sehen hierin jedenfalls eine Maßnahme, die Schreibfehler ausschließen kann. Händisch geführte Widerspruchsdateien sind damit nicht mehr anzuraten. Damit sind noch nicht einmal notwendige und ausreichende technisch organisatorische Maßnahmen nach dem Datenschutzrecht der DSGVO geprüft worden.
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