13.06.2012 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
In der Praxis hat sich herausgestellt, dass sich Beruf und die Pflege von Familienangehörigen im Regelfall nur schlecht miteinander vereinbaren lassen. Vollzeitpflege und Vollzeitarbeit sind in der Praxis auf Dauer nicht durchführbar. Mit der Einführung des Familienpflegezeitgesetzes zum 01.01.2012 möchte der Gesetzgeber die Pflege von nahen Angehörigen für Arbeitnehmer erleichtern. Durch einen staatlich geförderten Aufstockungsbetrag soll die eigene finanzielle Lebensgrundlage der betroffenen Arbeitnehmern erhalten und finanzielle Sicherheit gewährleistet werden. Während der Familienpflegezeit bleibt auch der Sozialversicherungsschutz und insbesondere der Rentenversicherungsanspruch des Arbeitnehmers unvermindert erhalten. Darüber hinaus unterliegen die betroffenen Arbeitnehmer einem besonderen Kündigungsschutz.
Unter den Begriff des Familienangehörigen fallen
Im Rahmen des Familienpflegezeitgesetzes haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, im Einvernehmen mit ihrem Arbeitgeber, ihre Arbeitszeit für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren. Das Bruttogehalt wird zunächst entsprechend der reduzierten Arbeitsstunden linear gekürzt. Durch einen staatlich geförderten Aufstockungsbetrag wird das reduzierte Gehalt des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber um 50 % erhöht.
Die Familienpflegezeit bietet grundsätzlich folgende Vorteile:
Der Arbeitgeber tritt mit dem staatlich geförderten Aufstockungsbetrag während der Familienpflegezeit in Vorleistung. Der Arbeitnehmer muss den Gehaltsvorschuss nach Beendigung der Familienpflegezeit wieder abarbeiten. In diesem Zusammenhang muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in der Nachpflegephase wieder in vollem Umfang erbringen. Der Arbeitnehmer arbeitet wieder in Vollzeit bei unverändert reduziertem Gehalt und gleicht auf diese Weise das Arbeitszeit- und Gehaltskonto wieder aus, bis der Gehaltsvorschuss (Aufstockungsbetrag) kompensiert ist.
Damit der Arbeitgeber wirtschaftlich nicht mit der Vorfinanzierung des Gehaltsvorschusses belastet wird, kann er von der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ein zinsloses Refinanzierungsdarlehen erhalten. Damit birgt die Familienpflegezeit für den Arbeitgeber keine finanziellen Risiken. Den Antrag auf das zinslose Darlehen kann der Arbeitgeber beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA), 50964 Köln stellen.
Bei der Familienpflegezeit handelt es sich nicht um einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber der Durchführung der Familienpflegezeit zustimmen muss. Er kann die Durchführung auch ablehnen, wenn triftige betriebliche Gründe vorliegen. Ähnlich wie bei der Altersteilzeit müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine entsprechende einvernehmliche Vereinbarung auf freiwilliger Basis treffen. Während der Familienpflegezeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass dem Arbeitnehmerwährend der Dauer der Familienpflegezeit grundsätzlich nicht gekündigt werden kann. Eine Kündigung ist nur in besonderen Ausnahmefällen möglich.
Weil der Arbeitgeber während der Familienpflegezeit in finanzielle Vorleistung tritt und ein entsprechendes Ausfallrisiko des Rückzahlungsanspruches besteht, z.B. wegen Berufsunfähigkeit oder Tod des Arbeitnehmers, können sich Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer gegen dieses Risiko durch den Abschluss einer Familienpflegezeitversicherung absichern. In diesem Zusammenhang soll auch eine mögliche Privatverschuldung bzw. Überschuldung der betroffenen Arbeitnehmer vermieden werden. Die Familienpflegezeitversicherung dient der Absicherung der Rückführungsverpflichtungen des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber. Hierbei sind die Risiken Tod und Berufsunfähigkeit des Arbeitnehmers versichert.
Bei der Familienpflegezeitversicherung gibt es drei Durchführungswege:
Durch das Familienpflegezeitgesetz ist sichergestellt, dass der Arbeitnehmer durch die Pflege von Familienangehörigen keine Rentenansprüche verliert. Vielmehr hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, doppelte Rentenansprüche zu erwerben. Während der Familienpflegezeit und während der Nachpflegephase entrichtet der Arbeitgeber die Rentenversicherungsbeiträge auf Basis des reduzierten Arbeitsentgeltes. Die Pflegekasse der Rentenversicherung übernimmt während der Familienpflegezeit für die geleistete Pflege des Familienangehörigen Rentenversicherungsbeiträge, wenn der Pflegeaufwand mindestens 14 Stunden und die Erwerbstätigkeit höchstens 30 Stunden pro Woche beträgt. Die Rentenversicherungsansprüche steigen mit der Höhe der Pflegestufe der zu pflegenden Person.
Der Arbeitnehmer ist dazu verpflichtet, in der Nachpflegezeit das (negative) Arbeitszeit- und Gehaltskonto wieder auszugleichen. Wenn der Arbeitnehmer den Gehaltsvorschuss trotz bestehender Verpflichtung nicht durch seine Arbeitsleistung bzw. in finanzieller Form ausgleicht, kann der Arbeitgeber beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) einen Antrag auf Erlass der Rückzahlungsforderungen aus dem Darlehen stellen. Dadurch wird vermieden, dass der Arbeitgeber wirtschaftlich belastet wird, wenn der Arbeitnehmer seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Wenn das Beschäftigungsverhältnis in der Nachpflegephase vom Arbeitgeber beendet wird, bevor das Arbeitszeit- und Gehaltskonto wieder ausgeglichen ist, ist der Arbeitnehmer nicht zum Ausgleich des Arbeitszeit- und Gehaltskontos verpflichtet. Voraussetzung ist, dass die Gründe für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht im Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Der Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers erlischt in diesem Fall, weil mangels entsprechender Gegenforderungen keine Aufrechnung möglich ist.
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer und seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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