15.11.2011 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: PricewaterhouseCoopers AG.
Der International Accounting Standards Board (IASB) hat seinen ersten Vorschlag für einen Rechnungslegungsstandard zur Bilanzierung von Umsatzerlösen grundlegend überarbeitet. Der heute veröffentlichte sogenannte Re-Exposure Draft regelt neu, wann und in welcher Höhe zukünftig Umsatzerlöse zu erfassen sind. Darüber hinaus wird sich die Darstellung der Umsatzerlöse in der Gewinn- und Verlustrechnung verändern.
"Die vom IASB vorgeschlagenen Neuregelungen zur Umsatzrealisierung können zu wesentlichen Änderungen der ausgewiesenen Umsätze führen. Damit ist eine der am meisten beachteten Kennziffern für die wirtschaftliche Performance der Unternehmen betroffen“, analysiert Guido Fladt, Partner und Leiter der Grundsatzabteilung für Rechnungslegungsfragen von PwC.
Nach den Regelungen des Re-Exposure Draft sind grundsätzlich alle in einem Vertrag vereinbarten Leistungskomponenten zu identifizieren und die Umsätze für jede einzelne Leistungskomponente separat zu erfassen. Einzelne Leistungskomponenten können beispielsweise vorliegen, wenn neben der Lieferung einer Maschine auch deren Wartung vereinbart wurde oder für eine neu programmierte Software regelmäßige Updates zur Verfügung gestellt werden sollen.
Die Umsätze der jeweiligen Leistungskomponente sollen dann erfasst werden, wenn die Leistungsverpflichtung durch den Verkäufer erfüllt wird. Wann dies der Fall ist, wird anhand neu entwickelter Kriterien durch den IASB objektiviert. Danach kann die Erfassung der Umsätze zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen, beispielsweise wenn eine bestellte Maschine geliefert wurde und damit die Kontrolle über diese Maschine an den Kunden übergegangen ist. Die Umsatzerfassung kann sich aber auch über einen bestimmten Zeitraum erstrecken, über den Leistungen, wie regelmäßige Wartungsarbeiten an einer Maschine, kontinuierlich erbracht werden.
Die bisherigen Spezialregelungen zur kontinuierlichen Umsatzrealisierung bei langfristiger Auftragsfertigung, die derzeit unter anderem zur Umsatzrealisierung bei der Herstellung von Gebäuden, Kraftwerken oder Schiffen herangezogen werden, entfallen künftig. Da derartige Aufträge eine Vielzahl von Leistungskomponenten wie Konstruktions- und Bauleistungen beinhalten, ist künftig zu beurteilen, ob jede Leistungskomponente einzeln zu bilanzieren ist. Sollten die einzelnen Leistungskomponenten nicht sinnvoll voneinander trennbar sein - etwa weil sie zu einer Gesamtleistung integriert worden sind, die der Kunde in Auftrag gegeben hat - kann eine Ausnahme von dem Grundsatz der separaten Bilanzierung einzelner Leistungskomponenten vorliegen. Ob eine Realisierung des Umsatzes für diese Gesamtleistung über den Zeitraum der Fertigung in Betracht kommt, richtet sich dann nach den vom IASB neu entwickelten Kriterien zur Umsatzrealisierung bei kontinuierlicher Leistungserbringung.
"Der IASB hat viele Anregungen aus der Kommentierungsphase aufgegriffen und umgesetzt. Dadurch ist es gelungen, viele mit den bisherigen Vorschlägen verbundene Unklarheiten und Unsicherheiten zu beseitigen und die neuen Regelungen insgesamt deutlich praxisnäher zu gestalten“, sagt Fladt.
"Unternehmen, die Umsätze aus langfristigen Fertigungsaufträgen erzielen, sollten jetzt ihre bisherigen Vertragsgestaltungen analysieren, ob eine kontinuierliche Umsatzerfassung weiterhin möglich ist. Denn es kann zu extremen Umsatzschwankungen kommen, wenn die Umsätze erst in einem Schwung bei Beendigung der Fertigung gezeigt werden dürfen“, ergänzt Christoph Scharr, der im National Office von PwC für das Thema Umsatzrealisierung verantwortlich ist.
Die Höhe der Umsatzerlöse für die einzelnen Leistungskomponenten ergibt sich aus dem im Vertrag festgelegten Kaufpreis. Er wird anhand der Einzelveräußerungspreise auf die einzelnen Leistungskomponenten aufgeteilt - unabhängig davon, welcher Kaufpreis vertraglich für eine bestimmte Leistungskomponente vereinbart oder welcher Betrag in Rechnung gestellt wurde. Bisher war es insbesondere in der Telekommunikationsbranche üblich, den Umsatz für einzelne Leistungskomponenten maximal in der Höhe zu erfassen, in der auch tatsächlich eine Kaufpreiszahlung vereinbart wurde, beispielsweise für Handygeräte, die in Verbindung mit einem Servicevertrag zu einem Preis unterhalb ihres Ladenverkaufspreises abgegeben werden.
"Die vorgesehenen Regelungen zur Umsatzrealisierung können dazu führen, dass künftig der Rechnungsbetrag, der von dem Kunden bezahlt wird, von dem Betrag abweicht, der als Umsatz ausgewiesen wird“, gibt Fladt zu bedenken. "Dies kann erhebliche neue Anforderungen an die Rechnungslegungssysteme eines Unternehmens stellen.“
Nach den Vorschlägen des IASB sollen Umsätze künftig unabhängig vom Risiko möglicher Zahlungsausfälle erfasst werden. Allerdings ist vorgesehen, das Ausfallrisiko bereits bei Erbringung der Leistung zu bewerten und als Korrekturposten von den Brutto-Umsatzerlösen abzuziehen. Ändern sich Einschätzungen der zukünftigen Zahlungseingänge, wird dies ebenfalls in dem Korrekturposten berücksichtigt. Damit sind künftig in der Gewinn- und Verlustrechnung zwei Umsatzgrößen erkennbar: die (Brutto-)Umsatzerlöse, die das Volumen der verkauften Waren- und Dienstleistungen wiederspiegeln, und die (Netto-)Umsatzerlöse, für die auch ein korrespondierender Zahlungseingang erwartet wird.
Bislang wurden Umsätze nur erfasst, wenn das Ausfallrisiko gering war. Sind entgegen der ersten Einschätzungen Zahlungen zu einem späteren Zeitpunkt ausgefallen, etwa weil ein Kunde insolvent geworden ist, wurde dies aufwandswirksam erfasst; die Höhe der Umsatzerlöse hat dies nicht beeinflusst.
"Die Höhe der Umsätze ist eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für Investoren und andere Stakeholder. Darüber hinaus sind wichtige Vereinbarungen wie Kredit- oder Bonusvereinbarungen häufig an die Höhe der Umsätze gekoppelt. Sollten zukünftig unterschiedliche Umsatzgrößen aus dem Abschluss hervorgehen, wird die Frage zu beantworten sein, welches denn nun die ‚richtigen‘ Umsatzerlöse sind“, gibt Fladt zu Bedenken.
Die erneute Herausgabe eines Exposure Drafts war notwendig geworden, nachdem der IASB seine im Juni 2010 vorgestellten Neuregelungen zur Umsatzrealisierung aufgrund von deutlicher Kritik durch Unternehmen und Wirtschaftsprüfer erheblich angepasst hatte. Durch den Re-Exposure Draft besteht erneut die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von 120 Tagen Anmerkungen zu den geplanten Neuregelungen einzubringen. Die Finalisierung des Standards wird Ende 2012, die erstmalige verpflichtende Anwendung der Neuregelungen nicht vor 2015 erwartet. Das Ziel des vorgestellten Standards ist es, die Regelungen zur Umsatzrealisierung der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze mit denen der US-amerikanischen Grundsätze zu harmonisieren.
Quelle: PricewaterhouseCoopers AG
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