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Nettolohnoptimierung: Neues BMF-Schreiben zur Gewährung von Zusatzleistungen und Zulässigkeit von Gehaltsumwandlungen

21.01.2022  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Bereits mit dem Urteil vom 01.08.19 (VI R 32/18) hat sich der Bundesfinanzhof zu der streitigen Rechtsfrage positioniert, wie das vom Gesetzgeber geforderte Zusätzlichkeitserfordernis bei bestimmten steuerlich begünstigten Lohn- und Gehaltsbestandteilen auszulegen ist.

In seiner eher eigenwilligen rechtlichen Neuinterpretation wendet sich der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 01.08.19, VI R 32/18 von seiner bisherigen Rechtsprechung ab gab damit zunächst grünes Licht für die steuersparende Nettolohnoptimierung, auch wenn das Zusätzlichkeitserfordernis im weitesten Sinne nicht erfüllt ist.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist es bei isolierter Betrachtungsweise nicht zu beanstanden, wenn steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn in steuerfreie bzw. pauschalierungsfähige Lohn- und Gehaltsbestandteile umgewandelt wird, auch wenn nach dem unmittelbaren Wortlaut des Einkommensteuergesetzes sachliche Vorrausetzung ist, dass diese Lohn- und Gehaltsbestandteile „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt werden.

BFH-Urteil vom 01.08.19, VI R 32/18
BMF-Schreiben vom 05.02.20
§ 8 Absatz 4 EStG
BMF-Schreiben vom 05.01.22

Urteil Bundessozialgericht vom 23.02.21, B 12 R 21/18 R

Während die Finanzverwaltung in derartigen Fällen die Auffassung vertritt, dass das Zusätzlichkeitserfordernis nicht erfüllt ist und von einer steuerschädlichen Gehaltsumwandlung ausgeht, spricht der Bundesfinanzhof in seinem Urteil von einem sogenannten „steuerlich zulässigen Lohnformenwechsel“.

BMF-Schreiben vom 05.02.20

Das Bundesfinanzministerium reagierte auf die neue höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem BMF-Schreiben vom 05.02.20. Danach gelten Leistungen des Arbeitgebers nur dann als „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht, wenn:

  1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  3. die verwendungs-oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Diese Kriterien wurden inzwischen gesetzlich fixiert und haben Einzug in das Einkommensteuergesetz gefunden, siehe § 8 Absatz 4 EStG in der Fassung ab 01.01.20.

Neues BMF-Schreiben vom 05.01.22

Besteuerungszeiträume bis 31.12.19

Mit BMF-Schreiben vom 05.01.22 stellt das Bundesfinanzministerium entgegen der bisherigen Regelung klar, dass für alte Zeiträume vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung des § 8 Absatz 4 EStG zum 01.01.20, also bis einschließlich 2019, in allen noch offenen, nicht bestandskräftigen Fällen das BFH-Urteil vom 01.08.19, VI R 32/18 anzuwenden ist.

In entsprechenden Fällen liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein steuerlich zulässiger Lohnformenwechsel vor, wenn individuell zu versteuernder Arbeitslohn zunächst rechtsverbindlich vermindert und in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang durch steuerlich privilegierte, also steuerfreie bzw. pauschalierungsfähige Lohnbestandteile rechtsverbindlich wieder erhöht wird.

Tarifgebundener Arbeitslohn

Bitte beachten Sie, dass diese Regelung ausdrücklich nicht für tarifgebundenen Arbeitslohn gilt.

Tarifgebundener verwendungsfreier Arbeitslohn kann nicht zugunsten bestimmter anderer steuerbegünstigter verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen herabgesetzt oder zugunsten dieser umgewandelt werden, da tariflicher Arbeitslohn nach Wegfall der steuerbegünstigten Leistungen wiederauflebt.

Besteuerungszeiträume ab 01.01.20

Für Veranlagungszeiträume ab 2020 sind die Regelungen des § 8 Absatz 4 EStG anzuwenden. Diese Regelung stellt klar, unter welchen Kriterien Leistungen des Arbeitgebers als „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gelten, siehe oben.

Urteil Bundessozialgericht vom 23.02.21, B 12 R 21/18 R

Das Bundessozialgericht vertritt im Gegensatz zum Bundesfinanzhof eine weniger großzügige Rechtsauffassung.

Mit dem Urteil vom 23.02.21, 12 R 21/18 R, hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass „neue“ Gehaltsbestandteile, die anstelle des bisherigen Bruttoarbeitslohns erzielt werden, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen und entsprechend der Verbeitragung zur Sozialversicherung zu unterwerfen sind. Damit bestätigte das Bundessozialgericht die vorinstanzlichen Urteile des Sozialgerichtes München vom 03.06.14, S 56 R 1478/12 und des Landessozialgerichtes München vom 14.09.17, L 14 R 586/14, wonach ein arbeitsvertraglich wirksam vereinbarter Lohnverzicht bei im Gegenzug gewährten lohnsteuerfreien oder pauschal besteuerten Leistungen keine Lohnverwendungsabrede darstellt, sondern eine beitragsrechtlich zu beachtende Entgeltumwandlung darstellt.

Der Autor:

Volker Hartmann

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungs­erfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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