14.11.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: GfK Gruppe.
Familie und Beruf zu vereinbaren schaffen viele der Berufstätigen in Deutschland – aber sie zahlen häufig einen hohen Preis dafür. Viele klagen über eine hohe Arbeitsbelastung, die Mehrheit leidet regelmäßig unter Gesundheitsbeschwerden und so mancher verzichtet auf den nächsten Karriereschritt. Doch es gibt auch Menschen, denen es gelingt, Familie und Job in Balance zu halten.
Das Erfolgsrezept dieser sogenannten Vereinbarer: Teamwork und das nötige Einkommen. Das ergibt die repräsentative Studie "Leben & Arbeiten in Deutschland" des GfK Vereins und der Financial Times Deutschland. Sie ist die bisher umfassendste wissenschaftliche Untersuchung zur Work-Life-Balance hierzulande.
Zwar sind zwei Drittel der Berufstätigen der Ansicht, Arbeit und Familie miteinander vereinbaren zu können. Dennoch klagen 57 Prozent der Befragten über eine berufliche Belastung, wovon zwölf Prozent sogar mehr als vier belastende Aspekte nennen. Jeweils 43 Prozent empfinden viel Stress und starken Zeitdruck bei der Arbeit.
Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen sind weit verbreitet: Insgesamt 58 Prozent leiden unter Beschwerden – dazu zählen am häufigsten Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Rückenschmerzen. Rund ein Drittel der Befragten sagt, dass ihr Hobby zu kurz kommt und 28 Prozent geben an, zu wenig Zeit für Freunde zu haben.
Eine Bremse beim beruflichen Fortkommen ist altbekannt – das Geschlecht: Eine Mehrheit von 60 Prozent der arbeitenden Bevölkerung glaubt nicht, dass Frauen mit Kindern in Deutschland Karriere machen können. Für einen Mann mit Kindern sehen hingegen nur 23 Prozent der Beschäftigten eingeschränkte Karrierechancen.
Anhand ihrer Einstellungen zu Arbeit, Familie und Freizeit lassen sich die Berufstätigen in Deutschland in vier etwa gleich große Gruppen einteilen:
Die Berufsorientierten (23 Prozent)
Die Familienorientierten (23 Prozent)
Die Vereinbarer (30 Prozent)
Die Unabhängigen (24 Prozent)
Die größte Gruppe der deutschen Beschäftigten, die Vereinbarer, zeigt, dass sich der Wunsch nach beruflichem Weiterkommen und Familienleben erfüllen kann. Von ihnen sagen mit 76 Prozent überdurchschnittlich viele, dass sich ihre Arbeit gut mit der Familie verträgt. Die Arbeit selbst verursacht ihnen weniger Stress als dem Durchschnitt der Befragten. Außerdem nehmen sie weniger davon mit nach Hause.
"Die Vereinbarer machen Hoffnung und widerlegen, dass Kinder Karrierekiller sein müssen", sagt Prof. Dr. Raimund Wildner, Geschäftsführer des GfK Vereins. "Sie zeigen jedoch auch, dass sich ein Wertewandel vollzogen hat, den Unternehmen und Politik ernst nehmen müssen", so Wildner. Abzulesen ist dieser unter anderem an der Ablehnung einer Karriere um jeden Preis: 30 Prozent der Vereinbarer würden darauf verzichten, wenn sie dadurch weniger Zeit für die Familie hätten.
Übertroffen werden sie darin mit 44 Prozent nur von den Familienorientierten. Von den Unabhängigen und Berufsorientierten würden mit 19 bzw. 17 Prozent deutlich weniger dem beruflichen Erfolg entsagen. Interessant ist jedoch, dass nur acht Prozent der Vereinbarer für ihre Kinder den Beruf ganz aufgeben würden – bei den Familienorientierten sind dazu immerhin 50 Prozent bereit.
Warum es den Vereinbarern besser als den Familienorientierten gelingt, die Balance zu halten, erklären mehrere Faktoren: Sie sind höher gebildet, haben die besseren Jobs und verdienen daher mehr. "Natürlich lässt sich mit einem höheren Einkommen die Kinderbetreuung leichter organisieren. Entscheidend ist jedoch auch, dass beide Partner an einem Strang ziehen und sich die Verantwortung teilen. Dadurch werden sie krisenresistenter und insgesamt zufriedener", ist Wildner überzeugt.
Die starke Konzentration auf den Beruf führt offenbar nicht zu größerer Zufriedenheit. So geben nur 41 Prozent der Berufsorientierten an, mit ihrer beruflichen Tätigkeit zufrieden zu sein – einen schlechteren Wert erreichen nur die Familienorientierten mit 40 Prozent. Dafür geben von ihnen nur 22 Prozent an, dass ihre Familie zu kurz kommt, wohingegen die Berufsorientierten dies zu 41 Prozent sagen. Die Karrierefixierten empfinden mit 72 Prozent extrem oft eine berufliche Belastung, für die Karriere würden sie zu 67 Prozent auf Hobbys ganz verzichten, 53 Prozent die Freunde vernachlässigen und rund 40 Prozent würden auf (weitere) Kinder verzichten.
Auffällig ist außerdem, dass Kinder und Karriere offenbar einen ähnlichen Tribut fordern: Familien- und Berufsorientierte klagen gleich oft über Gesundheitsbeschwerden, nämlich zu je 63 Prozent. Damit liegen sie deutlich über den Werten der anderen Gruppen.
Von den Möglichkeiten, Leben und Arbeiten besser aufeinander abzustimmen, sind Arbeitszeitkonten, Gleitzeit und Teilzeitarbeit am weitesten verbreitet. Diese drei Angebote würden die Berufstätigen in Zukunft gern mehr nutzen. Großen Verbesserungsbedarf sehen je 22 Prozent der Befragten bei Serviceangeboten wie der Vermittlung von Betreuungsplätzen für Kinder oder der gezielten Förderung von Mitarbeiterinnen.
Hinweis zur Studie
Die repräsentative Grundlagenstudie "Leben & Arbeiten in Deutschland" ist die bisher umfassendste Untersuchung zu dem Thema. Befragt wurden dafür im April und Mai dieses Jahres 2.655 Menschen. Diese sind repräsentativ für alle Berufstätige im Alter von 20 bis 59 Jahren, die regelmäßig mindestens 20 Stunden in der Woche arbeiten.
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