18.01.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: DIW Berlin.
Frauen sind in den Spitzengremien großer Unternehmen in Deutschland nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Allerdings hat ihr Anteil in Vorständen und Aufsichtsräten der 200 umsatzstärksten Unternehmen im vergangenen Jahr etwas stärker zugenommen als im Jahr zuvor. Das geht aus dem aktuellen Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. Demzufolge waren Frauen in den Vorständen der Top-200-Unternehmen Ende des Jahres 2016 zu gut acht Prozent und in den Aufsichtsräten zu knapp 23 Prozent vertreten – das entspricht im Vorjahresvergleich einem Plus von rund zwei beziehungsweise drei Prozentpunkten. Etwas stärker voran ging es in den Aufsichtsräten jener Unternehmen, die unter die seit Januar 2016 verbindliche Geschlechterquote fallen: Sie konnten den Frauenanteil sogar um gut vier Prozentpunkte auf mehr als 27 Prozent steigern. Vorreiter bleiben die im DAX-30 notierten Unternehmen, die die 30-Prozent-Marke im Durchschnitt bereits überschritten haben. „Die Geschlechterquote für Aufsichtsräte zeigt eine erste Wirkung“, sagt Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am DIW Berlin. „Dass Frauen und Männer gleich stark in Spitzengremien vertreten sind, ist aber nach wie vor in weiter Ferne. Vor allem die Vorstände bleiben eine Männerdomäne“, so Holst.
Schreibt man die Entwicklung des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen der vergangenen Jahre linear fort, würde es in der Gruppe der Top-200-Unternehmen noch mehr als 60 Jahre dauern, bis in den Vorständen eine geschlechterparitätische Besetzung erreicht ist. In den Aufsichtsräten wäre das in 18 Jahren der Fall. „Das ist eine gefühlte Ewigkeit und dürfte trotzdem noch viel zu optimistisch sein“, erklärt Katharina Wrohlich, die die Studie gemeinsam mit Elke Holst verfasst hat.
Denn die DIW-Berechnungen zeigen, dass Unternehmen, die die 30-Prozent-Schwelle überschreiten, den Frauenanteil in ihren Aufsichtsräten danach kaum oder gar nicht weiter erhöhen. Auch in den Vorständen gab es einen negativen Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil im Vorjahr und dessen Veränderung im Jahr 2016: Kein einziges der 200 größten Unternehmen, das im Jahr 2015 einen Frauenanteil im Vorstand von einem Viertel oder mehr hatte, steigerte diesen Anteil weiter.
Deutlich abgeschwächt hat sich die Dynamik in den Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist. Sie drohen ihre Vorbildfunktion einzubüßen. Zwar können sie mit gut 15 Prozent nach wie vor den höchsten Frauenanteil auf der Vorstandsebene verzeichnen, allerdings gab es im Vergleich zum Vorjahr praktisch keinen Anstieg. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten liegt mit gut 29 Prozent mittlerweile sogar hinter den DAX-30-Unternehmen zurück. Die letztgenannte Unternehmensgruppe ist zudem die einzige, in der die 30-Prozent-Marke von mehr als der Hälfte der Unternehmen (60 Prozent) überschritten wurde.
Auch in den Spitzengremien des Finanzsektors, also bei Banken und Versicherungen, sind Frauen weiterhin in der Minderheit, obwohl sie die Mehrheit der Beschäftigten stellen. In den Aufsichts- und Verwaltungsräten der – gemessen an der Bilanzsumme – 100 größten Banken des Landes lag der Frauenanteil im Jahr 2016 bei gut 21 Prozent. Das ist nicht mehr als im vorangegangenen Jahr. Bei den – gemessen an den Beitragseinnahmen – 59 größten Versicherungen gab es immerhin einen Anstieg um drei Prozentpunkte auf etwas mehr als 22 Prozent. Damit konnten die Versicherungen die Banken erstmals überholen. In den Vorständen blieb der Frauenanteil mit gut acht Prozent bei den Banken und fast zehn Prozent bei den Versicherungen sehr niedrig und konnte in keiner der untersuchten Unternehmensgruppen die Zehn-Prozent-Marke erreichen.
Um künftig mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen, empfehlen Holst und Wrohlich ergänzend zur seit 2016 verbindlichen Geschlechterquote eine ganze Reihe an Maßnahmen. So könnten finanzielle Anreize dafür sorgen, dass sich Väter stärker an der Kindererziehung oder Pflege Angehöriger beteiligen. Dies könnte durch eine Erhöhung der sogenannten Partnermonate beim Elterngeld oder durch neue Leistungen im Rahmen einer Familienarbeitszeit erreicht werden. „Solche Maßnahmen würden erstens gegen vorherrschende Geschlechterstereotype wirken und zweitens Frauen während der Vorbereitung auf den Sprung in Spitzenpositionen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern“, so Wrohlich.
Unternehmen wären zudem gut beraten, ihren Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zuzugestehen und eine zeitweise Arbeitszeitreduktion nicht als Zeichen für geringe Karriereambitionen zu deuten. „Eine moderne Unternehmenskultur verschafft im steigenden Wettbewerb um hochqualifizierte Talente wichtige Vorteile“, erklärt Holst. „Ein Nicht-Ausschöpfen des Potentials der Beschäftigten, etwa aufgrund von Vorurteilen und Geschlechterstereotypen, führt zu höheren Kosten und einer geringeren Produktivität und schwächt letztlich die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Maßnahmen, die den Frauenanteil erhöhen, sollten somit im ureigenen Interesse der Unternehmen sein.“
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