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Geschäftsveräußerung im Ganzen (Kommentar von Udo Cremer)

03.04.2012  — Udo Cremer.  Quelle: FibuGate.

Steuerrechtsexperte Udo Cremer erläutert die Anforderungen an die Geschäftsveräußerung anhand eines Finanzgerichtsurteils.

Streitig ist, ob aufgrund der Lieferung eines Grundstücks durch den Beigeladenen an den Kläger eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes 1993 in der Fassung durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993 --UStG-- vorliegt, so dass der Kläger zu einer Berichtigung des vom Beigeladenen in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 6a UStG verpflichtet ist.

Der Beigeladene hatte das Grundstück mit Kaufvertrag vom 22.6.1990 erworben und mit Umbau und Sanierung der hierauf gelegenen Gebäude begonnen. Der Beigeladene verpachtete einen sich auf dem Grundstück befindlichen Gebäudekomplex mit Vertrag vom 24.3.1994 an die D-GmbH zur Nutzung als Alten- und Altenpflegeheim. Nach § 3 des Vertrages begann die Pacht jeweils mit Fertigstellung der einzelnen Bauabschnitte. Pachtzahlungen erfolgten zunächst nicht. Bereits vor dem Erwerb des Grundstücks vom Beigeladenen verpachtete der Kläger mit Vertrag vom 10.10.1994 das Altenpflegeheim und das Hotel, wie bereits zuvor der Beigeladene, an die D-GmbH. Der monatliche Pachtzins für das Altenpflegeheim betrug zunächst umsatzsteuerfrei 109.375 DM und für das Hotel 15.625 DM zzgl. Umsatzsteuer und sollte sich in den Folgejahren bis 1998 auf 36.500 DM (Hotel) und 255.200 DM (Altenpflegeheim) monatlich erhöhen. Der Höhe nach entsprachen die für 1998 vereinbarten Pachtzahlungen den zuvor zwischen dem Beigeladenen und der D-GmbH bestehenden Vereinbarungen. Darüber hinaus vermietete der Kläger mit Vertrag vom 12.10.1994 Einrichtung und Zubehör des Altenpflegeheims und des Hotels an die D-GmbH mit Wirkung ab 1.1.1995. Die Miete sollte umsatzsteuerfrei 67.000 DM (Altenpflegeheim) und 33.000 DM zzgl. Umsatzsteuer (Hotel) betragen. Der Beigeladene verkaufte das Grundstück an den Kläger mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 14.10.1994. Der Kaufpreis betrug insgesamt 35.242.807,50 DM und entfiel in Höhe von 27.308.000 DM auf den mit einem Altenpflegeheim bebauten Grundstücksteil einschließlich dazugehörendem Inventar und in Höhe von 7.934.807,50 DM auf den als Hotel zu nutzenden Grundstücksteil einschließlich Inventar. Die Veräußerung des mit dem Altenpflegeheim bebauten Grundstücksteils sollte umsatzsteuerfrei erfolgen, während für den auf das Hotelgrundstück entfallenden Kaufpreisanteil von 7.934.807,50 DM im Kaufvertrag Umsatzsteuer in Höhe von 1.042.807,50 DM ausgewiesen wurde.

Mit der Zahlung dieses Teilbetrages sollten das Grundstück sowie Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr auf den Kläger übergehen. Ein Restkaufpreis von 6.242.807,50 DM sollte auf die vom Beigeladenen noch durchzuführenden Restbauarbeiten und das noch zu liefernde Inventar entfallen. Der Kläger war insoweit nur zur Zahlung entsprechend dem Baufortschritt verpflichtet. Nach § 4 Abs. 3 des Kaufvertrages war dem "Verkäufer … bekannt, dass der Käufer bezüglich des Vertragsgrundstücks einen Pachtvertrag mit der D-GmbH … abgeschlossen hat, der mit Abschluss des vorliegenden Kaufvertrages wirksam wird. Der Verkäufer versichert, dass anderweitige Miet-, Pacht- und Nutzungsverhältnisse der Durchführung dieses Pachtvertrages nicht entgegenstehen". Der zwischen dem Beigeladenen und der D-GmbH abgeschlossene Pachtvertrag endete mit der "Veräußerung" des Pachtobjektes an den Kläger. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 14.10.1994 wurde bereits ein Teil des Gebäudekomplexes als Alten- und Altenpflegeheim genutzt, musste jedoch noch weiter um- und ausgebaut werden. Ein zweiter Gebäudekomplex wurde im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Beigeladenen noch für den Betrieb als Hotel saniert und umgebaut. Nach § 2 Abs. 4 des Kaufvertrages verpflichtete sich der Beigeladene gegenüber dem Kläger zur schlüsselfertigen Erstellung der beiden Bauwerke "Hotel" und "Altenpflegeheim" und zur Lieferung des kompletten Inventars. Die Fertigstellung der beiden Bauwerke sollte bis zum 23.12.1994 erfolgen. Die Fertigstellung des Gesamtobjektes verzögerte sich erheblich. Eine Endabnahme, bei der noch erhebliche Mängel festgestellt wurden, erfolgte erst am 11.3.1997.

Die eigenen Aufwendungen des Klägers für die endgültige Fertigstellung erhöhten sich um 5.032.283,98 DM auf insgesamt 11.275.091,48 DM. Im Hinblick auf die verspätete Fertigstellung der Baumaßnahmen vereinbarten Kläger und D-GmbH in der Folgezeit für die Jahre 1995 bis 1997 verminderte Pachtzahlungen. Der Beigeladene nahm für Umbau und Sanierung den Vorsteuerabzug in Anspruch. Dem lag die Absicht zugrunde, in dem Umfang auf die Steuerfreiheit der Verpachtungsumsätze zu verzichten, in dem der Heimbetreiber die vermieteten Räume im Rahmen von Pflegeheimverträgen steuerpflichtig überlassen konnte. Hinsichtlich der zur Nutzung als Alten- und Altenpfle-geheim vorgesehenen Gebäudeteile belief sich der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug auf 1.657.852,23 DM. Das FA ging im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Grundstücksübertragung zu einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG geführt habe, so dass den Kläger eine Berichtigungspflicht nach § 15a Abs. 6a UStG treffe. Da der Kläger das Alten- und Altenpflegeheim in den Streitjahren steuerfrei an die D-GmbH verpachtet habe, sei der von dem Beigeladenen geltend gemachte Vorsteuerabzug beim Kläger insoweit nach § 15a UStG zu berichtigen, als die erstmalige Nutzung noch beim Beigeladenen erfolgt sei. Das FA erließ am 25.9.1998 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1995 und 1996. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das FG bestätigte die Auffassung des FA, dass eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vorliege, so dass den Kläger die Berichtigungspflicht nach § 15a Abs. 6a UStG treffe. Der Beigeladene habe dem Kläger einen in der Gliederung seines Unternehmens gesondert geführten, hinreichend verfestigten und bereits in Gang gesetzten Verpachtungsbetrieb übertragen, den der Kläger fortgeführt habe, da die Gebäude auf der Grundlage des zwischen dem Beigeladenen und der D-GmbH abgeschlossenen Pachtvertrages vom 24.3.1994 bereits teilweise durch die Pächterin als Altenpflegeheim genutzt worden seien. Ob und in welchem Umfang die D-GmbH das hierfür geschuldete Pachtentgelt an den Beigeladenen entrichtet habe, sei nicht maßgeblich. Der Beigeladene habe zunächst auch die Absicht gehabt, das Objekt nachhaltig zu verpachten. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verpachtung nur deshalb erfolgt sei, um das Objekt zu besseren Bedingungen veräußern zu können. Der Annahme einer Geschäftsveräußerung stehe nicht entgegen, dass bei Abschluss des Kaufvertrages noch umfangreiche Restbauarbeiten an dem Kaufobjekt durchzuführen gewesen seien, sich die endgültige Fertigstellung noch erheblich verzögert habe und hierfür noch erhebliche finanzielle Aufwendungen von insgesamt 11.275.091,48 DM beim Kläger entstanden seien.

Ein hinreichend verfestigter und in Gang gesetzter Verpachtungsbetrieb bestehe auch, wenn sich die tatsächlich erfolgte Gebrauchsüberlassung lediglich auf Teilflächen des veräußerten Gebäudes beziehe und sich die übrigen Teilflächen noch im Stadium der "Renovierung" befänden. Auch dann ermögliche das übertragene Grundstück dem Erwerber die Fortführung der bereits vom Veräußerer begonnenen Verpachtungstätigkeit. Entscheidend sei, dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermögliche. Mit Beschluss vom 27.1.2009 hat das FG den Verkäufer des Grundstücks zum Verfahren beigeladen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1599 veröffentlicht.

Die Revision des Klägers ist begründet (BFH-Urteil vom 28.10.2010, V R 22/09). Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Entgegen dem Urteil des FG kommt das Nichtvorliegen einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG in Betracht, so dass der Kläger dann nicht zu einer Berichtigung des vom Beigeladenen in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG verpflichtet wäre.

Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG setzt die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils voraus, der als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen muss.

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Im Streitfall ist das FG jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verpachtung durch den Beigeladenen nur deshalb erfolgte, um das Objekt zu besseren Bedingungen veräußern zu können. Das FG hat insoweit nicht hinreichend berücksichtigt, dass Immobilientransaktionen von der Größe des Streitfalls in aller Regel erst im Anschluss an längere Vertragsverhandlungen abgeschlossen werden. Im Hinblick hierauf ist es entgegen dem FG-Urteil nahe liegend, dass der Beigeladene im März 1994 den Pachtvertrag mit der D-GmbH abgeschlossen hat, um das Objekt dann mehrere Monate später durch Vertrag vom 10.10.1994 gewinnbringender verkaufen zu können. Dies kann ebenso wie die beim Vertragsschluss noch fehlende Fertigstellung gegen ein beim Beigeladenen hinreichend verfestigtes Verpachtungsunternehmen sprechen, so dass es sich umsatzsteuerrechtlich nicht um eine Geschäftsveräußerung, sondern um die Lieferung eines Einzelwirtschaftsguts handeln kann.

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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