06.03.2012 — Udo Cremer. Quelle: FibuGate.
Das klageabweisende Urteil des FG wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, einer Steuerberatungsgesellschaft, ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 10. März 2011 zugestellt. Die vom FG zugelassene Revision wurde zwar fristgerecht eingelegt, aber nicht innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils genannten Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils begründet. Nachdem der Senatsvorsitzende die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 18. Mai 2011 auf die Fristversäumnis und die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, hingewiesen hatte, beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Mai 2011 die Wiedereinsetzung. Zur Begründung führte sie aus, ihre Prozessbevollmächtigte habe im April 2011 Steuerberater A von B & C OHG (BC) beauftragt, die Revisionsbegründung zu entwerfen und den Rechtsstreit beim BFH weiterzuführen.
Ihre Prozessbevollmächtigte habe A dazu die Akten übergeben. A sei zum 30. April 2011 aus der Sozietät BC ausgeschieden und habe sich Anfang Mai 2011 mit der DE Steuerberatungsgesellschaft mbH (DE) selbständig gemacht. Wegen der Mandatsübernahme und der Aktenmitnahme sei es zu Streitigkeiten zwischen A und BC gekommen mit der Folge, dass A die Akten des vorliegenden Verfahrens erst aufgrund einer am 16. Mai 2011 erzielten Einigung ausgehändigt erhalten habe. Die Revisionsbegründung wurde von DE, die am 7. Juni 2011 von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin Prozessvollmacht erhielt, erstellt und ging am 8. Juni 2011 beim BFH ein. Mit Schreiben vom 28. Juli 2011 erläuterte DE die geltend gemachten Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (BFH-Beschluss vom 15.12.2011, II R 16/11). Die Klägerin hat die Revision nicht rechtzeitig begründet. Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der in § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO bestimmten Frist für die Begründung der Revision ist nicht zu gewähren.
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die den Antrag begründenden Tatsachen müssen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden. Nur die Glaubhaftmachung kann noch während des Verfahrens erfolgen. Innerhalb der Frist ist eine vollständige, substantiierte und in sich schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen erforderlich. Dazu muss zumindest der Kern der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vorgebracht werden. Nach Ablauf der Frist können Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben, sondern nur noch unklare und unvollständige Angaben erläutert oder ergänzt werden. Bleibt die Verschuldensfrage offen, ist das Wiedereinsetzungsbegehren abzulehnen.
Den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag vom 23. Mai 2011 lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist für die Revisionsbegründung einzuhalten. Ein Prozessbevollmächtigter ist verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Dazu ist es unerlässlich, dass ein Fristenkontrollbuch (Fristenkalender) oder eine vergleichbare Einrichtung zur Wahrung von Fristen geführt wird. In diesem Buch muss der Fristablauf für jede einzelne Sache vermerkt sein. Die Einhaltung der laufenden Fristen muss durch tägliche Einsichtnahme in den Fristenkalender gesichert werden. Die Frist darf frühestens gelöscht werden, wenn das zur Fristwahrung bestimmte Schriftstück abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist. Die Klägerin hat im Wiedereinsetzungsantrag vom 23. Mai 2011 und auch im ergänzenden Schreiben vom 28. Juli 2011 keine Angaben dazu gemacht, ob und gegebenenfalls welche Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen ihre Prozessbevollmächtigte und A getroffen hatten und ob die Frist zur Begründung der Revision in ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung eingetragen war. Bereits dies steht der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen.
Der fehlende Vortrag zu den Maßnahmen zur Fristenkontrolle kann nicht durch die Darstellung der Probleme des A bei dem Ausscheiden aus der Kanzlei BC ersetzt werden. Dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin A mit der weiteren Führung des Revisionsverfahrens beauftragt hatte, änderte grundsätzlich nichts an der ihr als Prozessbevollmächtigter obliegenden Pflicht, auf die Revisionsbegründungsfrist zu achten. Ob etwas anderes gelten würde, wenn die Prozessbevollmächtigte und A klar und eindeutig vereinbart hätten, allein A solle für die Einhaltung der Frist verantwortlich sein, kann auf sich beruhen. Dass eine solche Vereinbarung zwischen der Prozessbevollmächtigten und A vorgelegen habe, hat die Klägerin nämlich nicht vorgetragen.
A hätte zudem der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitteilen müssen, dass er aufgrund der Probleme beim Ausscheiden aus der Kanzlei BC voraussichtlich nicht in der Lage sein werde, die Revisionsbegründungsfrist zu wahren, um so der Prozessbevollmächtigten die Einhaltung der Frist zu ermöglichen. Es hätte dabei genügt, eine Fristverlängerung zu beantragen. Dass ein Fristverlängerungsantrag ohne Verschulden der Prozessbevollmächtigten und des A nicht habe gestellt werden können, hat die Klägerin nicht vorgebracht. War ein Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist möglich, scheidet ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Im Ergebnis muss sich die Klägerin das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.
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