16.02.2015 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Vom Grundsatz her finden Tarifverträge nur dann auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung, wenn sowohl der Arbeitgeber, als auch der jeweilige Arbeitnehmer tarifgebunden sind. Der Arbeitgeber muss also entweder Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband sein oder den Tarifvertrag selbst als Partei abgeschlossen haben. Zusätzlich muss der jeweilige Arbeitnehmer Mitglied in der Tarifschließenden Gewerkschaft sein, um Anspruch auf die tariflichen Arbeitsbedingungen zu haben.
Sofern die Voraussetzungen jedoch objektiv vorliegen, entsteht der Anspruch auf die tariflichen Arbeitsbedingungen unmittelbar und ohne das Erfordernis einer ausdrücklichen Geltendmachung durch den Arbeitnehmer. Besonders relevant ist dies für die Höhe der abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge. Selbst wenn der Arbeitnehmer seine tarifliche Vergütung nicht geltend machen würde und dies möglicherweise aufgrund von Ausschlussfristen auch nicht mehr könnte, ändert dies nichts daran, dass die Sozialversicherungsbeiträge auf Basis der tariflichen Vergütung zu berechnen sind.
Der Arbeitgeber hat demnach ein nachvollziehbares Interesse daran, über die Tarifzugehörigkeit seiner Arbeitnehmer informiert zu werden. Doch genau hier liegt das rechtliche Problem, da die herrschende Meinung eine Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit eines Arbeitnehmers als Grundrechtsverstoß ansieht.
Im vom BAG entschiedenen Fall waren im Unternehmen der Beklagten zwei Gewerkschaften aktiv. Nachdem beiden Gewerkschaften in der Vergangenheit zunächst gleichlautende Tarifverträge mit der Beklagten abgeschlossen hatten, wurden die Tarifverträge in 2010 gekündigt und jede Gewerkschaft begann eigene Verhandlungen mit der Beklagten aufzunehmen. Mit Gewerkschaft A wurde relativ schnell ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, mit Gewerkschaft B konnte jedoch keine Einigung erzielt werden und es wurden Arbeitskampfmaßnahmen angedroht.
In der Folge verfasste die Beklagte ein Schreiben an ihre Arbeitnehmer, in welchem sie diese aufforderte, innerhalb von 14 Tagen schriftlich mitzuteilen, ob sie Mitglied der Gewerkschaft B seien. Hintergrund hierfür sei, dass die Beklagte die mit Gewerkschaft A ausgehandelten Arbeitsbedingungen den Gewerkschaftsmitgliedern von B nicht gewähren wolle.
Die Gewerkschaft B beantragte daraufhin vor dem Arbeitsgericht die Feststellung, dass die entsprechende Frage der Beklagten unzulässig gewesen sei und unterlassen werden müsse.
Das Arbeitsgericht gab der Klage zunächst vollumfänglich statt, da die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit in jeder denkbaren Konstellation das Koalitionsrecht der Klägerin verletze.
Das Landesarbeitsgericht änderte das Urteil dahingehend ab, dass die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit nur dann unterlassen werden müsse, wenn die Frage nicht zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich sei.
Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage schließlich vollumfänglich ab. Dies lag jedoch lediglich daran, dass nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts der gestellte Unterlassungsantrag aus formalen Gründen zu weitgehend sei. Inhaltlich stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass die Fragebogenaktion tatsächlich die Koalitionsfreiheit der klagenden Gewerkschaft verletze. Insbesondere der zeitliche Zusammenhang mit einem drohenden Arbeitskampf wurde hierbei hervorgehoben. Das von der Beklagten vorgebrachte Interesse, die mit der Gewerkschaft A erzielte Tarifeinigung umzusetzen, rechtfertige die Befragung nicht.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts führt für die Arbeitgeber nicht zu der wünschenswerten Klärung der in der Einleitung geschilderten Problematik. In der Praxis wird es demnach auch weiterhin üblich bleiben, dass tarifgebundene Arbeitgeber durch vertragliche Inbezugnahmeklauseln die Tarifbedingungen unterschiedslos auf alle Arbeitnehmer anwenden. Dies stellt jedoch keine Lösung für Arbeitgeber dar, mit deren Unternehmen mehrere Gewerkschaften Tarifverträge ausgehandelt haben. Allen Arbeitnehmern die jeweils besten Bedingungen aus beiden Tarifverträgen zu gewähren, dürfte wirtschaftlich in der Regel kaum möglich sein. Den Arbeitnehmern nur dann die tariflichen Arbeitsbedingungen zu gewähren, wenn sich diese freiwillig als Gewerkschaftsmitglieder outen, würde einen erheblichen Abwicklungsaufwand gegenüber den Sozialversicherungsträgern nach sich führen, da regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge zunächst in falscher Höhe gezahlt werden würden.
Ohne ein irgendwie geartetes Fragerecht des Arbeitgebers wird sich eine solche Situation nicht lösen lassen. Wie genau ein solches Fragerecht jedoch ausgestaltet sein muss, um von der Rechtsprechung akzeptiert zu werden, ist leider auch nach der jüngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Thema nicht geklärt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. November 2014 (Az.: 1 AZR 257/13)
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