06.06.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: BTR Mecklenburg Schneehagen RA GmbH.
Der Kläger ist schwerbehindert. Über das Vermögen seines Arbeitsgebers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens erkundigte sich der Insolvenzverwalter u. a. bei dem Kläger nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger hat dies verneint. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis nachfolgend. Erst in der Kündigungsschutzklage teilte der Kläger seine bestehende Schwerbehinderung mit.
Nach Auffassung des BAG war die Kündigung wirksam. Dem Kläger war es verwehrt, sich auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte zu berufen, weil er zuvor die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint hatte. Das BAG führte aus, dass die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung im Zusammenhang mit seiner Pflichtenbindung durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG steht. Danach sei eine bestehende Schwerbehinderung bei einer Sozialauswahl zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber sei ebenfalls verpflichtet, den Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte zu beachten.
Nur durch die Frage nach einer Schwerbehinderung kann sich der Arbeitgeber daher rechtstreu verhalten. Die Frage diskriminiere nach Meinung des BAG behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stünden der Zulässigkeit einer solchen Frage nach Ansicht des BAG nicht entgegen. Wegen der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach einer Schwerbehinderung sei es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwebehinderung zu berufen.
Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung eines Schwerbehinderten der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Liegt eine solche nicht vor, ist die Kündigung unwirksam. Diese Vorschrift trägt dem besonderen Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer Rechnung. Da die Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber nicht zwangsläufig erkennbar sein muss, wird er oftmals erst im Kündigungsschutzverfahren von dem Arbeitnehmer über eine bestehende Schwerbehinderung in Kenntnis gesetzt. In dieser praxisrelevanten Konstellation muss die Kündigung sodann wiederholt werden, denn das Integrationsamt kann keine Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung erteilen.
Im hochbrisanten Spannungsfeld der unvermeidbaren Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zeigt die Entscheidung des BAG die für eine rechtssichere und rechtstreue Kündigung notwendigen Voraussetzungen auf. Obwohl sie sich nur auf eine festgestellte Schwerbehinderung bezieht, dürfte sie ebenfalls auf die Gleichstellung mit einer Schwerbehinderung anwendbar sein. Die Entscheidung bietet daher insgesamt sowohl für Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberseite einen Zuwachs an Rechtssicherheit, was aus anwaltlicher Sicht zu begrüßen ist.
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