18.11.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: women&work.
Seit Mitte 2021 mehren sich die medialen Warnmeldungen, die unisono eines wiederholen: Der Fachkräftemangel ist größer als (in der Pandemie) erwartet. Im 1. Halbjahr 2021 fehlten 1,2 Millionen Fachkräfte mit Berufsausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung, 1,1 Millionen gewerbliche Fachkräfte, 700.000 Fachkräfte mit akademischer Ausbildung. Zudem fehlten rund 300.000 Projektleiterinnen, 180.000 Abteilungs- und Gruppenleiter und auch rund 20.000 Vorstands- und Geschäftsführungspositionen mussten neu besetzt werden.
Der Mangel an qualifiziertem Personal könnte bald schon deutlich steigen: Allein bis 2030 gehen fast sechs Millionen Fachkräfte mit Universitätsabschluss in Rente – Fachkräfte ohne akademischen Hintergrund sind hier noch nicht eingerechnet. Gleichzeitig stehen ab 2022 nicht mehr genug Universitätsabsolventen zur Verfügung, um Stellen zu besetzen. Insbesondere durch die Digitalisierung erhöht sich jedoch der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften – auch in den sozialen Berufen.
Diese Fachkräftelücken können mit Männern allein nicht gestopft werden. Daher ist es dringend notwendig, das ungenutzte Potenzial von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu heben. Bis heute arbeiten sehr viel mehr Frauen in Teilzeit und deutlich länger stundenreduziert als Männer. Der Grund dafür, dass Frauen in die Teilzeitfalle rutschen und dort auch oft verharren, selbst wenn es die familiäre Situation nicht mehr erfordert, liegt daran, dass in vielen Unternehmen sinnvolle Wiedereingliederungsmaßnahmen in Vollzeit oder vollzeitähnliche Jobs fehlen. Zudem bieten nach wie vor viele Unternehmen keine flexiblen Arbeitszeiten und wirkungsvolle Maßnahmen, wie Führen in Teilzeit oder Jobsharing-Modelle, an. Dabei lassen sich genau an dieser Stelle die ungenutzten weiblichen Arbeitsmarktpotenziale heben und Fachkräftelücken vor allem in Führungspositionen schließen.
Women&Work befragt seit 2011 regelmäßig Frauen nach ihren Karrierevorstellungen sowie Wünschen und Anforderungen an potenzielle Arbeitgeber. Aus diesen Ergebnissen lassen sich fünf Leitlinien ableiten, die Arbeitgeber umsetzen sollten – nicht nur um Frauen grundsätzlich zu rekrutieren, sondern auch, um Frauen, die sich einmal für das Unternehmen entschieden haben, lebensphasenorientiert zu begleiten.
Für 95,6 Prozent der befragten Frauen ist der Beruf „wichtig“ bis „sehr wichtig“. 82 Prozent legen Wert auf gute Aufstiegsbedingungen. Insgesamt ist Karriere für 77 Prozent sehr wichtig. Das klassische Stereotyp „Frauen wollen nicht in Führung“ bzw. das Vorurteil Karriere spiele für Frauen nur eine untergeordnete Rolle, ließ sich nie beweisen. Die geringe Karriereaffinität von Frauen ist ein Mythos.
Neben der Karriereaffinität sind für Frauen insbesondere die Arbeitgeber attraktiv, die gute Aufstiegsbedingungen schaffen. Dazu gehören nicht nur transparente und flexible Karrierewege, sondern vor allem flexible Karriere- und Führungsmodelle. Führen in Teilzeit oder Jobsharing sind wirkungsvolle Maßnahmen, denn sie ermöglichen Frauen den Karriereaufstieg bei gleichzeitig flexibler Familiengestaltung.
Das „diskriminierungsfreie Betriebsklima“ ist der Spitzenreiter, was die Wünsche und Anforderungen an potenzielle Arbeitgeber angeht. Für 98,4 Prozent der Frauen ist dieses Kriterium maßgeblich entscheidend. Gleichauf liegt die „kollegiale Zusammenarbeit“. Aber auch die Themen „Mitbestimmung“, „Führung auf Augenhöhe“ und die „Anerkennung der Arbeitsleistung“ gehören zu den bevorzugten Kriterien der Arbeitgeberwahl.
Flexible Arbeitszeiten (97,8 Prozent), selbstorganisiertes Arbeiten (96,2 Prozent), ein hohes Maß an Selbstverantwortung (94 Prozent) und flache Hierarchien (72,1 Prozent) sind vier von insgesamt 10 Kriterien, die bei Frauen auf der Wunschliste an potenzielle Arbeitgeber ganz oben stehen. Auch hier sind die Wünsche und Anforderungen der Frauen nicht als betrieblicher Luxus anzusehen, sondern als Aufforderung an die Unternehmen, den längst notwendigen Schritt zu mehr Flexibilität konsequent umzusetzen, denn diese Maßnahmen kommen auch einer alternden Belegschaft zugute.
Weiterbildung wird zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität von den Unternehmen zunehmend als Notwendigkeit erkannt. Das gilt insbesondere für Frauen. Für 94,5 Prozent der Befragten sind das Vorhandensein betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen sehr wichtig, gefolgt von der Möglichkeit der regelmäßigen Weiterbildung (92,3 Prozent) und des lebensbegleitenden Lernens (89 Prozent).
Grundsätzlich lässt sich sagen: Unternehmen, die diese Leitlinien in ihrer Kommunikation bewusst einsetzen und nach außen tragen, haben sehr gute Chancen, in der Zielgruppe der Frauen nicht nur als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, sondern Frauen langfristig an das Unternehmen zu binden und sie für Führungspositionen zu begeistern.
Autorin: Melanie Vogel
Bild: Alexander Suhorucov (Pexels, Pexels Lizenz)
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