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Fast die Hälfte der Unternehmen musste im ersten Halbjahr Prognose anpassen – meist nach oben

08.08.2022  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst & Young GmbH.

Zahl der Gewinn- und Umsatzwarnungen steigen gegenüber Vorjahreszeitraum von acht auf 26 – zweithöchster Stand seit zwölf Jahren. Trotz hoher Unsicherheiten ist die Zahl der positiven Prognosekorrekturen aber weiter deutlich höher: Zahl sinkt von 83 auf 74. Warnungen lassen Aktienkurse im Durchschnitt um 6,5 Prozent einbrechen.

Immer mehr deutsche Unternehmen korrigieren ihre Prognosen nach unten. Die Zahl der Gewinn- oder Umsatzwarnungen von Unternehmen aus dem DAX, dem MDAX und dem SDAX stieg im ersten Halbjahr dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von acht auf 26. Davon entfielen sieben Warnungen auf DAX-Unternehmen, sechs auf MDAX-Unternehmen und 13 auf Unternehmen, die im SDAX gelistet sind.

Im ersten Quartal wurden acht Warnungen registriert, im zweiten Quartal stieg die Zahl auf 18. Insgesamt liegt die Zahl der Warnungen damit aber weiterhin deutlich unter dem bisherigen Rekordwert von 95, der im ersten Halbjahr 2020 erreicht wurde, als der Ausbruch der Corona-Pandemie dazu führte, dass Unternehmen reihenweise ihre Prognosen einkassieren mussten.

Trotz geopolitischer Unsicherheiten standen den 26 negativen Korrekturen im ersten Halbjahr fast dreimal so viele Aufwärtskorrekturen gegenüber: Insgesamt 74mal haben die Unternehmen verkündet, ihre bisherigen Umsatz- oder Gewinnziele voraussichtlich zu übertreffen – man spricht in einem solchen Fall von einer Umsatz- oder Gewinnerwartung. Im Vorjahreszeitraum hatte deren Zahl mit 83 sogar noch höher gelegen.

Sowohl in Bezug auf negative wie positive Korrekturen war die erste Jahreshälfte 2022 das zweitaktivste erste Halbjahr seit Beginn der EY-Analyse im Jahr 2011.

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die veröffentlichungspflichtige Korrekturen an Gewinn- und Umsatzprognosen in den Jahren 2011 bis Mitte 2022 untersucht. Für die Analyse wurden alle 160 Unternehmen aus dem DAX, SDAX und MDAX betrachtet.

„Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet von einer enormen Unsicherheit, während gleichzeitig die Geschäfte vielfach noch gut bis sehr gut laufen“, sagt Milan Knarse, Partner bei EY in der Restrukturierungsberatung und Leiter Reshaping Results in der Region Europe West. „Aber niemand kann vorhersagen, wie sich die politische und wirtschaftliche Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Die Spannbreite der Szenarien ist enorm: Sie reichen von einer mäßigen Konjunkturentwicklung bis hin zu massiven Engpässen bei der Versorgung mit Erdgas in wichtigen europäischen Märkten – mit potenziell katastrophalen Folgen für die industrielle Produktion und massiven Einschränkungen für Privathaushalte. Inflation und steigende Zinsen tragen zu einer weiteren Verschärfung der Situation bei.“

Unternehmen stünden vor der Herausforderung, sich möglichst auf alle denkbaren Szenarien vorzubereiten, ergänzt Dr. Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services Europe West bei EY: „Die Eintrittswahrscheinlichkeit der aktuellen Risiken lässt sich kaum seriös berechnen. Entsprechend schwierig ist es für die Unternehmen, belastbare Prognosen abzugeben. Wir leben in extrem volatilen Zeiten mit geopolitischen Krisen, einer anhaltenden Pandemie und häufigen Lieferengpässen. All das sind erhebliche Herausforderungen für Unternehmen, die vor der Aufgabe stehen, Investoren und Analysten eine bestmögliche Prognose und Guidance für das laufende Geschäftsjahr zu geben“.

Geschäftslage ist gut – aber Vorbereitungen auf Abschwung laufen

Bislang ist die Geschäftsentwicklung bei der Mehrzahl der Unternehmen zufriedenstellend – auch weil es ihnen gelang, höhere Preise durchzusetzen, beobachtet Knarse: „Wir erleben aktuell eine Sondersituation: Ein hoher Auftragsbestand, hohe Preise und anhaltende Lieferschwierigkeiten bei einer bis zuletzt starken Nachfrage. Diese Faktoren haben sich in Summe positiv auf die Gewinnentwicklung vieler Unternehmen ausgewirkt – was zu einer entsprechend großen Zahl an positiven Prognosekorrekturen geführt hat.“

Im ersten Quartal lag die Zahl der Gewinn- oder Umsatzerwartungen bei 48 und damit sogar über dem Vorjahreswert von 44 Meldungen. Das ist der höchste Stand, der bislang in der EY-Analyse in einem ersten Quartal registriert wurde. Im zweiten Quartal sank die Zahl der Aufwärtskorrekturen auf 26 (Vorjahreszeitraum: 43). „Die Zahl der positiven Überraschungen nimmt ab und lag im zweiten Quartal etwa auf dem Vor-Pandemie-Niveau. Gleichzeitig sehen wir einen Anstieg bei den Gewinn- und Umsatzwarnungen. Damit mehren sich die Zeichen, dass sich die Konjunkturabkühlung auch in den Bilanzen der deutschen Unternehmen widerspiegeln wird“, sagt Knarse.

Die Rezessionssorgen und die Unsicherheiten bei der Versorgung mit Erdgas treiben die Unternehmen um, beobachtet Knarse: „Wir sehen intensive Aktivitäten, um sich auch auf Worst-Case-Szenarien vorzubereiten. Nachdem in den vergangenen Jahren Lieferketten-Themen höchste Priorität hatten, geht es nun zunehmend auch darum, die Produktion auf den Fall eines Gasmangels vorzubereiten und zudem die eigenen Zulieferer und Abnehmer auf entsprechende Schwachstellen hin zu durchleuchten.“

Prognosen auf Jahressicht so schwierig wie nie

Insgesamt 64 (das entspricht 46 Prozent) der 160 analysierten Unternehmen korrigierten schon im ersten Halbjahr dieses Jahres ihre eigene Prognose – trotz geopolitischer Krisen mit überwiegender Mehrheit nach oben. Besonders viele Warnungen gab es von Konsumgüterherstellern: 43 Prozent mussten vor einer voraussichtlichen Nicht-Erreichung ihrer Ziele warnen. Genau so viele Konsumgüterhersteller haben aber auch ein Übertreffen ihrer Ziele angekündigt – mehr Positiv-Korrekturen gab es nur von Software-Unternehmen, von denen 60 Prozent eine Umsatz- oder Gewinnerwartung veröffentlichten.

Die Unternehmen stünden derzeit vor der Herausforderung, über gute Investor Relations auch in turbulenten Zeiten verlässlich und transparent zu kommunizieren, so Steinbach: „Das Erwartungsmanagement gegenüber Analysten und Investoren ist derzeit schwieriger denn je – aber auch eine Chance, Vertrauen auszubauen durch eine glaubwürdige und transparente Finanzkommunikation, etwa in Bezug auf die Ertrags- und Liquiditätslage und die Auswirkungen auf das Bilanzbild.“

Im ersten Halbjahr haben Anleger vor allem auf negative Unternehmensnachrichten reagiert: Am Tag der Gewinn- oder Umsatzwarnung sank der Aktienkurs des jeweiligen Unternehmens um durchschnittlich 6,5 Prozent. Bei einer Gewinn- oder Umsatzerwartung hingegen, also bei einer Aufwärtskorrektur, stieg der Aktienkurs am Tag der Meldung nur um 1,9 Prozent. „Die Märkte haben im ersten Halbjahr besonders stark auf negative Nachrichten reagiert, während positive Überraschungen kaum zur Kenntnis genommen wurden – ein weiteres Indiz für die Nervosität auf den Märkten“, folgert Steinbach.

Bild: Lukas (Pexels, Pexels Lizenz)

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