15.06.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: .
Außerdem seien zu hohe Schwellenwerte, die alle oder nahezu alle Projekte einer bestimmten Art von vornherein der UVP-Pflicht entziehen, unionsrechtswidrig.
Im vorliegenden Fall beantragte ein Hotelbetrieb eine baubehördliche Bewilligung für das Projekt "Heumarkt Neu" in Wien. Dieses Vorhaben liegt in der Kernzone der Unesco-Welterbestätte "Historisches Zentrum Wien". Auf dem Areal soll ein bestehendes Hotel abgerissen, mehrere neue Gebäude für Hotel-, Gewerbe-, Konferenz-, Veranstaltungs-, Wohn- oder Bürozwecke neu errichtet werden. Zudem sind eine unterirdische Eishalle, eine unterirdische Sporthalle mit einem Schwimmbad und eine Tiefgarage geplant. Die Flächeninanspruchnahme des Projekts beträgt circa 1,55 Hektar und die Bruttogeschoßfläche umfasst rund 89.000 Quadratmeter. Da ein Bescheid nicht erging, brachte der Hotelbetrieb beim VG Wien eine Säumnisbeschwerde ein.
Das Unternehmen machte geltend, dass für das Projekt unter Beachtung der im österreichischen Recht festgelegten Schwellenwerte und Kriterien keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich sei. Nach österreichischem Recht ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung für "Städtebauprojekte" nur dann durchzuführen, wenn das Projekt eine Fläche von mindestens 15 Hektar beansprucht und die Bruttogeschossfläche mehr als 150.000 Quadratmeter beträgt. Das VG Wien hatte Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten und rief deshalb den EuGH an.
Laut EuGH verstößt eine Regelung gegen die UVP-Richtlinie, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung für bestimmte "Städtebauvorhaben" von der Überschreitung der Schwellenwerte im Ausmaß einer Flächeninanspruchnahme von mindestens 15 Hektar und einer Bruttogeschossfläche von mehr als 150.000 Quadratmeter abhängig macht. Denn lege ein Mitgliedstaat für die UVP Schwellenwerte fest, müsse er Gesichtspunkten wie dem Standort der Projekte Rechnung tragen, etwa durch Festlegung mehrerer Schwellenwerte für verschiedene Größenordnungen von Projekten, die nach Maßgabe der Art und des Standorts der Projekte gölten. Befinde sich das Projekt wie hier im Kerngebiet einer Unesco-Welterbestätte, sei das Standort-Kriterium besonders relevant.
In einem städtischen Umfeld, in dem der Raum begrenzt sei, seien Schwellenwerte im Ausmaß einer Flächeninanspruchnahme von mindestens 15 Hektar und einer Bruttogeschossfläche von mehr als 150.000 Quadratmeter so hoch, dass in der Praxis die Mehrheit der Städtebauprojekte von vornherein von der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen sei. Letztlich müsse das VG Wien beurteilen, ob alle oder nahezu alle betroffenen Projekte dieser Pflicht entzogen sind, was grundsätzlich mit der Richtlinie unvereinbar wäre, so der EuGH.
Dem EuGH zufolge verbietet es die UVP-Richtlinie schließlich auch, vor oder neben einer notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung oder vor Abschluss einer Einzelfalluntersuchung der Umweltauswirkungen, mit der die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung geklärt werden soll, Baubewilligungen für einzelne Baumaßnahmen zu erteilen, die einen Teil umfassenderer Städtebauprojekte bilden.
Bei der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von kommunalen Bauleitplänen werden Umweltverträglichkeitsprüfung und Strategische Umweltprüfung grundsätzlich im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs (BauGB) durchgeführt. § 13a BauGB (Bebauungspläne der Innenentwicklung) sieht abweichend vor, dass im Falle einer Unterschreitung einer Flächengröße von 2 Hektar in einem beschleunigten Verfahren regelmäßig keine erheblichen Umweltauswirkungen zu befürchten sind und daher auf eine Umweltprüfung verzichtet werden kann (vgl. auch § 13a Abs. 1 Nr. 2 BauGB).
Die EuGH-Entscheidung hat klargestellt, dass es bei der Frage, ob und inwieweit bei städtebaulichen Planungen und Projekten auf eine Umweltprüfung verzichtet werden kann, durchaus einen Auslegungsspielraum gibt. Die Mitgliedsstaaten haben grundsätzlich die Möglichkeit, die Durchführung einer UVP von der Unter- oder Überschreitung bestimmter Schwellenwerte abhängig zu machen. Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass neben dem Schwellenwert auch der Projektstandort berücksichtigt wird und die Schwellenwerthöhe nicht dazu führt, dass nahezu alle (Städtebau-) Projekte von vornherein einer UVP entzogen würden. Die vorstehende EuGH-Entscheidung lässt auch die in Deutschland geführte Diskussion um die EU-Konformität des § 13b BauGB (Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren nach § 13 a BauGB bei weniger als 1 Hektar) in einem anderen Licht erscheinen.
Bild: Lex Photography (Pexels, Pexels Lizenz)
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