22.07.2022 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Es geht um eine Art Grundgesetz für das Internet. Änderungen im weiteren Verfahren werden nicht mehr erwartet. Es wird die Praxis vor große Herausforderungen stellen, wenn die Regelungen zum 01. Januar 2024 zu beachten sind. Das befürchtete Verbot der Datennutzung für Online-Werbung kommt damit nicht. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner von Wienke & Becker – Köln, gibt eine erste Übersicht.
Es geht um EU-Verordnungen, die unmittelbar auch ohne Umsetzung in den Gesetzen der Mitgliedsstaaten Anwendung finden, wie man es etwa von der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) kennt.
Der DSA, also praktisch das Digitale Dienste-Gesetz ergänzt die 20 Jahre alte E-Commerce-Richtlinie, aktualisiert diese und bringt neue Informationspflichten und Regelungen zu AGB der Anbieter von Vermittlungsdiensten. Es geht zudem um Sorgfaltspflichten und den Umgang mit Inhalten, die Nutzer bereitgestellt haben, Haftung für Inhalte ab Benachrichtigung und er soll mit einheitlichen Meldeverfahren der Hassrede und weitere nicht gesetzeskonformen Inhalten im Internet EU-weit gültige gleichartige Regeln entgegenstellen, damit diese Inhalte unter der gesteigerten Verantwortung der Plattformen schneller verschwinden. Das deutsche Netzdurchsetzungsgesetz dürfte damit obsolet werden.
Es werden aber auch Handelsregelungen getroffen, die etwa gefälschte Waren betreffen oder den Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten künftig erschweren. Lange Zeit sah es so aus, als würde nahezu jegliche Form der Datennutzung in der Werbung untersagt werden. Dieser Gau ist aber (noch) nicht eingetreten.
Es geht z.B. um Prüfpflichten, ob Anbieter ihren Informationspflichten nachkommen. Vorgesehen sind auch Stichproben, ob Anbieter z.B. Produktfälschungen anbieten und Inhaltefilter. Zur Unterstützung soll es offizielle Datenbanken mit Informationen zu solchen Angeboten geben.
Wie immer geht es in den neuen Regelungen um Transparenz. Dazu werden Werbetreibende z.B. verpflichtet, bei der Online-Werbung auf Online-Plattformen zusammen mit bzw. in der Werbung zahlreiche Informationen bereit zu halten, wie etwa die Nennung des Auftraggebers und ggf. eines abweichenden Finanziers einer Werbekampagne. Der Adressat der Werbung soll auch erkennen können, warum gerade ihm die Werbung gezeigt wird. Dazu sind künftig die Zielgruppenparameter zu benennen.
Hier geht es um die Beeinflussung des Nutzers, die künftig verboten sein soll. Solche Beeinflussungen kennt man etwa von den Cookie-Bannern, wo durch bestimmte Gestaltungen der Nutzer zu einem Einverständnis gedrängt wird. Das „Nudging“ (Anstoßen, Anschubsen), wie es auch genannt wird, ist auch bei Kaufangeboten bekannt.
Schon wird beklagt, dass damit Bemühungen der Unternehmen, den Nutzer zu einem nachhaltigen Verhalten zu bewegen, torpediert werden.
Auch die Beendigung von vertraglichen Abreden, etwa zu Abos, darf nicht mehr erschwert werden. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass eine Beendigung so einfach sein muss, wie die Begründung des Vertrages.
Bei dem DMA geht es um die Regulierung von großen Internet-Unternehmen durch wettbewerbsrechtliche Regeln, die etwa Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Online-Vermittlungsplattformen betreffen. In allen Regelungswerken geht es um die Verbesserung des Verbraucherschutzes.
„Very large online plattforms“ (VLOP) werden in einem völlig neuen Konzept, das Frankreich forciert gefordert hatte, von der EU beaufsichtigt und nicht, wie bei der DSGVO von den einzelnen Ländern. Um die kleineren Plattformen müssen sich die jeweiligen Mitgliedsstaaten kümmern. Es ist noch unklar, wer das in Deutschland übernehmen wird (z.B. Bundesnetzagentur oder Landesmedienanstalten).
In den Regelungen zum Digital Markets Act (DMA) sind vor allem die VLPOPs angesprochen, also die großen Online-Plattformen und wettbewerbsrechtliche Anforderungen, die erfüllt werden müssen. Solche sog. „Gatekeeper“ werden reguliert, um einen möglichst diskriminierungsfreien und fairen Zugang zu den Angeboten und die Nutzung anfallender Daten zu gewährleisten. So werden sie zum Beispiel im Ranking nicht mehr eigene Angebote bevorzugen dürfen.
Großen Tech-Unternehmen wird verboten, Daten aus verschiedenen Quellen ohne ausdrücklicher Nutzereinwilligung zusammenzuführen. Es gibt Regeln für große Messenger-Dienste (z.B. WhatsApp). Dies müssen gewährleisten, dass sie auch Nachrichten von anderen Anwendungen empfangen können.
Zudem müssen bei Empfehlungssystemen Optionen angeboten werden, die auf eine Profilbildung verzichten.
Die Bedeutung der Gesetzgebungsakte werden sich erst nach und nach erschließen und -wie fast immer – werden sich die Probleme bei der Umsetzung in der Praxis herausbilden.
Zwar fehlt es noch an der Zustimmung des Rates. Die ständigen Vertreter der EU-Länder in Brüssel haben die Gesetze aber schon abgesegnet. Von den Ministerien wird keine Änderung mehr erwartet. Nach der Verkündung im Amtsblatt der Europäischen Union würde der DSA dann wohl Anfang 2024 voll wirksam.
Link zum Vorhaben: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020PC0825&from=de
Bild: Pixabay (Pexels, Pexels Lizenz)
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