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Erneuter 'Facebook-Fall' vor deutschem Arbeitsgericht

15.08.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Arbeitsgericht Dessau-Roßlau.

Der Ehemann einer Angestellten hatte verunglimpfende Äußerungen über den Vorstand seiner Partnerin über Facebook gepostet. Unter dem Account-Namen der Ehefrau war dann ein "Gefällt-mir" angezeigt worden. Die Arbeitgeber kündigten ihr daraufhin.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch fristlose sowie hilfsweise fristgemäß ausgesprochene Kündigungen der Beklagten.

Die am 18. Februar 1969 geborene Klägerin ist seit dem 16. Februar 1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Sparkassenangestellte zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt durchschnittlich EUR 4.686,62 beschäftigt. In der Zeit vom 01. Januar 1994 bis zum 31. August 2011 war sie als Abteilungsdirektorin Interne Revision eingesetzt. Am 10. Juni 2011 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2012 gegen Zahlung einer Abfindung von EUR 110.000,00. Seit dem 01. September 2011 waren der Klägerin Sonderaufgaben übertragen. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer mit Ausnahme der zu ihrer Berufsbildung Tätigen beschäftigt. Es besteht ein von der Belegschaft ordnungsgemäß gewählter Personalrat.

Mit Schreiben vom 08. Dezember 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise fristgemäß zum 30. Juni 2012. „Höchstvorsorglich“ kündigte sie das Arbeitsverhältnis im gleichen Schreiben zudem außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin im Wege der Verdachtskündigung.

Den Kündigungen liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Ehemann der Klägerin „postete“ im August 2011 auf seiner Internetseite bei dem sozialen Netzwerk „Facebook“ folgende Eintragungen: "Hab gerade mein Sparkassen-Schwein auf ...... (die Namen der Sparkassenvorstände; Anm. d. Red.) getauft." "Naja, irgendwann stehen alle Schweine vor einem Metzger". Der Ehemann der Klägerin veröffentlichte auf dieser Seite zudem eine piktographische Fischdarstellung, bei der das Mittelstück des Fisches durch das Sparkassensymbol dargestellt ist. Neben dem Piktogramm befand sich die Anmerkung "Unser Fisch stinkt vom Kopf". Die Facebook-Seite des Ehemannes der Klägerin war für 155 "Freunde", u.a. auch zahlreiche Mitarbeiter und Kunden der Beklagten, einsehbar. Unter dem Fischpiktogramm befand sich mit dem Kommentar "gefällt mir" der Name der Klägerin.

Die Beklagte erhielt im Herbst 2011 – der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig - einen anonymen Brief mit einem Ausdruck der dargestellten Facebook-Seite des Ehemannes der Klägerin. Mit Schreiben vom 15. November 2011 forderte sie die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt war, auf, bis zum 23. November 2011 zu den Eintragungen auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes Stellung zu nehmen.

Unmittelbar nach Zugang dieses Schreibens wurden die fraglichen Eintragungen gelöscht. In der Zeit vom 18. bis 28. November 2011 führte die Beklagte Gespräche mit dem damaligen Rechtsanwalt der Klägerin mit dem Ziel der einvernehmlichen Beilegung der Angelegenheit. Am 29. November 2011 setzte die Beklagte der Klägerin eine Nachfrist zur Stellungnahme bis zum 02. Dezember 2011, woraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 02. Dezember 2011 zu den Vorwürfen Stellung nahm. Darin versicherte sie – auch im Namen ihres Ehemannes – es zu unterlassen, "Einträge in dieser oder in einer abgewandelten Form in soziale Netzwerken einzustellen".

Die Beklagte hörte den in ihrem Betrieb bestehenden Personalrat am 07. Dezember 2011 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin an. Am gleichen Tag teilte sie dem Personalrat unter dem Betreff "Mitbestimmung gemäß § 67 Abs. 1 LPVG Sachsen-Anhalt ..." mit, dass sie beabsichtige, der Klägerin zusätzlich eine hilfsweise ordentliche Kündigung auszusprechen. Den Schreiben waren jeweils die Anhörung vom 15. November 2011, die Fristsetzung vom 29. November 2011, die Stellungnahme der Klägerin vom 02. Dezember 2011 sowie der Ausdruck der Facebook-Seiten des Ehemannes der Klägerin beigefügt. Der Personalrat stimmte den Kündigungen mit Schreiben vom 08. Dezember 2011 zu.

Mit ihrer am 22. Dezember 2011 bei dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011. Sie meint, Gründe, die die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Die fristgemäße Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Sie bestreitet im Übrigen die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates vor Ausspruch der Kündigungen mit Nichtwissen.

Die Klägerin behauptet, den "Gefällt-mir-Button" unter dem Fisch-Piktogramm auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes habe nicht sie selbst sondern möglicherweise ihr Ehemann betätigt. Dazu sei er in der Lage, da sie ihren jetzigen alleinigen Account bis April 2011 mit ihrem Ehemann gemeinsam genutzt habe und dieser auch weiterhin über den inzwischen nur noch von der Klägerin genutzten Account Kommentare unter dem Namen der Klägerin bei Facebook abgeben könne.

Ihr Ehemann habe sowohl das Fisch-Piktogramm als auch den Eintrag, sein Sparkassenschwein "Ralf-Thomas" getauft zu haben, ohne Wissen und Billigung der Klägerin auf seiner Facebook–Seite veröffentlicht. Die Zuordnung des Doppelvornamens auf die beiden Vorstände der beklagten Sparkasse sei für einen objektiven Dritten allerdings nicht möglich. Das Fisch-Piktogramm stelle nur eine allgemein gehaltene Satire in Bezug auf das bekannte Markenzeichen der Sparkasse ohne nähere Individualisierbarkeit einer konkreten Institution oder einer natürlichen Person dar.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt, da ihr Ehemann die streitigen Eintragungen bei Facebook bereits am 26. August 2011 vorgenommen habe und die Beklagte von diesen daher vermutlich nicht erst im November 2011 Kenntnis erlangt habe. Der Beklagten sei es auch zumutbar, die Klägerin bis zum 30. Juni 2012 weiterzubeschäftigen, da sie seit dem 01. September 2011 nur noch untergeordnete Tätigkeiten ohne direkte Zusammenarbeit mit dem Vorstand der Beklagten ausübe.

(...)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch fristgemäß beendet.

Die Klägerin hat sich rechtzeitig innerhalb der Klagefrist der §§ 4 S. 1, 13 Abs.1 S. 2 KSchG gegen die fristlosen sowie die hilfsweise fristgemäß ausgesprochenen Kündigungen vom 08. Dezember 2011 gewandt. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch die fristlosen Kündigungen vom 08. Dezember 2011 mit der Klage vom 22. Dezember 2011 rechtzeitig angegriffen, so dass auch diese Kündigungen nicht bereits nach § 7 1. HS KSchG als von Anfang an rechtswirksam gelten.

(...)

Auch bei Verstößen gegen die Pflicht zu loyalem Verhalten ist grundsätzlich vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich, um den Arbeitnehmer auf den pflichtwidrigen Charakter seines Verhaltens hinzuweisen, sofern nicht im Einzelfall ausreichender Grund zu der Annahme besteht, der Arbeitnehmer werde sein Verhalten nicht ändern und weise damit einen dauernden und nicht behebbaren Eignungsmangel auf.

Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung vom 08. Dezember 2011 auf die von dem Ehemann der Klägerin bei Facebook "geposteten" Erklärungen ("Unser Fisch stinkt vom Kopf" und "Ich habe mein Sparkassen-Schwein Ralf-Thomas getauft") stützt, sind diese Aktivitäten ihres Ehemannes nicht geeignet, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu rechtfertigen, da die Klägerin grundsätzlich keine Verantwortung für von ihrem Ehemann abgegebene Stellungnahmen trägt.

Die Klägerin könnte aus dem Arbeitsverhältnis allenfalls eine Pflicht treffen, auf ihren Ehemann mit der Maßgabe einzuwirken, Äußerungen zu unterlassen, die das Unternehmen ihres Arbeitgebers schädigen. Eine derartige Pflichtverletzung steht vorliegend jedoch nicht in Rede, da die fraglichen Facebook-Einträge, nachdem die Klägerin mit ihnen konfrontiert worden war, unmittelbar von der Internetseite ihres Ehemannes entfernt wurden und zu vermuten ist, dass die Klägerin ihre Löschung veranlasst hat. Eine Pflichtverletzung ist ihr in diesem Zusammenhang nicht zur Last zu legen.

Auch der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe unter dem Fisch-Piktogramm der Beklagten ("Unser Fisch stinkt vom Kopf") auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes den "Gefällt-mir"-Button gedrückt, rechtfertigt die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses weder als Tat- noch als Verdachtskündigung.

Zwar wäre es als eine Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten anzusehen, wenn die Klägerin dem von ihrem Ehemann "geposteten" Fischpiktogramm öffentlich zugestimmt hätte. Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass einem über Facebook verbreiteten Statement der Charakter eines "vertraulichen Gespräches" unter "Freunden" oder Arbeitskollegen zukommen würde. Bei einer auf einer Internet-Plattform getätigten Aussage kann nicht von einer vertraulichen Kommunikation die Rede sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein „Posting“ über den öffentlichen oder den so genannten privaten Bereich erfolgt.

Da ein Facebook-Nutzer immer mit einer "Veröffentlichung" rechnen muss, auch wenn er über seinen privaten Facebook-Account abwertende Äußerungen verbreitet, und das Recht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG weder Formalbeleidigungen noch bloße Schmähungen schützt, wäre die öffentlich getätigte Äußerung "Unser Fisch stinkt vom Kopf" nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zuzuordnen und die öffentlich erklärte Zustimmung der Klägerin damit als Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten anzusehen.

ArbG Dessau-Roßlau, Urteil vom 21.03.2012, AZ.: 1 Ca 148/11 (in Auszügen)

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