12.08.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bremer Inkasso GmbH.
Ein Schuldner, nennen wir ihn Hans Blank (Name frei erfunden), hat 200.000 EUR Schulden bei verschiedenen Gläubigern. Die Eröffnung seines Insolvenzverfahrens steht deshalb auch unmittelbar bevor. Da erreicht ihn ein Brief. Sein Vater ist verstorben und hat ihn wider Erwarten zum Alleinerben eingesetzt; der Nachlass ist 500.000 Euro wert. Blanks Vater war es ganz offenbar ein Anliegen, seinem Sohn ein angenehmeres Leben zu ermöglichen, als es Hans Blank bisher möglich war. Der Vater wollte, dass der Sohn sein Leben endlich in den Griff bekommt. Hans Blank könnte nun – entsprechend dem Willen seines Vaters – seine Schulden bezahlen. Tut er aber nicht. „Schade um das schöne Geld“, sagt er sich und schlägt das Erbe, allerdings nicht ohne Hintergedanken, aus. Denn Hans Blank ist nicht dumm. Im Namen seiner minderjährigen Kinder nimmt er nämlich anschließend die Erbschaft an und benachteiligt damit – ganz legal und mit dem Gesetz im Rücken – vorsätzlich alle seine Gläubiger. Seine Kinder erben das Vermögen, und die Gläubiger bekommen nicht einen Cent.
Das kann doch gar nicht sein, möchte man meinen. Und doch ist das nach deutschem Recht möglich. Laut § 83 Absatz 1 Insolvenzordnung (InsO) steht es im Falle einer Erbschaft vor oder während eines Insolvenzverfahrens allein dem Schuldner zu, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Das gilt selbst dann, wenn der Schuldner im Einvernehmen mit dem an seine Stelle tretenden Erben durch eine Erbausschlagung vorsätzlich seine Gläubiger benachteiligt hat. Würde man nämlich in diesem Falle die Ausschlagung des Erbes des Schuldners anfechten wollen, stünde das im Widerspruch zu der im Gesetz verankerten Entscheidung des § 83 Abs. 1 InsO. „Die Ausschlagung einer Erbschaft ist der Insolvenzanfechtung entzogen“, so der Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, Bernd Drumann.
„Das ist mal wieder typisch für unser schuldnerfreundliches Rechtssystem“, so der Geschäftsführer weiter. „Ganz anders wird nämlich mit den Gläubigern umgegangen. Zu nennen ist hier zum einen die so genannte Vorsatzanfechtung. Gibt es bei einer Zahlung des Schuldners auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass an der gegenwärtigen oder künftigen Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu zweifeln ist, droht dem Gläubiger faktisch immer eine Insolvenzanfechtung, sollte binnen zehn Jahren Insolvenzantrag gestellt werden“, charakterisiert Drumann die derzeitige Lage der Unternehmer. „Zum anderen ist die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform von Bedeutung für die Gläubiger. Sie beinhaltet u.a., dass einem Schuldner schon nach drei Jahren – statt regulär sechs – die Restschuldbefreiung erteilt werden kann, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt: Der Schuldner muss die Verfahrenskosten bezahlen sowie mindestens 35% der Insolvenzforderungen. Klappt das innerhalb von drei Jahren, ist er grundsätzlich alle Schulden los (ausgenommen die Forderungen nach § 302 InsO). Wenn der Schuldner es allerdings aussitzen will, kann er unter gewissen Umständen auch ohne Zahlungen zur Restschuldbefreiung gelangen, muss dann allerdings eine sechsjährige Wohlverhaltensperiode ‚überbrücken‘. Mit 500.000 EUR im Rücken, wie in unserem Fall, lassen sich die sechs Jahre für Hans Blank aber sehr gut ‚aussitzen‘. Zwar könnte er sich auch die 35% (s.o.), mithin 70.000 EUR, und die Verfahrenskosten bei seinen Kindern ‚leihen‘ und wäre die Schulden nach drei Jahren los, aber – warum sollte er das tun?“
„Mit der Regelung des § 83 InsO steht Deutschland denn auch im Vergleich mit den benachbarten europäischen Rechtsordnungen ziemlich alleine da“, erklärt Bernd Drumann. „Andere Länder wie die Schweiz, Spanien, Italien, Frankreich und Österreich, haben längst erkannt, dass es nicht sein kann, dass hier die Gläubigerinteressen derart eklatant außer Acht gelassen werden. Sicherlich kann es nicht sein“, räumt Drumann ein, „dass ein Schuldner gezwungen wird, gegen seinen Willen eine Erbschaft anzunehmen, wenn etwa die Beziehung zum Erblasser zu Lebzeiten angespannt war oder der Nachlass gar überschuldet war. Doch es ist m. E. an der Zeit, dass eine geänderte Gesetzeslage geschaffen wird. Mit Ausnahme von Österreich, wo das persönliche Interesse des Schuldners, nicht gegen seinen Willen Erbe zu werden, außer Acht gelassen wird, werden die Regelungen der übrigen o. g. europäischen Länder sowohl Schuldnern als auch den Gläubigern gerecht. Hier verbleibt das Recht der Erbausschlagung ebenfalls beim Schuldner, allerdings haben die Gläubiger das Recht, die Erbausschlagung anzufechten, mit der Folge, dass zwar nicht der Schuldner Erbe wird, aber die Erbmasse den Gläubigern zu Gute kommt. Ein Modell, das ich mir auch für Deutschland durchaus vorstellen könnte“, so der Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH abschließend.
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