17.07.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bain and Company Germany, Inc..
Luxusbranche sollte sich den wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen stellen und auf neue Technologien setzen. Die Luxusgüterindustrie hat sich zuletzt in glänzender Verfassung präsentiert. Nach dem Höchstwert von 345 Milliarden Euro im Jahr 2022 – gegenüber den 290 Milliarden Euro 2021 ein Plus von rund 19 Prozent – wächst der weltweite Markt für persönliche Luxusgüter solide weiter. In den ersten drei Monaten 2023 dürfte der Umsatz der Edelmarken mit hochwertiger Kleidung, Schuhen, Lederwaren, Parfüm und Schmuck trotz aller wirtschaftlichen Risiken und der geopolitischen Instabilität im Vergleich zum Vorjahresquartal um bis zu 11 Prozent zugenommen haben. Für das Gesamtjahr 2023 wird das Plus je nach Konjunkturentwicklung voraussichtlich zwischen 5 und 12 Prozent betragen. Zu diesem Ergebnis kommen die internationale Unternehmensberatung Bain & Company und der italienische Luxusgüterverband Fondazione Altagamma im aktuellen Frühjahrsupdate ihrer „Luxury Goods Worldwide Market Study“.
Auch für die kommenden Jahre stehen die Zeichen auf Wachstum. Laut Studie könnte das weltweite Marktvolumen bis 2030 auf bis zu 570 Milliarden Euro steigen, was gemessen an den 220 Milliarden Euro des Jahres 2020 weit mehr als eine Verdopplung bedeuten würde. „Die Luxusgüterindustrie tritt in eine neue post-pandemische Wachstumsphase ein, in der Anpassungsfähigkeit und Resilienz entscheidend sein werden“, erklärt Bain-Partnerin und Branchenexpertin Marie-Therese Marek. „Erfolgreiche Marken fokussieren sich holistisch auf ihre Kundschaft, managen ihre regionale Ausrichtung und offerieren ein hochwertiges Angebot mit entsprechendem Clienteling und Erlebnischarakter. Zudem setzen sie gezielt auf ausgewählte ikonische und zeitlose Produkte.“
Allerdings sind die Aussichten für die Branche von Region zu Region unterschiedlich. Europa hat ein starkes erstes Quartal 2023 verzeichnet, was vor allem an der anhaltenden Kauffreude der besonders Wohlhabenden lag. Und dass der internationale Tourismus nach dem weltweiten Ende der Corona-Restriktionen zurückgekehrt ist, hat das Luxusgeschäft zusätzlich belebt. „Nichtsdestotrotz könnte Europa schon bald einen ‚Moment der Wahrheit‘ erleben“, warnt Marek. „Die Zahl der Reisenden aus den USA und dem Mittleren Osten könnte in den kommenden Monaten zurückgehen, sodass eine Abschwächung der Dynamik im Bereich des Möglichen ist.“ Dafür aber fänden sich wieder mehr Touristen aus China und Fernost ein.
Die Öffnung Chinas nach dem Ende der Pandemie hatte dort bereits zum Neujahrsfest 2023 einen Boom ausgelöst. Etliche Marken werden dieses Jahr im chinesischen Inland wieder ihr Umsatzniveau von 2021 erreichen. Noch stärker profitieren indes die Luxuslabels in Macau oder Hongkong von der Reisefreude und Ausgabelust der chinesischen Kundschaft.
Getrübt ist die Kaufbereitschaft der US-amerikanischen Bevölkerung. Dies liegt nicht nur an der wirtschaftlichen Unsicherheit, sondern auch am Auslaufen der staatlichen Corona-Unterstützungsmaßnahmen. Obwohl die US-Amerikanerinnen und -Amerikaner über Ersparnisse von insgesamt rund 900 Milliarden Euro verfügen, halten sie sich gerade beim Shoppen zurück. Wird Geld für hochwertige Markenware ausgegeben, dann entweder auf Reisen oder zu besonderen Anlässen. Gleichwohl gibt es Veränderungen auf der US-Luxuslandkarte. New York und Kalifornien kehren zu alter Stärke zurück, sprich sind wieder Einkaufshochburgen, und Urlaubsziele wie Hawaii und Las Vegas erholen sich allmählich, liegen aber noch unter ihren Spitzenwerten von 2019.
Die aktuelle Studie zeige zudem über alle Kategorien hinweg ein „Streben nach Höherem“, das von ikonischen und ultra-luxuriösen Produkten getrieben werde, konstatiert Branchenkennerin Marek. „Die Kundschaft setzt inzwischen gezielt auf weniger, aber in ihren Augen umso exklusivere Käufe.“
Diese Entwicklung geht vor allem zurück auf das Top-Kundensegment, dem auch viele besonders Vermögende angehören. Im Jahr 2022 stand dieses Segment für schätzungsweise etwa 2 Prozent aller Luxuskundinnen und -kunden und insgesamt rund 40 Prozent der Umsätze. Diese Konzentration hat in den letzten Jahren sogar leicht zugenommen.
Allen Wachstumsperspektiven zum Trotz: Ausruhen können sich die Luxushersteller auf ihren traditionellen Stärken wie Individualität oder Exklusivität nicht. Auch sie sind gefordert, sich verstärkt mit Nachhaltigkeit beziehungsweise den ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) auseinanderzusetzen und ihnen Rechnung zu tragen. So will die EU beispielsweise durch strengere Vorgaben für mehr Kreislaufwirtschaft in der Bekleidungsindustrie sorgen. „Das erwartete Geschäftswachstum vom Emissionsanstieg zu entkoppeln, muss für jede Luxusmarke in den nächsten drei Jahren Priorität haben und ist zugleich eine der größten Herausforderung“, betont Bain-Partnerin Marek.
Profitieren könnten die Luxushersteller vom rasanten Fortschritt auf dem Gebiet der generativen künstlichen Intelligenz (KI). Anwendungsbeispiele reichen von der Entwicklung neuer Produktdesigns über die Gestaltung von Werbekampagnen bis hin zur Unterstützung des Vertriebs. „Wer zu den Gewinnern der Zukunft gehören will, muss jetzt Pilotprojekte im Bereich KI starten“, konstatiert Marek. „Nur so wird es den Unternehmen gelingen, die damit verbundenen Vorteile und Effizienzpotenziale zu nutzen. Und nur so ist es möglich, sich einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern.“
Bild: Sebastian Pichard (Pexels, Pexels Lizenz)
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