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Urheberrecht, Fotos und Vertragsstrafen

14.08.2020  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Das OLG Frankfurt hat die Klage eines Berufsfotografen abgewiesen, der Vertragsstrafen für angeblich auch nach Abgabe der Unterlassungserklärung weiter abrufbare Fotos einklagte. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN erläutert, warum dieses Urteil wichtig für die Praxis ist und künftig hohe Vertragsstrafen für vergessene Fotos ersparen kann.

Es ging um 3.000 Euro plus Abmahnkosten von knapp über 1.000 Euro. Wie es häufig passiert, waren Fotos ohne Genehmigung verwendet worden. Konkret fanden sie Verwendung in eBay-Kleinanzeigen. Drei von einem Berufsfotografen erstellte Lichtbilder waren zur Bewerbung von zwei Angeboten auf der Plattform eBay-Kleinanzeigen verwendet worden Es gab eine Abmahnung und eine Unterlassungserklärung und ein Schreiben an eBay mit der Bitte um Löschung der Fotos. Das Ganze passierte im Jahr 2013.

Bilder noch unter 70stelliger URL abrufbar

Der Fotograf monierte dann, die Bilder seien immer noch abrufbar. Er verlangte Vertragsstrafen von jeweils 1.000 Euro und Unterlassung wegen der fortbestehenden öffentlichen Zugänglichmachung der Fotos. Der Beklagte habe nicht das ihm Mögliche und Zumutbare unternommen, um auf die Löschung hinzuwirken. Tatsächlich habe er nach der Abgabe der Unterlassungserklärung im April erstmals im August 2013 bei eBay nachgefragt, ob das Bild noch abrufbar sei. Der Beklagte habe vor Abgabe der Unterlassungserklärung dafür Sorge tragen müssen, dass auf eBay eingewirkt werde.

LG und OLG Frankfurt (Urt. v. 16.06.2020, Az. 11 U 46/19 – nicht rechtskräftig) ließen den Kläger abblitzen. Den Richtern reichte es nicht aus, dass die Fotos zwar im Internet abrufbar waren, man dafür aber die Kenntnis der URL benötigt hätte. Es handelte sich um eine ca. 70-stellige Zeichenfolge der Adresse. Die Bilder waren offenbar ansonsten nicht verlinkt. Damit konnten nur Personen zugreifen, die sich diese Adresse bei der ersten Veröffentlichung „gemerkt“ hatten oder an die diese Adresse weitergegeben worden war. Damit sei ein Foto nicht „öffentlich zugänglich“ gemacht. Die Richter gingen davon aus, dass es sich allenfalls um einen kleinen Personenkreis habe handeln könne.

Öffentlichkeit verlangt größere Anzahl von Personen

Das OLG Urteil berief sich für seine für die Praxis neue und interessante Ansicht auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und verlangte für das Merkmal der Öffentlichkeit „recht viele Personen“:

Entscheidend für die vorliegende Fallgestaltung ist, dass jedenfalls das Merkmal der „Öffentlichkeit“ nach dem klägerischen Vortrag nicht erfüllt wird. Denn dies setzt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht nur eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten - im Unterschied zu einer privaten Gruppe - voraus, sondern auch „recht viele Personen“ (EuGH, Urteil vom 31.5.2016, C-117/15 - Reha Training, Rndr. 41ff.; Urteil vom 15.3.2012, C-135/10 - SCF, Rdnr. 84). Der Begriff „öffentlich“ beinhaltet eine bestimmte Mindestschwelle und schließt eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen aus (EuGH, Urteil vom 26.4.2017; C-527/15, Stichting Brein, Rdnr. 44).

Auch der BGH habe mittlerweile im Anschluss an diese neuere Rechtsprechung des EuGH klargestellt, dass der Begriff der „Öffentlichkeit“ nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt sei (Urteil vom 11.1.2018, I ZR 85/17 - Krankenhausradio, Rdnr. 33 ff; Urteil vom 17.9.2015, I ZR 228/14 - Ramses, Rdnr. 45, 47).

Kammergericht Berlin reicht abstrakte Abrufmöglichkeit

Demgegenüber hatte das Kammergericht Berlin (Urteil vom 29.7.2019, 24 U 143/18) die Sache noch komplett anders gesehen und ausgeführt:

„Ein Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG liegt nämlich auch dann vor, wenn der Inhalt nur über die Direkteingabe der Ziel-URL zugänglich ist. Denn die abstrakte Möglichkeit des Abrufs genügt, ohne dass es auf die Wahrscheinlichkeit der Realisierung ankommt“.

Allerdings hatte man dort wohl das Urteil des EuGH übersehen, jedenfalls aber nicht behandelt. Hinweise des Klägers, über eine Suchmaschine wie Google hätte man die Bilder finden können, blieben ohne Beweis und waren in der Berufungsinstanz aus Sicht des OLG zu spät auf dem Tisch.

Verletzer treffen Beseitigungspflichten

Generell ist ein Verletzer verpflichtet zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, um die Verletzung zu beseitigen. Das wird oft bei der Abgabe von Unterlassungserklärungen übersehen. Die OLG Richter dazu im Urteil:

Zwar ist die Unterlassungserklärung vom 23.4.2013, worauf der Kläger zurecht hinweist, nach den Grundsätzen der Entscheidung des BGH vom 18.9.2014, I ZR 76/13 - CT-Paradies dahingehend auszulegen, dass der Beklagte nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes schuldete (aaO. Rdnr. 63). Besteht die Verletzungshandlung - wie vorliegend - in der Öffentlich-Zugänglichmachung von Lichtbildern, kann daher grundsätzlich auch verlangt werden, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die bereits in das Internet eingestellten Lichtbilder dort nicht mehr öffentlich zugänglich sind (BGH aaO Rdnr. 67).

Hierzu hätte eine Nachfrage bei eBay Monate später wohl auch aus Sicht der Richter nicht ausgereicht. eBay hatte mitgeteilt, dass gelöschte Bilder noch 50 Tage im System verblieben und die Anzeige nicht mehr abrufbar sei. Tatsächlich konnte man aber jedenfalls nach dem Vortrag des Berufsfotografen offenbar über die URL die Bilder noch abrufen. Das Gericht lies dies offen, denn es fehlte eben aus Sicht des OLG Frankfurt an einem öffentlichen Zugänglichmachen, weil jedenfalls das Merkmal der „Öffentlichkeit“ nicht erfüllt worden sei.

Fazit

Das Urteil ist ein wichtiger Meilenstein für die Praxis, wenn es denn Bestand behält. Die Revision wurde zugelassen. Es eröffnet neue Verteidigungsmöglichkeiten bei den sehr häufigen Bildnutzungsfällen. Generell dürfen Sie bei Abgabe einer Unterlassungserklärung niemals übersehen, dass die Verletzung abgestellt sein muss oder zumindest wesentliche Schritte hierzu eingeleitet sein müssen. Am besten klären Sie mit dem Unterlassungsgläubiger vor Abgabe der Unterlassungserklärung ab, ob die Schritte ausreichen. Auch wird gerne übersehen, dass sich im Google-Cache noch Bilder befinden können. Doch auch hierzu zeichnet sich eine neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab, die jedenfalls in bestimmten Konstellationen keine Beseitigungspflichten mehr sieht. Lassen Sie sich bei Abmahnungen zu den Bildfällen beraten. Stellen Sie Waffengleichheit mit Profi-Abmahnern her, denn allzu häufig werden Unterlassungserklärungen erst nach Abgabe richtig teuer.

Bild: AA+W (Adobe Stock, Adobe Stock Standardlizenz)

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