22.06.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V..
Die Klägerin, eine transsexuelle Frau, hatte sich bei einem Leiharbeitsunternehmen auf eine offene Stelle eines Entleihers als Kommissioniererin für Designerschmuck beworben. Die Transsexualität der Klägerin war bis dahin niemanden bekannt. Der Klägerin wurde die Einstellung in Aussicht gestellt. Sie sollte sich jedoch vorher noch mit dem Logistikleiter des Entleihbetriebes treffen. Dieser habe die Klägerin bei dem Treffen zunächst erst wortlos angeschaut und dann zweimal gesagt, dass der Verleiher doch eine Frau schicken wollte.
Die Klägerin habe darauf hingewiesen, dass sie eine Frau sei. Der Logistikleiter habe danach hinter der Tür nachgeschaut und so getan, als suche er eine Frau. Nur nach einigem Zögern sei er mit ihr in das Lager gegangen. Die dort für die ausgeschriebene Stelle anfallenden Arbeiten seien ihr nicht erläutert worden. Auf mehrfache Nachfrage, wann am folgenden Montag Arbeitsbeginn sei, habe der Logistikleiter keine Angaben gemacht.
Die Stelle wurde dann mit einer anderen Person besetzt.
Die Klägerin macht einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend. In den ersten beiden Instanzen unterlag sie. Dabei wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurück, dass die Transsexualität der Klägerin nicht bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe auch nicht behauptet, dass dem Logistikleiter ihre Transsexualität im Zeitpunkt der Benachteiligung positiv bekannt, für ihn offensichtlich gewesen sei oder von diesem angenommen worden wäre. Sie sei deshalb nicht „wegen“ der Transsexualität abgelehnt worden.
Das BAG hob diese Entscheidung auf.
Als transsexuelle Personen würden Menschen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, dem sie aufgrund ihrer äußerlichen körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt zugeordnet wurden, nicht (mehr) zugehörig fühlen, sondern sich mit dem „Gegengeschlecht“ identifizieren. Eine Person, die sich durch eine Benachteiligung wegen der Transsexualität für beschwert halte, genüge ihrer Darlegungslast gemäß § 22 AGG bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie als eine solche Person wahrgenommen und deshalb benachteiligt wurde. In einem solchen Fall sei die Vermutung begründet, dass der Benachteiligende die Transsexualität angenommen hat und diese Annahme mitursächlich für seine Entscheidung war.
Diese Voraussetzungen hat das BAG als erfüllt angesehen.
Das LAG habe den wesentlichen Tatsachenvortrag zum Verlauf des Treffens mit dem Logistikleiter überhaupt nicht gewürdigt. Die Klägerin habe mit ihrer Darstellung des Treffens ausreichende Indizien vorgetragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt wurde. Auf die konkrete Kenntnis des Logistikleiters kam es nicht an.
Es sei nun Sache der Beklagten, Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.
Das BAG hat die Sache zurückverwiesen an das LAG. Es soll den Parteien Gelegenheit geben, weiter zu dem äußeren Erscheinungsbild der Klägerin beim Vorstellungsgespräch vorzutragen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17. Dezember 2015, Az.: 8 AZR 421/14)
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