13.09.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA).
Die Immobilienwirtschaft drückt bei der Digitalisierung wieder aufs Tempo. Dabei lassen sich viele Unternehmen die digitale Transformation buchstäblich einiges kosten. Dennoch bleibt die Datenqualität aus Sicht vieler Marktteilnehmer unzufriedenstellend. Dies sind Kernergebnisse der siebten Digitalisierungsstudie, die der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, und EY Real Estate heute vorgestellt haben. Für die Studie wurden über 250 Immobilienexpertinnen und -experten befragt.
Mit 55 Prozent verortet mehr als die Hälfte der Befragten ihr Unternehmen mittlerweile in einer der fortgeschrittenen Phasen der Digitalisierung: 47 Prozent in der Etablierungsphase, acht Prozent in der Reifephase der digitalen Exzellenz. Im vorigen Jahr sahen sich 49 Prozent der Befragten in diesen Reifegraden. Die Anzahl der Unternehmen, die mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes in die Transformation investieren, hat sich seit dem Vorjahr mehr als verdreifacht – von drei auf nun zehn Prozent. Zugleich zeigt sich, dass unzureichende Datenqualität und weiter herrschende Datenintransparenz von über zwei Drittel der Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer (67 Prozent) als Manko wahrgenommen werden. 2021 reklamierten 65 Prozent hier Defizite.
„Die Digitalisierungsstudie zeigt: Dieses Schlüsselthema der Transformation ist auf breiter Front in der Immobilienwirtschaft angekommen. Digitalisierung hat für die Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer buchstäblich einen hohen Wert. Umso schmerzhafter ist es da, dass sie Mängel bei der Datenqualität und der Datentransparenz als Fortschrittsbremse erleben“, kommentiert Aygül Özkan, stellvertretende ZIA-Hauptgeschäftsführerin, die Ergebnisse. Auch die Branche selbst müsse hier „unbedingt am Ball bleiben“, so Özkan. Ein Teil der Probleme resultiere aus mangelnder politischer Bewegung. „Manche Hürden, die echter Vernetzung im Wege stehen, sind geradezu chronisch. Deshalb ist es entscheidend, dass den vielversprechenden Zusagen der Bundesregierung in der neuen Digitalstrategie jetzt ohne Verzögerung Taten folgen.“ Gestern hatte das Kabinett die überarbeitete Digitalstrategie auf den Weg gebracht. Zusage: Es werde bis 2025 „ein moderner Rechtsrahmen für die erfolgreiche Entwicklung der Datenökonomie und die verbesserte Nutzung von Daten durch vernetzte Datenräume“ geschaffen.
„Mit Blick auf die Immobilienbranche zeigt sich, dass zuletzt viele Akteurinnen und Akteure ihre Selbstwahrnehmung kritisch überprüfen mussten, denn mit dem Voranschreiten der Digitalisierung werden auch Defizite offensichtlicher. Die Branche scheint sich allerdings gefangen und die Weichen neu gestellt zu haben“, ergänzt Dr. Alexander Hellmuth, Partner bei EY Real Estate und Autor der Studie. „In den Fokus rücken dabei richtigerweise Herausforderungen interner Natur – von Datenstruktur über Datenqualität bis hin zur Modernisierung veralteter Software.“
Die Immobilienwirtschaft leidet – nach Einschätzung von 94 Prozent der Befragten – unter einer hohen Zahl an Datensilos. Die Bereitschaft zum Datenteilen mit anderen Akteurinnen und Akteuren ist groß – zum Beispiel mit Kunden (Zustimmung 82 Prozent), mit Versorgern (80 Prozent), Technologieanbietern (79 Prozent) und der öffentlichen Hand (75 Prozent). Zugleich zeigt sich in der Gesamtschau, dass es insbesondere in einem Feld vielfach Vorbehalte gibt: Fast zwei Drittel (64 Prozent) möchten ihre Daten nicht mit Wettbewerben teilen. „Hier muss es uns gelingen, durch sorgsamen Schutz individueller Geschäftsinteressen, den großen Mehrwert des Datenteilens besser auszuschöpfen“, erklärt Aygül Özkan. „Dann kann die Digitalisierung verstärkt zu einer großen Win-Win-Chance für die gesamte Branche werden.“
Mit zunehmender Digitalisierung wachsen potenziell auch die Gefahren durch Cyberangriffe. Mittlerweile nehmen 57 Prozent der Unternehmen einen Anstieg von Cyberangriffen wahr. Zugleich fühlen sich Unternehmen der Immobilienwirtschaft hier größtenteils gut gewappnet (82 Prozent). 93 Prozent der Unternehmen verstehen dabei Cybersecurity als Teil ihrer Digitalstrategie.
Schwerpunktthema der diesjährigen Digitalisierungsstudie ist das digitale Quartier. Eine überwältigende Mehrheit (über 92 Prozent) der Befragten erwartet vom digitalen Quartier Antworten auf aktuelle Schlüsselaufgaben wie lebenswerte Innenstädte, Klimaschutz und Mobilitätswende (92 Prozent). Smart Metering, E-Mobilität und das digitale Mieterportal gelten dabei als wichtige Instrumente. Eine deutliche Divergenz zeigt sich hier zwischen den ausgemachten Chancen des digitalen Quartiers und der Investitionsbereitschaft: 80 Prozent attestieren eine zu geringe Investitionsbereitschaft. Auch eine lückenhafte IT-Infrastruktur (79 Prozent) und zu gering ausgeprägte Kooperationsbereitschaft zwischen verschiedenen Anbietern im digitalen Quartier (73 Prozent) werden als wichtige Herausforderungen ausgemacht.
„Während die Zustimmungswerte zum digitalen Quartier sehr hoch sind, insbesondere zu einzelnen Funktionalitäten, hapert es auch hier noch an der Bereitschaft, Daten zu teilen“, sagt Hellmuth. Gerade durch die daraus erwachsende Vernetzung könnten digitale Quartiere überhaupt erst ihr Potenzial entfalten.
„Es gibt keine Alternative zum digitalen Quartier. Unsere Branche muss der Gesellschaft folgen und einen Takt vorgeben“, betont Martin Rodeck, Vorsitzender des Innovation Think Tank beim ZIA. „Das Quartiersdenken ist tief in unserer DNA verankert.“ Wenn ein Quartier Möglichkeiten zum Wohnen, Arbeiten und Versorgen biete, bedeute das auch besonderen Anreiz für Mieterinnen und Mieter. „Wir stehen bei der Schaffung intelligenter Quartiere noch ganz am Anfang. Viele Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer machen sich erst einmal damit vertraut“, kommentiert Özkan die Studienergebnisse zum digitalen Quartier. „Die Stadt der kurzen Wege ist ökologisch wie sozial ein Fortschritts-Booster. Der ZIA wird in der Mitgliedschaft und in der Politik verstärkt für intelligente digitale Quartierslösungen werben.“ Der Mehrwert für die Branche und die gesamte Gesellschaft sei offenkundig.
Hintergrund: Die Ergebnisse der in diesem Jahr bereits zum siebten Mal vorgelegten Studie beruhen auf einer Umfrage, an der im Frühjahr etwa 250 Beschäftigte privatwirtschaftlicher und öffentlicher Unternehmen teilgenommen haben. Die Befragten bilden die gesamte Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft ab.
Bild: energepic.com (Pexels, Pexels Lizenz)
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