14.02.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst und Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Wohnen und Wirtschaften wird in Deutschland immer teurer, denn die deutschen Kommunen drehen weiter kräftig an der Steuerschraube: In den vergangenen fünf Jahren haben 53 Prozent der deutschen Städte und Gemeinden mindestens einmal die Gewerbesteuer erhöht, die Grundsteuer B, die von Haus- und Wohnungseigentümern und auch von Mietern zu zahlen ist, wurde sogar von 61 Prozent der Kommunen erhöht – jeweils nur ein Prozent der Kommunen hat im gleichen Zeitraum die Steuern gesenkt.
Allein im ersten Halbjahr 2016 haben 14 Prozent der Kommunen die Grundsteuer heraufgesetzt, bei zwölf Prozent stieg der Hebesatz zur Gewerbesteuer. Dabei gibt es regional erheblich Unterschiede: So erhöhte im ersten Halbjahr 2016 fast jede zweite NRW-Kommune (47 Prozent) die Grundsteuer, im Saarland lag der Anteil sogar bei 67 Prozent. In Hessen schraubten immerhin noch 29 Prozent der Städte und Gemeinden die Grundsteuer nach oben. Deutlich weniger Erhöhungen haben es hingegen in Thüringen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt: In diesen Ländern erhöhte weniger als jede zehnte Kommune den Grundsteuer-Hebesatz.
Bundesweit stieg der durchschnittliche (ungewichtete) Grundsteuerhebesatz im vergangenen Jahr um fünf Punkte auf 370 Prozent. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag er bei 320 Prozent, um seitdem kontinuierlich zu steigen.
Eigentümer wie auch Mieter müssen in Nordrhein-Westfalen mit Abstand am meisten zahlen: Dort liegt der durchschnittliche Grundsteuerhebesatz bei 520 – ein Anstieg um 25 Punkte im Vergleich zu 2015. Am wenigsten verlangen die Kommunen in Schleswig-Holstein (319), Bayern (344) und Baden-Württemberg (350) von Haus- und Wohnungseigentümern bzw. Mietern.
Seit dem Jahr 2005 hat sich der Anteil der Kommunen mit einem hohen bis sehr hohen Grundsteuerhebesatz (von 350 und mehr) von 20 auf aktuell 70 Prozent mehr als verdreifacht. Gleichzeitig ging der Anteil der Städte und Gemeinden mit einem niedrigen Grundsteuerhebesatz (von unter 300) von 21 auf sechs Prozent zurück.
Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zur Entwicklung der Grundsteuer-B- und Gewerbesteuerhebesätze aller deutschen Kommunen in den Jahren 2005 bis 2016.
Während die Mehrheit der deutschen Kommunen in den vergangenen Jahren die sogenannten Realsteuern anhob, waren Steuersenkungen die absolute Ausnahme: Gerade einmal 0,2 Prozent der deutschen Kommunen haben im vergangenen Jahr die Grundsteuer gesenkt; die Gewerbesteuer sank nur bei einer von 100 Kommunen. In absoluten Zahlen: Während im vergangenen Jahr gerade einmal 24 Kommunen die Grundsteuer gesenkt haben, kam es in 1.570 Kommunen zu einer Erhöhung dieser kommunalen Steuer.
„Wir erleben eine Welle von Steuererhöhungen, vor allem in Ländern mit einer großen Zahl finanzschwacher Kommunen“, beobachtet Bernhard Lorentz, Leiter des Bereichs Government & Public Sector für Deutschland, die Schweiz und Österreich. Die Analyse belegt den Zusammenhang zwischen hoher Verschuldung und Steuererhöhungen: So liegen die Kommunen im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen bei der pro-Kopf-Verschuldung bundesweit an der Spitze. In diesen vier Ländern wurden in den vergangenen fünf Jahren auch die mit Abstand meisten Erhöhungen der Grundsteuer gezählt: Jeweils mehr als neun von zehn Kommunen schraubten in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal die Grundsteuer nach oben – in Bayern und Baden-Württemberg hingegen nur 24 bzw. 29 Prozent.
„Kommunen, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, haben ihre Angebote bereits auf das gesetzliche Minimum reduziert – da bleiben vielfach nur noch Steuererhöhungen, um den strukturellen Defiziten entgegenzuwirken“, stellt Lorentz fest. Zudem erhalten notleidende Kommunen dringend benötigte Landeszuschüsse – etwa im Rahmen kommunaler Schutzschirme – nur unter der Bedingung, die Einnahmesituation zu verbessern, sprich: die Steuern zu erhöhen.
Die Kehrseite der Medaille: Reiche und arme Kommunen driften in punkto Attraktivität weiter auseinander. „Kurzfristig führen höhere Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze zwar zu einem Einnahmeplus. Auf lange Sicht könnten sich solche Maßnahmen aber als Bumerang erweisen: Die Gemeinde verliert an Attraktivität, Unternehmen könnten abwandern, Neuansiedlungen von Unternehmen werden unwahrscheinlicher.“
Derweil profitieren die finanzstarken Kommunen, die Unternehmen und Bürger mit niedrigen Steuersätzen locken können: „Die Zwei-Klassen-Gesellschaft ist längst Realität: Dank der guten konjunkturellen Lage und steigender Steuereinnahmen können die wirtschaftsstarken Städte in ihre Infrastruktur investieren und dabei noch Schulden abbauen – ganz ohne Steuererhöhungen. Die hoch verschuldeten Städte in wirtschaftsschwachen Regionen müssen einen strikten Konsolidierungskurs fahren – worunter die Anziehungskraft für Unternehmen und Bürger leidet“, so Lorentz.
Auffallend ist zudem, dass die Gewerbesteuer weniger stark steigt als die Grundsteuer – im Durchschnitt seit 2010 um 21 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Die Grundsteuer ist im gleichen Zeitraum um 42 Prozentpunkte gestiegen. „Die Bürger können sich nicht wehren: Kein Eigenheimbesitzer verkauft sein Haus, kein Mieter zieht um, nurwegen einer höheren Grundsteuer“, so Lorentz. Betriebe hätten da andere Gestaltungsmöglichkeiten und seien mobiler.
Die Großstadt mit der höchsten Grundsteuer ist mit einem Hebesatz von 855 Prozent Duisburg. Noch höhere Hebesätze weisen vier nordrhein-westfälische Kommunen – Bergneustadt, Altena, Witten und Hattingen – auf sowie das rheinland-pfälzische Dierfeld und das hessische Nauheim, das mit 960 Prozent an der Spitze aller deutschen Kommunen liegt.
Keine Grundsteuer müssen die Bürger in insgesamt zehn deutschen Kommunen bezahlen, von denen sechs in Rheinland-Pfalz liegen, drei in Schleswig-Holstein und eine in Baden-Württemberg.
Die Grundsteuer B wird auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und trifft damit so gut wie alle Bürger, da diese entweder selbst Hausbesitzer sind oder an der Steuer über die Mietnebenkosten beteiligt werden. Sie brachte den deutschen Kommunen 2015 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – insgesamt 11,8 Milliarden Euro ein – 14 Prozent der Gesamteinnahmen. Im Vergleich zur Gewerbesteuer ist sie eine verlässlichere Einnahmequelle für die Kommunen, da sie keinen konjunkturellen Schwankungen unterliegt und eine breitere Erhebungsbasis hat.
Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden. 2015 spülte sie 34,9 Milliarden Euro in die Kassen der Kommunen – das waren 41 Prozent der Gesamteinnahmen der Kommunen.
Im Großstadtvergleich liegt abermals eine nordrhein-westfälische Stadt an der Spitze: In Oberhausen beträgt der Gewerbesteuer-Hebesatz 550 Prozent. Noch höhere Hebesätze wiesen zur Jahresmitte das rheinland-pfälzische Wettlingen (600 Prozent), Brokdorf in Schleswig-Holstein (750 Prozent) und Dierfeld (Rheinland-Pfalz, 900 Prozent) auf.
Auf der anderen Seite gibt es bundesweit immerhin elf Kommunen mit dem niedrigsten Hebesatz von 200 Prozent, von denen acht in Mecklenburg-Vorpommern und drei in Brandenburg liegen.
Bundesland | Hebesatz | |
Dierfeld | Rheinland-Pfalz | 900 |
Brokdorf | Schleswig-Holstein | 750 |
Wettlingen | Rheinland-Pfalz | 600 |
Heimbach | Nordrhein-Westfalen | 550 |
Oberhausen | Nordrhein-Westfalen | 550 |
Waldbröl | Nordrhein-Westfalen | 550 |
Bundesland | Hebesatz | |
Nauheim | Hessen | 960 |
Bergneustadt | Nordrhein-Westfalen | 959 |
Altena | Nordrhein-Westfalen | 910 |
Witten | Nordrhein-Westfalen | 910 |
Dierfeld | Rheinland-Pfalz | 900 |
Hattingen | Nordrhein-Westfalen | 875 |
Duisburg | Nordrhein-Westfalen | 855 |
Land | Hebesatz | Entwicklung in %-punkten |
||
2015 | 2016 | |||
Neckarsteinach Stadt | Hessen | 359 | 700 | 341 |
Hürtgenwald | NRW | 475 | 486 | 311 |
Witten | NRW | 690 | 910 | 220 |
Aldenhoven | NRW | 635 | 850 | 215 |
Hattingen | NRW | 660 | 875 | 215 |
Land | Hebesatz | Entwicklung in %-punkten |
||
2015 | 2016 | |||
Brokdorf | Schleswig-Holstein | 320 | 750* | 430 |
Spreewaldheide | Brandenburg | 200 | 305 | 105 |
Eldena | Mecklenburg-V. | 265 | 365 | 100 |
Kalkhorst | Mecklenburg-V. | 280 | 380 | 100 |
Zirzow | Mecklenburg-V. | 280 | 380 | 100 |
*zum 01.01.2017 auf 330% gesenkt
Download:
Entwicklung der kommunalen Realsteuern 2005 bis 2016 (PDF – 554 KB, 25 Seiten)