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Deutschlands Großstädte geraten immer tiefer in die Schuldenfalle

17.12.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst und Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Die deutsche Städtelandschaft entwickelt sich zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Angesichts immer noch steigender Steuereinnahmen kommen die wirtschaftsstarken Städte beim Schuldenabbau weiter voran, während ohnehin hoch verschuldete Städte immer tiefer in die Verschuldung geraten: So stieg die Zahl der deutschen Städte, die unter einer sehr hohen Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 4.000 Euro leiden, zwischen 2010 und 2012 von 14 auf 21.

Im gleichen Zeitraum stieg aber auch die Zahl der Großstädte mit einer geringen Pro-Kopf-Verschuldung von unter 1.000 Euro: von 15 auf 19.

Und während die große Mehrheit (83 Prozent) der gering verschuldeten Städte zwischen 2010 und 2012 ihre Schulden weiter reduzieren konnten, gelang dies nur 20 Prozent der stark verschuldeten Städte – die große Mehrheit kämpft hingegen mit steigenden Verbindlichkeiten. Im Schnitt stieg die Pro-Kopf-Verschuldung in der Gruppe der stark verschuldeten Städte um 12 Prozent auf 4.247 Euro. In der Vergleichsgruppe der Großstädte mit niedriger Verschuldung sank sie um 11 Prozent von 635 Euro auf 563 Euro.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die auf einer Analyse der Verschuldungssituation1 von Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern2 beruht.

Die relativ gute Konjunkturentwicklung in Deutsch­land mit stei­gen­den Steuer­ein­nah­men geht an der Mehr­heit der deut­schen Groß­städte vorüber, stellt Hans-Peter Busson, Part­ner bei EY und Lei­ter des Be­reichs Go­vern­ment & Public Sector für Deutsch­land, die Schweiz und Öster­reich, fest: „Städte in struktur­schwachen Re­gionen kön­nen vom Auf­schwung kaum profitieren. Die spru­delnden Steuer­einnahmen kommen vielmehr vor allem bei denen an, die ohnehin über eine solide Finanzlage ver­fügen.“

Diese ungleiche Verteilung der Einnahmen verstärke wiederum das Auseinanderdriften der Städte, so Busson: „Die wohlhabenden Städte können mit attraktiven Angeboten um Unternehmensansiedlungen und Zuzügler werben – und dafür auch Investitionen tätigen. Gleichzeitig wächst aber auch die Zahl finanzschwacher Städte, die ihre Leistungen immer weiter reduzieren müssen und so im Standortwettbewerb an Boden verlieren – die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer.“

Dem Schuldenkreislauf aus eigener Kraft zu entkommen, sei für viele finanzschwache Städte kaum möglich, so Busson: „In vielen Städten gibt es kaum noch freiwillige Leistungen, die gekürzt werden können.“ Und auch bei Gebührenerhöhungen gebe es Grenzen des Zumutbaren, so Busson. Eine nachhaltige finanzielle Sanierung der hoch verschuldeten Großstädte sei allein durch einen solchen Sparkurs kaum möglich – zu hoch sei der Schuldenberg, den sie vor sich her schieben. „Die hoch verschuldeten Städte benötigen Hilfe bei der Sanierung ihrer Finanzen – aus eigener Kraft können sie das kaum schaffen.“

Viele Städte de facto bankrott

Der Schuldenberg der deutschen Großstädte wuchs von 44,8 Milliarden Euro zum Jahresende 2010 auf 47,9 Milliarden Euro im Jahr 2012 – ein Anstieg um knapp 7 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Dabei konzentriert sich das Gros der Schulden auf einige besonders hoch verschuldete Städte: Bei 19 deutschen Städten lag die absolute Verschuldung Ende vergangenen Jahres über der Grenze von 1 Milliarde Euro – 2010 waren es nur 15 Städte. Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen: Die fünf Städte mit den – in absoluten Zahlen – höchsten Verbindlichkeiten liegen durchweg in Nordrhein-Westfalen: Essen, Köln, Duisburg, Dortmund und Oberhausen. Gemessen an der Pro-Kopf-Verschuldung liegen hingegen Oberhausen, Offenbach, Ludwigshafen, Hagen und Saarbrücken bundesweit an der Spitze.

„De facto sind viele deutsche Städte längst bankrott“, konstatiert Busson. „Und wir sind nach wie vor weit von einer nachhaltigen und strukturellen Lösung des kommunalen Schuldenproblems entfernt. Zumal die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse und auch die Regeln des EU-Fiskalpakts die Situation der Länder und der Kommunen noch verschärfen werden: Um diese Vorgaben einzuhalten, werden viele Bundesländer voraussichtlich ihre Zahlungen an die Kommunen reduzieren, was deren Finanznot dann noch verstärken wird.“

Hinzu komme, dass die aktuelle Niedrigzinsphase nicht ewig andauern werde, so Busson: „Dank niedriger Zinsen können die Kommunen ihre Schulden derzeit zwar bedienen. Wenn die Zinsen aber wieder steigen oder die Banken sich weiter aus dem Geschäft mit den Kommunen zurückziehen, drohen den Städten sehr schnell erhebliche Probleme, weil der große Teil der Schulden kurzfristige Liquiditätskredite sind. Diese Altschulden sind eine tickende Zeitbombe.“

Die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung wiesen zum Jahresende 2012 Dresden, Wolfsburg, Stuttgart, Heilbronn und Jena auf. Dresden und Wolfsburg waren sogar komplett schuldenfrei.

In den Städten im Osten Deutschlands ist die Situation insgesamt deutlich besser als im Westen: Von den neun ostdeutschen Großstädten konnten immerhin sieben ihre Verschuldung im Zeitraum 2010 bis 2012 senken oder bei Null halten. Im Westen der Republik hingegen wuchsen die Verbindlichkeiten bei der großen Mehrheit der Großstädte (42 von 63). Während allerdings in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen die meisten Städte nur gering verschuldet sind und ihre Verschuldung zudem reduzieren konnten, weisen die Städte in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen mehrheitlich eine steigende Verschuldung auf.

Kommunale Beteiligungen als mögliche Geldquelle

Eine Optimierung der Strukturen und Arbeitsabläufe in den Stadtverwaltungen bietet nach Bussons Einschätzung vielerorts noch Einsparpotenziale. Und derzeit noch bei weitem nicht ausgeschöpft seien insbesondere die Einsparmöglichkeiten beim Beteiligungsmanagement: „Die kommunalen Unternehmen könnten vielfach deutlich mehr Geld an die Rathäuser überweisen, wenn sie besser aufgestellt wären. Nach wie vor stehen bei vielen kommunalen Unternehmen – etwa Stadtwerke und Verkehrsbetriebe – die politischen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten für die Städte im Vordergrund. Auf wirtschaftliche Effizienz und damit größtmöglichen Ertrag für die Kommunen kommt es da vielfach weniger an.“

Ebenfalls vielfach nicht ausgeschöpft sei die Möglichkeit des Verkaufs kommunaler Beteiligungen und Besitzungen – auch weil solche Maßnahmen politisch oft nur schwer durchsetzbar seien. Dennoch betont Busson: „Auch der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, Grundstücken oder Immobilien zur Sanierung der städtischen Finanzen sollte kein Tabu sein. Solche Transaktionen können sogar obendrein noch wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung in der Kommune sein.“ Offenbar sei der Handlungsdruck aber noch nicht groß genug, so Busson: „Da eine deutsche Kommune nicht pleitegehen kann, schrecken die Städte vor radikalen Sanierungsmaßnahmen zurück.“

Große Koalition sagt Entlastung bei den Sozialausgaben zu

Nun ist zumindest bei den Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung Entlastung in Sicht. Nachdem bereits von der Vorgängerregierung beschlossen worden war, dass der Bund die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung übernimmt, haben Union und SPD sich nun in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, auch einen Teile der Kosten der Eingliederungshilfe bis zur Höhe von 5 Milliarden Euro zu übernehmen. Dies dürfte zwar eine zusätzliche spürbare Entlastung der Kommunen bringen – an der grundsätzlichen Finanzmisere der deutschen Großstädte wird sich allerdings nur wenig ändern, erwartet Busson.

1 Analysiert wurde der Schuldenstand aus Krediten und Wertpapieren sowie Kassenkrediten. Nicht in die Analyse eingeflossen sind die Schulden der Eigenbetriebe.
2 Laut Zensus 2011


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