11.01.2021 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: .
Bereits vor dem Krisenjahr 2020 standen Modehersteller und Modehandel in Deutschland erheblich unter Druck: Die Umsätze gingen zurück, die Konsolidierung in der Branche schritt voran. Die Corona-Pandemie hat die deutsche Bekleidungsindustrie nun zusätzlich schwer getroffen. Kurzfristige finanzwirtschaftliche und operative Maßnahmen wurden ergriffen, um Insolvenzen zu verhindern. Die Schließung der stationären Geschäfte im umsatzstarken Weihnachtsgeschäft bedeutet eine weitere, deutliche Verschärfung der Situation.
Auch in der Folge des zweiten Lockdowns werden erneut kurzfristige Maßnahmen zur Existenzsicherung getroffen werden müssen. Aus der Not muss nach Ende der COVID-19-Pandemie jedoch eine Tugend werden: Kurzfristige Maßnahmen müssen in mittel- und langfristige Transformationsprogramme übergeleitet werden. Unternehmen benötigen eine strategische Neuausrichtung, die aktuelle Trends wie Digitalisierung, aber auch Individualisierung und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit berücksichtigt. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland zu den Trends, Herausforderungen und Lösungsansätzen im deutschen Fashionmarkt.
COVID-19 hat die ohnehin angespannte Situation der Modebranche deutlich verschärft. Eine Erholung ist nur langsam zu erwarten. Die Pandemie wirkt aber auch als Beschleuniger für die dringend notwendige Transformation der Branche und als Katalysator für neue Geschäftsmodelle,
sagt Patrick Ziechmann, Partner bei PwC Deutschland und Experte für den Handel und die Konsumgüterindustrie.
Der internationale Markt für Bekleidung war bis 2019 von solidem Wachstum gekennzeichnet. Zwischen 2016 und 2023 kann die globale Bekleidungsindustrie Prognosen zufolge um durchschnittlich 3,7 Prozent pro Jahr zulegen. Diese Entwicklung hat die Branche in erster Linie der weltweit wachsenden Mittelschicht zu verdanken, die unbegrenzten Zugriff auf E-Commerce, Social Media und Kreditkarten hat.
In Deutschland entfielen 2019 immerhin rund fünf Prozent der privaten Konsumausgaben auf Mode und Schuhe. Damit gaben die Deutschen im vergangenen Jahr fünfmal mehr für Bekleidung aus als für Bildung. Vom Interesse der Deutschen an Mode profitierten in der Vergangenheit vor allem die Anbieter von Fast Fashion und Onlinehändler. Am globalen Wachstum konnte der deutsche Modehandel jedoch kaum partizipieren. 2019 sank der Umsatz der deutschen Bekleidungshersteller um 2,6 Prozent auf 6,8 Milliarden Euro, und auch der durchschnittliche Umsatz pro Kunde ist hierzulande seit Jahren rückläufig.
Entsprechend lassen sich bereits seit einigen Jahren Konsolidierungstendenzen in der deutschen Modebranche beobachten. Die Anzahl der Betriebe in der Bekleidungsbranche ist zwischen 2010 und 2019 um fast ein Drittel (31 Prozent) zurückgegangen. Die Konsolidierung der Modebranche vollzieht sich dabei vor allem bei kleineren Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten.
Wir beobachten, dass Marktteilnehmer ohne strategische Neuausrichtung verschwinden und für hohe Leerstände in deutschen Innenstädten sorgen. Nur wer die anspruchsvolle Kundschaft mit einem einzigartigen und nahtlosen Einkaufskonzept begeistert, kann bestehen,
so Stefan Schwertel, Director bei PwC Deutschland.
COVID-19 hat die strauchelnde Modebranche nun mit voller Wucht getroffen: Im Frühjahr 2020 musste der stationäre Handel im Rahmen des Lockdowns über Wochen schließen – und auch seit der Wiedereröffnung gelten zum Teil strenge Auflagen in den Geschäften, die den Umsatz ausbremsen. „Noch immer arbeiten viele Menschen im Homeoffice. Dadurch kaufen sie nicht nur seltener im stationären Einzelhandel ein, sondern benötigen auch weniger neue Business-Outfits. Und auch in der Freizeit gibt es deutlich weniger Anlässe, die Menschen dazu animieren, neue Kleidung zu shoppen“, sagt Patrick Ziechmann.
Im März und April 2020 ist der Umsatz im stationären Einzelhandel für Textil im Vergleich zum Vorjahr um 42 beziehungsweise 76 Prozent eingebrochen. Auch im Mai und Juni 2020, nach der Aufhebung des Lockdowns, lagen die Erlöse um 29 beziehungsweise 22 Prozent unter dem Vorjahr. Das Onlinegeschäft konnte nur einen Teil dieser Einbußen auffangen: „Die Konsumenten haben die Einschränkungen und Lieferengpässe im stationären Handel teilweise durch Einkäufe in Onlineshops substituiert. Vor allem etablierte Onlineplayer haben dabei profitiert“, resümiert Stefan Schwertel.
Um Arbeitsplätze zu sichern und sich vor der Insolvenz zu schützen, haben die Modehändler und Hersteller ganz unterschiedliche Maßnahmen ergriffen – von Filialschließungen und der Beantragung von Kurzarbeitergeld über Steuer- und Mietstundungen bis hin zur Nutzung öffentlicher Förderdarlehen. Einigen Unternehmen blieb keine andere Wahl, als sich in Schutzschirmverfahren zu retten.
„Diese Maßnahmen wirken jedoch nur kurzfristig. Auf lange Sicht braucht es eine strategische Neuausrichtung, die aktuelle Branchentrends berücksichtigt“, ist Patrick Ziechmann überzeugt. „Gewinner der Digitalisierung im stationären Einzelhandel sind innovative Händler, die es schaffen, eine inspirierende und zugleich reibungslose Customer Journey von der Ideensuche bis zur Kaufentscheidung aufzubauen.“
Neben einer Fokussierung auf die digitale Transformation sei es insbesondere wichtig, das Konsumverhalten der jungen Generation genau zu beobachten: Die Verbraucher unter 30 Jahren legen beispielsweise großen Wert darauf, das stationäre Einkaufserlebnis optimal mit dem mobilen Internet zu verknüpfen, und sie wollen sich mit personalisierten Produkten von der Masse abheben. Zudem erwartet die junge Generation, dass Modeunternehmen sich ihrer Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft stellen und auch zu sozialen und politischen Fragen Stellung zu beziehen.
Bild: oneinchpunch (Adobe Stock, Adobe Stock Standardlizenz)
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