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Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstand (Kommentar von Udo Cremer)

20.11.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer zeigt beispielhaft, wie eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstand zu bilden ist.

Die Kläger werden im Streitjahr 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als selbständiger Versicherungskaufmann für die A-Versicherung tätig. Folgeprovisionen sind nur für Sachversicherungen, nicht jedoch für Lebensversicherungen vertraglich vorgesehen worden. Die Anwendung der allgemeinen Vertragsbestimmungen für hauptberufliche Vertreter und der allgemeinen Provisionsbestimmungen war vereinbart. Ziff. 50 der allgemeinen Vertragsbestimmungen lautet:

"Um die bestehenden Versicherungen zu erhalten, pflegt der Vertreter im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Versicherungsnehmern, berät sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch. Ziel ist es dabei immer, dass der Kunde umfassend versichert ist und bleibt."

Mit der Nachbetreuung der Versicherungsverträge sind drei Mitarbeiter des Klägers betraut. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. Im Streitjahr 2005 erklärte er einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 126.281 €. Gewinnmindernd hatte er eine Rückstellung in Höhe von 284.609 € für die Kosten der Betreuung von Lebens- und Sachversicherungen gebildet. Je Wirtschaftsjahr und Vertrag setzte er einen Nachbetreuungsaufwand von zwei Stunden an. Das FA berücksichtigte die Rückstellung nicht und legte dem Einkommensteuerbescheid einen Gewinn in Höhe von 158.328 € zugrunde. Im Einspruchsverfahren berücksichtigte das FA eine Gewerbesteuerrückstellung und wies den Einspruch im Übrigen zurück.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH-Urteil vom 9.6.2015, X R 27/13). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger im Streitjahr 2005 keine Rückstellung bilden konnte, da er sich am Bilanzstichtag in keinem Erfüllungsrückstand befand. Er war der A-Versicherung gegenüber weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet, die von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge zu betreuen.

Nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist u.a. aber dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist.

Es entspricht gefestigter BFH-Rechtsprechung, dass eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu bilden ist, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält. Ein Erfüllungsrückstand setzt hiernach voraus, dass der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich verpflichtet ist. Leistungen, die ohne Rechtspflicht erbracht werden, sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant.

Nach diesen Grundsätzen ist das FG im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, dass eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand nicht gebildet werden kann. Der Kläger war weder gesetzlich noch vertraglich zur Nachbetreuung der von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge verpflichtet. Auch die Auffassung des FG, dass sich aus den mit Kunden geschlossenen einzelnen Versicherungsverträgen keine rechtliche Verpflichtung zur Nachbetreuung ergibt, verstößt weder gegen Auslegungsregeln noch gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Der Hinweis der Kläger, die A-Versicherung und der Kläger seien übereinstimmend von einer Rechtspflicht des Klägers zur Nachbetreuung ausgegangen und daran seien nach § 133 BGB sowohl das FA als auch die Gerichte gebunden, geht fehl. Zwar ist nach § 133 BGB bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. An die Auslegung von Willenserklärungen durch die Vertragsparteien sind aber weder Gerichte noch Finanzbehörden gebunden.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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