22.11.2011 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: PricewaterhouseCoopers AG.
Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz kommt möglicherweise bald erneut auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jüngst in einem Beschluss (5.10.2011, Az. II R 9/11) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesreform zum 1. Januar 2009 geäußert und das Bundesfinanzministerium zum Verfahrensbeitritt aufgefordert.
Im Kern bezweifelt der BFH, dass die privilegierte Behandlung unternehmerischer Vermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer (gemäß §§ 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG) mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes zu vereinbaren ist. Denn die im ErbStG an die Gemeinwohlbindung geknüpfte Steuererleichterung für unternehmerische Vermögen könne in der Praxis unterlaufen werden. So sei es durch die schlichte Überführung von Privatvermögen in eine gewerbliche Struktur (beispielsweise die Einbringung von Festgeldguthaben in eine Cash-GmbH) möglich, erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen zu schaffen. Dies sei aber nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen.
Der BFH hat das Bundesfinanzministerium zu einer Stellungsnahme aufgefordert. Das Gericht erwartet Auskunft darüber, ob und in wie weit die genannten Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis genutzt werden. Gleichzeitig teilte der BFH mit, dass er das Verfahren aussetzen und das Bundesverfassungsgericht anrufen werde, falls von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die geltende Steuerregelung auszugehen sei.
"Unserer Einschätzung nach ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht unwahrscheinlich. Der BFH steht den genannten Verschonungsregelungen bekanntlich schon länger kritisch gegenüber. Zudem geht es im laufenden Verfahren nicht um die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umwandlung von Privatvermögen. Das Gericht hat vielmehr den ersten Fall, in dem es einen Anknüpfungspunkt gesehen hat, zum Anlass genommen, seine verfassungsrechtlichen Bedenken am geltenden Erbschaftsteuergesetz zu formulieren", kommentiert Rechtsanwalt und Steuerberater Lothar Siemers.
Im Ergebnis halten die PwC-Experten es für denkbar, dass das Bundesverfassungsgericht das ErbStG wie bereits 2006 für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer Änderung verpflichtet. Bis zu einem Urteil dürften allerdings Jahre vergehen.
In der Schwebezeit sollten alle Erbfälle und Schenkungen seit dem 1. Januar 2009 offen gehalten und das Ruhen des steuerlichen Verfahrens beantragt werden. Das gilt auch für positive Steuerbescheide mit einer vollständigen oder teilweisen Befreiung des betrieblichen Vermögens. Denn das Risiko einer Nachversteuerung ist nicht auszuschließen. Noch anstehende Schenkungen sollten eine vertragliche Rückabwicklungsklausel enthalten, um auf Änderungen der Rechtslage reagieren zu können.
"In jedem Fall sollte mit geplanten Schenkungen oder einer Vermögensübertragung als vorweggenommener Erbfolge nicht mehr zu lange gewartet werden. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass neue Regelungen im Erbschaftsteuergesetz günstiger für die Steuerpflichtigen werden", betont Siemers.
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