24.10.2022 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Das Urteil ist schon deshalb interessant, weil es sich grundsätzlich auch auf andere Bewertungsportale übertragen lässt. Es ging um zahlreiche negative Bewertungen in einem Reiseportal, die ein Ferienparkbetreiber entfernen lassen wollte. Die Bewertungen werden unter dem vom Nutzer angegebenen Namen veröffentlicht und können Angaben enthalten zur Altersgruppe des Nutzers, zum Reisezeitraum, zur Reisedauer und dazu, ob die Reise allein, als Paar, mit Freunden oder als Familie und mit wie vielen Kindern durchgeführt wurde. Für bis zu zehn veröffentlichte deutschsprachige Hotelbewertungen pro Monat erhalten die Nutzer Flugmeilen als Prämie. Die Nutzungsrichtlinien der Beklagten sehen vor, dass eine Leistung nur bewertet werden darf, wenn sie auch in Anspruch genommen wurde.
Der Ferienparkbetreiber rügte letztlich nur, dass die Bewerter eben nicht gemäß diesen Richtlinien Gäste gewesen seien. Mit seiner Klage verlangte er von der Beklagten, es zu unterlassen, Bewertungen der Nutzer mit den Namen "Sandra", "Nadine", "M und S", "Elisabeth", "Sven", "Mari", "Karri", "Franzi", "Anja" und "Jana" zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 09. August 2022 - VI ZR 1244/20) ließ, wie auch das OLG zuvor, die bloße Rüge ausreichen. Der Portalbetreiber hafte zwar nicht als Störer für die Angaben. Das wäre nur der Fall, wenn die Äußerungen zuvor kontrolliert worden oder geprüft worden wären oder wenn sich der Betreiber diese zu eigen gemacht hätte.
„Von einem Zu-Eigen-Machen ist dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten.“
Allerdings sei der Portalbetreiber als sog. mittelbarer Störer in Haftung zu nehmen. Dafür reicht es zunächst aus, dass der Haftende in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Das kann eine Unterstützung sein oder ein Ausnutzen der Handlung, wenn die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung der rechtsbeeinträchtigenden Handlung besteht.
Damit die Haftung sich nicht über Gebühr auf letztlich Unbeteiligte erstreckt, müssen Verhaltenspflichten, in der Regel Prüfpflichten, verletzt worden sein. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbarer Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist. Das ist mittlerweile als gängige Rechtsprechung zu betrachten.
Zu den Prüfpflichten führten die Richter aus, ein Portalbetreiber müsse den gesamten Sachverhalt ermitteln:
„Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen - die richtig oder falsch sein kann - konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung (...) - bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (…).“
Der BGH hält ausdrücklich fest, dass dies nicht nur dann gilt, wenn etwa falsche Tatsachenbehauptungen in Rede stehen, sondern auch bei Werturteilen kann eine solche Prüfpflicht bestehen. Denn in einem Werturteil kann ein schlüssiger tatsächlicher Bestandteil liegen, auf dem Kritik aufbaut. Hier war dies der Umstand, dass nach den Bedingungen die Leistungen nur bewertet werden durften, wenn sie auch nur in Anspruch genommen worden waren.
Dem Kläger kam hier zugute, dass er eine bestimmte Größe hatte. Schon die Vorinstanz hatte darauf hingewiesen, dass bei einer bestimmten Größe häufig vorkommende Namen oder Pseudonyme einer Vielzahl von Gästen zugeordnet werden könnten, weshalb die Klägerin selbst zumutbar nicht in der Lage sei, einen nicht vorhandenen Gästekontakt konkreter darzulegen. Damit reichte die einfache Rüge, es haben keinen Gästekontakt gegeben, aus.
Der BGH konkretisierte jetzt sein Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast:
„Bei einem Bewertungsportal (hier: Hotelbewertungsportal) reicht die Rüge des Bewerteten, einer Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist der Bewertete gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (Klarstellung zu Senatsurteil vom 1. März 2016 - Vi ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 26). Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt. Im Übrigen gilt die Grenze des Rechtsmissbrauchs.“
Der Umstand, ob die Dienstleistung wirklich in Anspruch genommen wurde, wäre durch den Portalbetreiber leicht prüfbar gewesen. Die Rechtsprechung sieht bei den eigentlich erwünschten Bewertungsportalen eine solche reaktive Prüfpflicht (prüfen erst nach Beanstandung) als zumutbar an, zumal die Kritik rechtmäßig anonym oder pseudonym abgegeben werden kann. Der Portalbetreiber muss mit Beanstandungen rechnen und sich darauf einstellen und z.B. hier prüfen, ob die Dienstleistungen wirklich in Anspruch genommen wurden:
Der Hostprovider hat im Fall eines konkreten Hinweises auf einen auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer zu bejahenden Rechtsverstoß diese Beanstandung an den für den Inhalt Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191,219 Rn. 27).
Der BGH hat durch seine Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast noch weiter Klarheit in seine Rechtsprechung zu Bewertungsportalen gebracht. Gerade dann, wenn die Portale die Bewertungen davon abhängig machen, dass kritisierte Produkte und Dienstleistungen auch in Anspruch genommen bzw. gekauft wurden, reichen künftig einfache Rügen aus. Dann muss der Portalbetreiber nachfragen und sich ggf. Belege zeigen lassen.
Bild: Ezequiel_Octaviano (Pixabay, Pixabay License)
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