16.09.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Man hat sich schon fast an die Überschriften gewöhnt: Die gesamte Versicherungsbranche sieht immer größere Probleme auf sich zukommen, weil die von den Versicherungen versprochenen Garantiezinsen möglicherweise nicht erwirtschaftet werden können. Denn insbesondere die Europäische Zentralbank hält an ihrer Niedrigzinspolitik fest. Die Arbeitgeber sehen sich deshalb gezwungen, ihre Pensionsrückstellungen zu erhöhen. Während die Direktversicherungen jedenfalls kurz- und mittelfristig noch leistungsfähig erscheinen, beäugt die BaFin bereits kritisch viele Pensionskassen. Können die Pensionskassen oder Direktversicherungen am Ende die von ihnen geschuldeten Leistungen nicht erbringen, so haftet der Arbeitgeber für die Differenz, wie das BAG bereits an anderer Stelle festgestellt hat. Schlechte Nachrichten also nur für die Arbeitgeber, während die Arbeitnehmer keine Nachteile haben? Dies wäre ein Trugschluss, wie die neue BAG-Entscheidung zeigt.
Der beklagte Arbeitgeber hatte mit seinem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung abgeschlossen. Die Betriebsvereinbarung sah nicht die Zahlung einer lebenslänglichen Rente vor, sondern die Auszahlung eines Versorgungskapitals in 12 Raten über ebenso viele Jahre. Die Betriebsvereinbarung regelte zudem, dass das noch nicht ausgezahlte Pensionskapital bis zum Zeitpunkt der Auszahlung mit einem „marktüblichen Zinssatz“ zu verzinsen sei. Der Arbeitgeber entschied sich dazu, die Verzinsung an der Rendite von sogenannten Staatsnullcouponanleihen zur orientieren und verwendete deshalb einen Zinssatz in Höhe von 0,87 % p. a. Ein Arbeitnehmer, dessen Versorgungskapital insgesamt etwa EUR 360.000,00 betrug, verlangte eine Verzinsung in Höhe von 3,55 % p. a. und klagte auf entgangene Zinsen in Höhe von insgesamt rund EUR 11.000,00. Das BAG wies die Klage ab.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte als Vorinstanz noch einen Zinssatz in Höhe von 2,13 % als richtig angesehen. Dies ergebe sich durch Auslegung des Begriffs „marktüblicher Zinssatz“. Damit sei ein Zinssatz gemeint, der risikofrei sei. In der Regel würden die Renditen von Staatspapieren als risikoloser Zinssatz genutzt, sodass der Wert von 2,13 % anzuwenden sei, wie er für börsennotierte Bundeswertpapiere mit einer Umlaufzeit von 11 Jahren im Februar 2012 festgestanden habe. Diesen Lösungsansatz verwirft das BAG, indem es in den Begriff des „marktüblichen Zinssatzes“ ein einseitiges Bestimmungsrecht des Arbeitgebers hineinliest, § 315 BGB. Es sei, so das BAG, nicht unbillig, für die Verzinsung eines Versorgungskapitals darauf abzustellen, wie dieses sicher angelegt werden könne. Dem entspreche ein Zinssatz von 0,87 %.
Nur eine Minderheit von Versorgungsplänen sieht die ratenweise Auszahlung von Versorgungskapital vor. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die BAG-Entscheidung kein Massenphänomen. Gleichwohl lenkt sie den Fokus nochmals auf die Negativauswirkungen der Niedrigzinspolitik in der betrieblichen Altersversorgung. Zudem beweist sie – über das Betriebsrentenrecht hinaus – nochmals, dass die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen für die Vertragsparteien mit unangenehmen Folgen verbunden sein kann. Die Verwendung solcher Begriffe will also wohlüberlegt sein.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 30. August 2016 (3 AZR 272/15)
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