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Betriebsaufgabe (Ein Kommentar von Udo Cremer)

18.08.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Schlussbilanz und Aufgabebilanz im Fall der Betriebsaufgabe - Zeitpunkt des Beginns der Betriebsaufgabe eines Einzelunternehmens

Daneben hatte sich der Kläger gegenüber der Bank im Rahmen einer Höchstbetragsbürgschaft zugunsten der GmbH verpflichtet, für deren Kreditverbindlichkeiten bis zu einem Betrag von 600.000 DM einzustehen. Die GmbH wurde im Streitjahr 2003 zahlungsunfähig. Am 28.5.2003 kündigte die Bank deshalb die Darlehensverträge und stellte sie rückwirkend zum 31.3.2003 fällig. Die Bank nahm den Kläger am 11.6.2003 aus der Bürgschaft in Anspruch. Am 12.6.2003 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit der GmbH. Bis zum 1.7.2003 verkaufte er drei Autokräne. Den Grundbesitz übertrug der Kläger am 8.7.2003 auf die Klägerin - ausweislich des Übertragungsvertrags aufgrund der Betriebsauflösung seines Einzelunternehmens. Die Klägerin übernahm die in den Grundbüchern in Abt. III lfd. Nr. 6-8 eingetragenen Grundschulden, jedoch ohne die gesicherten Darlehensver-bindlichkeiten.

Eine Haftentlassung des Klägers für die in Abt. III unter lfd. Nr. 6 und Nr. 7 eingetragenen Grundpfandrechte war ausweislich des Vertrags zum Übertragungszeitpunkt nicht möglich und sollte daher auch nicht erfolgen. Der Notar belehrte den Kläger ausdrücklich in Nr. 4 dieses Vertrags, dass er daher trotz erfolgter Übertragung weiterhin persönlich für die Verbindlichkeiten hafte. Die Klägerin verpflichtete sich ebenfalls in Nr. 4 des Übertragungsvertrags, die Verwaltung des Grundbesitzes zu übernehmen, für dessen bestmögliche Nutzung zu sorgen und die Einnahmen aus dem Grundbesitz zur Deckung der Verbindlichkeiten aus den bestehenden Grundschulden einzusetzen. Im Fall der Veräußerung war der Erlös zur Abdeckung der bestehen-den Grundschulden zur Verfügung zu stellen. Ein Mindererlös sollte nicht zu ihren Lasten gehen. Die Höhe der abzuführenden Nettoeinnahmen sollte nach dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Bank als Grundschuldgläubigerin vereinbart werden. Sollte eine solche Vereinbarung nicht zustande kommen, beschränkt sich die Zahlungsverpflichtung der Klägerin auf die Beträge, die der Bank im Fall einer Zwangsverwaltung zustünden. Der Kläger meldete sein Einzelunternehmen am 30.7.2003 ab und erstellte am 13.7.2004 eine Aufgabebilanz auf den Tag der Gewerbeabmeldung. Diese Bilanz wies Entnahmen in Höhe von 959.126,73 Euro und Rückstellungen in Höhe von 957.000 Euro aus. Dabei entfielen 952.000 EUR auf eine "Rückstellung Haftung aus Grundschuld".

Im Rahmen der nachfolgend durchgeführten steuerlichen Außenprüfung löste der Prüfer die "Rückstellung Haftung aus Grundschuld" auf. Da das mit den Grundschulden belastete Grundstück vor dem Aufgabestichtag auf die Klägerin übertragen worden sei, bestehe eine Haftung des Klägers nicht mehr. Das FA folgte dieser Ansicht und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr entsprechend fest. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Im Klageverfahren vertraten die Kläger die Ansicht, die Entnahme des Grundbesitzes sei mit Null Euro zu bewerten, da dieser der Deckung von Verbindlichkeiten gedient habe, die über seinem Verkehrswert lägen. Ein (gegenzurechnender) valider Rückgriffsanspruch gegenüber der GmbH habe bereits zum Entnahmezeitpunkt nicht bestanden. Das FG gab den Klägern im angefochtenen Urteil in diesem Punkt Recht, wies die Klage aber im Übrigen ab.

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, soweit das Streitjahr 2003 betroffen ist (BFH-Urteil vom 5.5.2015, X R 48/13). Das FG hat zu Unrecht nicht erkannt, dass der Kläger neben der Aufgabebilanz zum 30.7.2003 eine Schlussbilanz für die Beendigung seiner gewerblichen Tätigkeit auf einen Stichtag vor der Übertragung des Grundbesitzes aufzustellen hat. In dieser Schlussbilanz hat er eine Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme zu bilden. Diese Rückstellung ist in Höhe der Darlehensverbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank zum Stichtag der Schlussbilanz anzusetzen.

Bereits vor dem vom FG zu Recht für die Erstellung einer Aufgabebilanz angenommenen Stichtag am 30.7.2003 hatte der Kläger seine (laufende) gewerbliche Tätigkeit abgeschlossen. Auf einen vor der Übertragung des Grundbesitzes liegenden Zeitpunkt hat er deshalb seine (letzte) Schlussbilanz aufzustellen. Im Fall einer Betriebsaufgabe muss sowohl eine letzte Schlussbilanz nach § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EStG als auch eine Aufgabebilanz nach § 16 Abs. 3 EStG, die der Ermittlung des Aufgabegewinns bzw. -verlusts dient, aufgestellt werden.

Die letzte Schlussbilanz schließt die (laufende) gewerbliche Tätigkeit des Klägers ab. Das Betriebsvermögen ist nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder des § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG) und ergibt im Vergleich mit dem Betriebsvermögen auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (hier: 31. Dezember 2002), bereinigt um den Wert der Entnahmen und Einlagen, den laufenden Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres (§ 8b Satz 2 Nr. 1 EStDV 2000). In der Aufgabebilanz (hier: 30.7.2003) werden dagegen etwa veräußerte und in das Privatvermögen überführte Wirtschaftsgüter und die verbliebenen Schulden mit den Werten des § 16 Abs. 3 EStG angesetzt. Aus dem Vergleich des in ihr ausgewiesenen Betriebsvermögens mit dem Betriebsvermögen der letzten Schlussbilanz, vermindert um die Aufgabekosten, ergibt sich der Aufgabegewinn bzw. –verlust. Entsteht ein Aufgabegewinn, ist er einkommensteuerrechtlich ggf. um den Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG zu kürzen und im Übrigen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt zu versteuern.

Der Beginn der Betriebsaufgabe ist nicht mit der Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen in der Art und Weise verbunden, dass erst bei Vorliegen dieser Handlungen eine solche anzunehmen ist. Vielmehr markiert auch die Veräußerung beweglichen (sonstigen) Anlagevermögens den Beginn der Betriebsaufgabe, wenn der Steuerpflichtige dadurch für den Gesamtbetrieb den Willen bekundet, die gewerbliche Tätigkeit endgültig einzustellen. Diese Grundsätze hat das FG nicht beachtet, als es allein auf die Aufgabeerklärung des Klägers gegenüber dem FA abstellte und nicht zwischen Schluss- und Aufgabebilanz unterschieden hat. Vorliegend ist aufgrund der Feststellungen des FG davon auszugehen, dass der Kläger mit der Betriebsaufgabe schon vor dem 30.7.2003 begonnen hat. Es kann dabei dahinstehen, ob bereits die Kündigung der Mietverhältnisse in Bezug auf den Grundbesitz den Beginn der Aufgabe des Einzelunternehmens darstellt. Spätestens im Zeitpunkt der Veräußerung der Kräne ist sein Entschluss offensichtlich geworden, sein Einzelunternehmen einzustellen. Auf diesen Zeitpunkt, der noch vor der Übertragung des Grundbesitzes auf die Klägerin lag, ist die Schlussbilanz aufzustellen.

In dieser Schlussbilanz ist eine Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme zu passivieren. Diese umfasst dem Grunde nach die drohende Inanspruchnahme aus der Höchstbetragsbürgschaft gegenüber der Bank wie auch diejenige aus den Grundschulden.

Im Rahmen der erneuten Entscheidung wird das FG weiter zu prüfen haben, wie sich im Rahmen der Aufgabebilanz zum 30.7.2003 zum einen die Höhe der Rückstellung aufgrund der Übertragung des Grundbesitzes auf die Klägerin verändert hat. Die Übertragung ist ent-gegen der Ansicht des FG ein entgeltliches Geschäft, weshalb eine Forderung des Klägers gegen die Klägerin in der Aufgabebilanz zu aktivieren ist.

Die Höhe der Forderung des Klägers entspricht, ausgehend von den in Nr. 4 des Übertragungsvertrags vereinbarten Verpflichtungen, deshalb (zunächst) den zum Übertragungszeitpunkt bestehenden (gesamten) Darlehensverbindlichkeiten der GmbH, für die er bis dahin dinglich haftete. Die Klägerin übernimmt wie zuvor der Kläger diese dingliche Haftung in Höhe der gesamten zu diesem Zeitpunkt bestehenden Forderungen der Bank gegen die GmbH. Sofern es nicht zu einer (künftigen) Vereinbarung zwischen der Bank und der Klägerin über die Höhe der an die Bank zu zahlenden Nettoeinnahmen gekommen ist, bezieht sich ihre Verpflichtung ausweislich des Vertragstextes in Nr. 4 ausdrücklich auf die Beträge, die der Bank im Fall einer Zwangsverwaltung (nicht Zwangsversteigerung) zustünden. Eine Zwangsverwaltung begrenzt die Forderungen des Grundschuldgläubigers eben nicht auf den Verkehrswert des Grundbesitzes.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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