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Beschäftigte mit Tarif haben bessere Arbeitsbedingungen, doch Tarifbindung sinkt

02.09.2020  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Beschäftigte, die nach Tarif bezahlt werden, verdienen deutlich besser als Arbeitnehmer in Unternehmen ohne Tarifvertrag. In Bremen beträgt der Abstand beispielsweise 10,5 Prozent, dabei sind mögliche andere Einflussfaktoren schon herausgerechnet.

Damit bewegt sich der Bremer Tarif-Gap in der Größenordnung, die verschiedene westdeutsche Bundesländer aufweisen, während er in Ostdeutschland noch deutlich ausgeprägter ist. Auch die Tarifbindung in Deutschland unterscheidet sich regional erheblich.

Schaut man auf die Quote der Beschäftigten, die nach Tarifvertrag bezahlt werden, reicht diese von 60 Prozent in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bis 40 Prozent in Sachsen. Gemessen am Anteil der tarifgebundenen Betriebe liegt Rheinland-Pfalz mit 38 Prozent vorne, das Schlusslicht bildet wieder Sachsen mit 15 Prozent.

Bundesweit ist die Tarifbindung über das letzte Jahrzehnt zurückgegangen, hat sich aber zuletzt in einigen Ländern stabilisiert. In keinem anderen Bundesland ist der Anteil tarifgebundener Betriebe so stark gesunken wie im Land Bremen. Zwischen 2008 und 2018 ist er von 39 auf nur noch 17 Prozent zurückgegangen und hat sich innerhalb von nur zehn Jahren mehr als halbiert. Damit liegt Bremen im Vergleich der Bundesländer auf dem vorletzten Platz. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass neu gegründete, meist kleinere, Unternehmen in der Hansestadt deutlich seltener nach Tarif bezahlen als eingesessene und größere (Details weiter unten). Das sind Ergebnisse einer neuen Studie über „Tarifverträge und Tarifflicht in Bremen“, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit dem Institut für Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen und in Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerkammer Bremen erstellt hat.

Trotz der geringen Tarifbindung bei den Bremer Betrieben arbeiten immer noch verhältnismäßig viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen, die einem Tarifvertrag unterliegen: In den 17 Prozent der Betriebe, die noch einen Tarifvertrag abgeschlossen haben, arbeiten 55 Prozent aller Bremer Beschäftigten. Damit liegt Bremen bundesweit im Mittelfeld.

Auswirkungen auf die Beschäftigten

Der Rückgang der Tarifbindung ist für die Beschäftigten mit weitreichenden Konsequenzen verbunden. So verdienen in Bremen Beschäftigte in nicht-tarifgebundenen Unternehmen im Durchschnitt mehr als 23 Prozent weniger als in Unternehmen mit Tarifvertrag. Bereinigt man den Vergleich zwischen tarif- und nicht-tarifgebundenen Unternehmen um die bestehenden Strukturunterschiede wie Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit, so bleibt immer noch ein Tarif-Gap von 10,5 Prozent, der bei sonst gleichen Bedingungen rein auf die Existenz eines Tarifvertrages zurückzuführen ist.

Darüber hinaus haben Beschäftigte in Unternehmen ohne Tarifvertrag auch bei anderen Arbeitsbedingungen das Nachsehen. So haben sie in der Regel deutlich längere Arbeitszeiten und erhalten deutlich seltener zusätzliche Gratifikationen wie z.B. Urlaub- oder Weihnachtsgeld. In der aktuellen Corona-Krise lässt sich darüber hinaus feststellen, dass im Falle von Kurzarbeit Unternehmen ohne Tarifvertrag deutlich seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes bezahlen als tarifgebundene Unternehmen.

Ansätze zur Stärkung der Tarifbindung

„Bremen verfügt über eine Reihe von Faktoren, die eine Tarifbindung eher begünstigen“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs und eine der Autoren der Studie. „Hierzu gehören ein überdurchschnittlich großer industrieller Sektor, eine hohe Anzahl von Großunternehmen und ein relativ ausgeprägter öffentlicher Dienst. Vor diesem Hintergrund müsste die Tarifbindung in Bremen eigentlich noch deutlicher über dem westdeutschen Durchschnitt liegen.“ Ein wesentlicher Grund für die rückläufige Tarifbindung liegt im ökonomischen Strukturwandel, bei dem eingesessene Unternehmen, die eine relativ hohe Tarifabdeckung aufweisen, durch neue Unternehmen ohne Tarifbindung ersetzt wurden. So ist die Tarifbindung bei Betrieben die vor 1990 gegründet wurden mit 30 Prozent fast dreimal so groß, wie bei Betrieben, die danach entstanden sind, und von denen lediglich 11 Prozent tarifgebunden sind. „Offensichtlich haben neugegründete Betriebe in Bremen gegenüber der Nutzung von Tarifverträgen eine starke Abneigung“, so Schulten. Das trägt auch zu den großen Unterschieden je nach Betriebsgröße bei: Während von den Betrieben mit maximal 9 Beschäftigten lediglich neun Prozent nach Tarif zahlen, sind in der Größenklasse zwischen 50 und 99 Beschäftigten 41 Prozent tarifgebunden und ab 100 Beschäftigten 73 Prozent.

Um den anhaltenden Trend einer rückläufigen Tarifbindung zu stoppen, sind nach Ansicht von Schulten mehrere Maßnahmen notwendig: „Die wichtigste Voraussetzung ist zunächst, dass die Tarifvertragsparteien selber wieder stärker werden. Dies bedeutet, dass Gewerkschaften wieder mehr Mitglieder gewinnen müssen und Arbeitgeberverbände endlich die so genannten OT-Mitgliedschaften (OT = ohne Tarifbindung) beenden.“

Darüber hinaus sollte auch die Politik stärker das Tarifvertragssystem unterstützen, indem sie z.B. die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtert und öffentliche Aufträge, Zuwendungen und wirtschaftliche Fördergelder nur noch an tariftreue Unternehmen vergibt. „Gerade der Bremer Senat hat sich in vielen Stellungnahmen immer wieder für eine Stärkung der Tarifbindung ausgesprochen. Nun ist es Zeit diese selbst gewählte Vorreiterrolle auch durch praktische Initiativen wirksam werden zu lassen. Hierzu gehört die Erweiterung des Bremer Tariftreue- und Vergabegesetze sowie eine Ausdehnung der Tariftreuevorgaben auf den gesamten Bereich der Wirtschaftsförderung“, so Schulten. Entsprechende Regelungen, die es in einigen anderen Bundesländern schon gibt, sollten bundesweiter Standard werden, empfiehlt der Forscher. „Wenn die öffentliche Hand private Unternehmen finanziell fördert, ist es nur recht und billig, dabei auch auf soziale Kriterien zu achten.“

Bild: kschneider2991 (Pixabay, Pixabay License)

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