08.11.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Towers Watson GmbH.
"Um diese nutzen zu können müssen sie dem Entwurf nach jedoch künftig im Hinblick auf die bisherige betriebliche Gestaltungsfreiheit in der betrieblichen Altersversorgung eine gewisse Einschränkung hinnehmen – nämlich eine enge Abstimmung mit den Tarifpartnern suchen. Entscheidend wird es dafür auf das gegenseitige Verständnis und die gegenseitige Flexibilität in der Gestaltung von Zielrentensystemen ankommen – also darauf, dass die verschiedenen Beteiligten die jeweiligen Interessen der anderen angemessen respektieren. Dies ist das wahre Novum, und daher bleibt es insgesamt abzuwarten, ob dies gelingt und somit das Ziel einer weiteren Verbreitung der ergänzenden kapitalgedeckten Altersversorgung tatsächlich erreicht wird.“ Dr. Reiner Schwinger, Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson Deutschland
Am 4. November wurde der Referentenentwurf für das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz vorgelegt. Rentenpolitisch wird dadurch die Rolle der betrieblichen Altersversorgung (bAV) als zweite Säule der Alterssicherung verstärkt. Der Entwurf setzt auf die bewährte Freiwilligkeit – Unternehmen werden nicht gezwungen, eine bAV anzubieten. Dies ist grundsätzlich begrüßenswert – denn eine Zwangs-bAV kann nicht im Interesse der Unternehmen, also der Organisationen, welche die bAV im Wesentlichen tragen, liegen. Zudem enthält der Entwurf ein klares Bekenntnis zur weiteren Förderung kapitalgedeckter Systeme in der 2. Säule – auch dies eine konsequente Fortführung der letzten Altersversorgungsreformen zu Beginn des Jahrtausends.
Begrüßenswert ist ebenfalls die Einführung der neuen reinen Beitragszusage. Gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ermöglichen solche Zielrentensysteme im tariflichen Bereich ohne kostspielige Garantien den Aufbau einer werthaltigen Altersversorgung. Diese neue Form der bAV wird ergänzend neben alle bisherigen Durchführungswege gestellt. Allerdings steigt durch diesen quasi weiteren Durchführungsweg tendenziell die Komplexität der bAV.
Unternehmen können sich damit künftig entscheiden, weiterhin spezifische betriebliche Lösungen im bisherigen bAV-System umzusetzen. Wollen sie allerdings ein Zielrentensystem einführen, müssen sie anstelle dessen im tariflichen Bereich die bAV zumindest in wesentlichen Fragen in die Regelungshoheit der Tarifvertragsparteien legen und jedenfalls eine enge Abstimmung zur Ermöglichung betrieblicher Lösungen mit diesen suchen. Gerade Unternehmen, in denen starke Betriebsparteien schon bislang erfolgreich gute und ausgewogene Versorgungsmodelle entwickelt haben, müssen hier für Zielrentensysteme ggf. neue Wege beschreiten. Damit dürfte insgesamt der Einfluss der Tarifvertragsparteien in der bAV – einem Gebiet, das bislang vielfach weitgehend durch die Betriebsparteien geregelt wurde – zunehmen.
Die steuerliche Förderung der bAV wird durch den neuen Gesetzesentwurf nur vergleichsweise geringfügig verbessert. Immerhin soll die Riester-bAV den privaten Riesterverträgen insoweit gleichgestellt werden, als dass die Auszahlungen sozialversicherungsfrei sein sollen. Arbeitgeber haben damit im Gegensatz zur bisherigen Lage die Möglichkeit, ein staatlich stark gefördertes Modell künftig sinnvoll auch in der bAV anzubieten. Zudem bekennt sich der Entwurf über die Erhöhung der Grundzulage nachhaltig zur riestergeförderten Altersvorsorge – eine für Millionen von Vorsorgesparern beruhigende Nachricht im Hinblick auf das bislang in diesen Zweig der Altersvorsorge gesetzte Vertrauen, der hoffentlich zur Versachlichung der zuletzt eher negativ geprägten Debatte um riestergeförderte Altersvorsorge führen wird.
Das neue steuerliche bAV-Fördermodell zielt auf eine punktgenaue Förderung der Verbreitung der bAV im Bereich der Geringverdiener. Durch die neuen Freibeträge in der Grundsicherung wird diese neue bAV-Förderung systemgerecht flankiert und damit ein wesentlicher Anreiz für die Verbreitung der bAV bei Geringverdienern gerade auch in kleineren und mittleren Unternehmen geschaffen, die damit in einfacher Weise eine bAV einführen und damit einen aktiven Beitrag gegen Altersarmut dieser Verdienstgruppen leisten können.
Dr. Reiner Schwinger ist Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson und leitender Geschäftsführer von Willis Towers Watson in Deutschland sowie Österreich. Schwinger berät seit rund 20 Jahren eine Vielzahl nationaler und internationaler Unternehmen bei der Neuordnung sowie Durchführung betrieblicher Altersversorgungsprogramme und deren Einbindung in das Personalmanagement. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung und Umsetzung betrieblicher Vorsorgesysteme unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Anforderungen. Zu diesem Thema hält er Fachvorträge und hat Beiträge in Fachzeitschriften und Festschriften veröffentlicht. Er ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba).
Der Referentenentwurf des BMAS und BMF für ein Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde am 4. November veröffentlicht. Die Regierung setzt damit in der Rentenpolitik im Bereich der bAV mit diesem Entwurf weiterhin auf eine freiwillige Verbreitung der bAV unter Setzung von steuerlichen Anreizen sowie auf eine Kapitaldeckung in der 2. Säule. Insgesamt wird damit das Thema bAV gestärkt und in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Ziel der gesetzgeberischen Maßnahmen ist es, für rd. 13 Mio. Arbeitnehmer, die derzeit keine bAV haben, eine entsprechende Zusage ihres Arbeitgebers zu ermöglichen. Die Ansätze des BMF (v.a. Förderbeiträge) und des BMAS (Sozialpartnermodell, Zielrente) sind unterschiedlich und wurden nun in einem Referentenentwurf zusammengeführt. 'Nach der Verbändeanhörung soll der Gesetzentwurf noch in 2016 ins Bundeskabinett zur Verabschiedung als Regierungsentwurf eingebracht werden. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren soll dann ab März 2017 mit dem Ziel erfolgen, dass das Gesetz zum 1.1.12018 zusammen mit den bereits umgesetzten Änderungen des BetrAVG zur sog EU-Mobilitätsrichtlinie in Kraft treten könnte.