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Ausschweifende private Internetnutzung – ordentliche Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung

29.07.2014  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Das Gericht stellt in seiner Entscheidung fest, dass die exzessive private Internetnutzung während der Arbeitszeit eine ordentliche Kündigung eines seit über 21 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmers auch ohne einschlägige Abmahnung rechtfertigen kann.

I. Einleitung

Nach der Rechtsprechung Bundesarbeitsgerichts (BAG) stellt eine vom Arbeitgeber nicht gestattete private Internetnutzung während der Arbeitszeit grundsätzlich eine Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflicht dar. Auch aus einer an sich bestehenden Berechtigung zur privaten Nutzung des Internets folgt grundsätzlich nicht, dass der Arbeitnehmer hierzu auch während der Arbeit in unbegrenztem oder erheblichem Umfang berechtigt ist.

Nutzt ein Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit in erheblichem zeitlichem Umfang zu privaten Zwecken, darf er auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Nutzungsregelung nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Jedem Arbeitnehmer muss in einem solchen Fall klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Einer Abmahnung bedarf es nach Auffassung des BAG in solchen Fällen daher nicht. In der hier besprochenen Entscheidung hielt das LAG einen derartigen Fall ausschweifender privater Internetnutzung für gegeben.

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II. Sachverhalt

Der Kläger war im Betrieb der Beklagten seit über 21 Jahren beschäftigt und verfügte dort über einen Arbeitsplatzrechner. Eine ausdrückliche Regelung über die private Internetnutzung im Betrieb der Beklagten existiert nicht. Im Rahmen der Überprüfung der Internetleitung aufgrund eines verzögerten Datentransfers entdeckte man, dass auf dem Rechner des Klägers der Zugang zu dem Internetportal Usenet/UseNeXT installiert worden war.

Der Kläger leugnete zunächst, den Zugang installiert zu haben. Nachdem der Kläger am Abend desselben Tages nach Dienstschluss noch einmal in den Betrieb zurückgekehrt war, räumte er die Installation am darauffolgenden Tag ein und teilte mit, er werde das Programm und alles was damit zusammenhängt löschen. Die Beklagte ließ den Arbeitsplatzrechner daraufhin untersuchen. Hierbei wurden 17.429 Dateien auf der Festplatte des Firmenrechners gefunden, die zum Teil auf dem Besuch sozialer Netzwerke (etwa Facebook und Xing) sowie eingerichteten Musik-Download Ordnern, installierten CD-Programmen und der Teilnahme an diversen Chat-Programmen zurückzuführen waren. Diese Dateien waren zwar gelöscht worden, konnten aber wiederhergestellt werden.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin ordentlich fristgemäß, ohne zuvor eine Abmahnung ausgesprochen zu haben. Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht Elmshorn Kündigungsschutzklage. Im Rahmen des Verfahrens bestritt der Kläger insbesondere, die von der Beklagten bezeichneten Daten aus dem Internet heruntergeladen zu haben und für den verzögerten Datentransfer verantwortlich gewesen zu sein. Er bestritt zudem, dass die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung der besuchten Internetseiten (Browserverläufe) von seinem PC stammte.

Das Arbeitsgericht betrachtete die Kündigung indes aus verhaltensbedingten Gründen als sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe unstreitig das Internetportal Usenet/UseNeXT auf das betriebliche Datensystem der Beklagten heruntergeladen und damit nicht nur eine erhebliche Menge von Daten aus dem Internet auf das betriebliche Datensystem heruntergeladen sondern auch eine Störungen des Betriebssystems sowie die Gefahr möglicher Vireninfizierung der bei der Beklagten verwendeten Software in Kauf genommen. Der Kläger habe überdies erkennbar versucht, sein Handeln zu vertuschen. Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein.

III. Die Entscheidung

Das LAG hielt den bestrittenen Vortrag nach durchgeführter Beweisaufnahme für erwiesen und wies die Berufung des Klägers zurück. Das LAG hielt insbesondere für erwiesen, dass der Kläger selbst sämtliche Browserverläufe gelöscht habe. Da die Beklagte aufgrund der Löschung nicht in der Lage war, minutengenau vorzutragen, von wann bis wann der Kläger das Internet genutzt hat, konnte sich der Kläger hier nach Auffassung des LAG nicht auf ein schlichtes Bestreiten der extensiven Internetnutzung beschränken. Der Kläger sei vielmehr gehalten gewesen, darzulegen, in welchem ungefähren Umfang die Internetnutzung stattgefunden hat und, dass seine Arbeitsleistung dadurch nicht beeinträchtigt worden ist.

Durch den massiven Download von Daten aus dem Internet während seiner Arbeitszeit habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Hiermit gehe nicht nur eine zeitlich erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht einher. Überdies sei mit der Nutzung von sogenannten Share-Dateien, die externen Nutzern den Zugriff auf den betrieblichen Rechner zum Austausch von Musikdateien erlauben, eine erhebliche Gefahr der Infizierung des betrieblichen Datensystems mit Viren verbunden gewesen. Dies rechtfertige auch im Rahmen einer Interessenabwägung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger nicht einschlägig abgemahnt war, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Aufgrund der ausschweifenden Internetnutzung während der Arbeitszeit habe der Kläger auch ohne ausdrückliche Regelung zur privaten Internetnutzung seitens der Beklagten wissen müssen, dass die Beklagte sein Verhalten nicht ohne einschneidende Sanktionen hinnehmen werden würde. Insbesondere auch die 21-jährige beanstandungsfreie Beschäftigungsdauer könne kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Der Kläger habe sich über lange Zeiträume von der Beklagten für Arbeitsleistungen bezahlen lassen, die er tatsächlich nicht erbracht hat. Hierin erkennt das LAG eine dauerhafte, nichtreparable Störung des wechselseitigen Vertragsverhältnisses, welche die Kündigung sozial rechtfertige.

IV. Praxishinweis

Die Entscheidung hält sich inhaltlich in dem vom BAG zur Kündigung bei privater Internetnutzung gezogenen rechtlichen Rahmen und bestätigt einmal mehr, dass es sich bei ausschweifender Privatnutzung des Internets während der Arbeitszeit auch ohne ein ausdrückliches Verbot durch den Arbeitgeber um eine massive Arbeitspflichtverletzung handelt.

In Fällen exzessiver Internetnutzung zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit muss der Arbeitnehmer damit rechnen, dass der Arbeitgeber dies nicht sanktionslos tolerieren wird. Einer Abmahnung bedarf es in solchen Fällen daher grundsätzlich nicht. Ob auch bei einem (wesentlich) geringeren Datenvolumen als im vorliegenden Fall von einer exzessiven Nutzung ausgegangen werden darf, lässt sich naturgemäß nicht verallgemeinern. Um Streitigkeiten hierüber zu vermeiden empfiehlt es sich, konkrete Nutzungsregelungen aufzustellen und die private Internetnutzung generell oder jedenfalls während der Arbeitszeit zu untersagen.

Schleswig-Holstein (LAG), Urteil vom 06. Mai 2014 (Az.: 1 Sa 421/13).


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