27.02.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Wieder einmal geht es um das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG soll verhindern, dass Arbeitnehmer, aber auch Bewerber aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität in jedweder Hinsicht benachteiligt werden. Innerhalb der Unternehmen konnten diese Prinzipien relativ schnell umgesetzt werden, zum Beispiel durch Formulierung oder Erweiterung eines „Code of Conduct“. Problematischer ist jedoch die Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Die Verabschiedung des AGG am 14. August 2006 war Auslöser für die Jagd auf Entschädigungs- und Schadensersatzzahlungen durch abgelehnte Bewerber. Eine kurze Internetrecherche nach rechtswidrigen Stellenanzeigen, schnell eine Bewerbung abgesandt und auf das ersehnte Ablehnungsschreiben gewartet. Schon konnte man den potenziellen Arbeitgeber verklagen und Schadensersatz bzw. Entschädigung oder eine beachtliche Vergleichssumme einstreichen.
Auch wenn das „AGG-Hopping“ seine Blütezeit längst hinter sich hat und sich mit dem Beruf des „Diskriminierten“ kaum mehr ein Lebensunterhalt verdienen lässt, gibt es noch den ein oder anderen Veteranen. Diese sind meist vom Fach und äußerst geschickt darin, selbst kleinste Fehler in Stellenanzeigen aufzuspüren. Am 30. Oktober 2013 hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einen solchen „AGG-Hopper“-Fall entschieden. Das Besondere an diesem Fall ist, dass er nicht alleine steht. Etliche Unternehmen und Kanzleien hatten im Jahr 2013 etwas gemeinsam. Sie alle mussten arbeitsrechtliche Prozesse ausfechten und sie alle hatten denselben Gegner. Über 16 Unternehmen und Kanzleien soll der Rechtsanwalt aus Regensburg im vergangenen Jahr verklagt haben. Die Dunkelziffer könnte weit höher liegen.
Der Kläger ist ein 60-jähriger promovierter Rechtsanwalt. Er betreibt eine eigene Kanzlei in Regensburg. Die Beklagte ist eine auf das Fachgebiet Wirtschaftsrecht spezialisierte Kanzlei in Berlin. Im Frühjahr 2013 bewarb sich der Kläger auf eine Stellenanzeige der Beklagten. Darin wurden Berufsanfänger oder Kollegen mit 1-3 Jahren Berufserfahrung, Prädikatsexamen und ausbaufähigen Englischkenntnissen gesucht.
Nachdem der Kläger sich erfolglos auf die Stellenanzeige der Beklagten beworben hatte, forderte er eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro und Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro nach § 15 AGG wegen einer mittelbaren Altersdiskriminierung. Dagegen wandte die Beklagte ein, dass die Stelle zum Zeitpunkt des Eingangs der Bewerbung des Klägers bereits besetzt gewesen sei, weshalb schon aus diesem Grund eine Benachteiligung nicht in Betracht komme. Auch verstoße die Formulierung in der Stellenanzeige nicht gegen die Vorgaben des AGG, da sie keinen Bezug auf das Lebensalter nehme, sondern sich dadurch begründe, dass die Kanzlei selbst ausbilde. Ältere Kollegen seien hochwillkommen, z.B. solche, die aus einer Rechtsabteilung in den Anwaltsberuf wechselten.
Erstinstanzlich wies das Arbeitsgerichts Berlin die Klage mit Urteil vom 20. Juni 2013 (Aktenzeichen: 34 Ca 3498/13) mit der Begründung ab, dass die Beklagte sich, noch bevor die Bewerbung des Klägers einging, mit einer anderen Bewerberin einig wurde und dadurch das Stellenausschreibungsverfahren beendet gewesen sei. Außerdem habe die Kürze der Ausführungen des Klägers in seiner Bewerbung über seine Qualifikation Anlass gegeben, an der Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung zu zweifeln.
Der Kläger ging daraufhin in Berufung und machte geltend, dass das Bewerbungsverfahren an sich diskriminierend gestaltet gewesen sei. Die Beklagte hätte nach Schaltung der Anzeige mindestens eine Woche warten müssen und nicht die erstbeste „junge“ Mitarbeiterin einstellen dürfen, um später eingehende Bewerbungen älterer Bewerber angeblich nicht mehr berücksichtigen zu müssen. Weiter meinte der Kläger, ein Bewerber müsse nicht alle Anforderungen eines Stellenprofils erfüllen, es reiche aus, dass er objektiv, d.h. grundsätzlich geeignet sei. Hierfür genüge die Befähigung zum Richteramt durch das erfolgreiche Bestehen beider Staatsexamen.
Das LAG Berlin-Brandenburg wies die Berufung des Klägers zurück. Es führte dazu aus, dass der Kläger schon objektiv aufgrund seiner Noten in den juristischen Staatsexamina für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet gewesen sei. Er habe sich daher auf eine Stelle beworben, die nicht zu ihm passe und für die er nicht qualifiziert sei. Er verfüge weder über zwei Prädikatsexamen, noch sei ersichtlich, dass er aufgrund seines Tätigkeitsprofils als breit aufgestellter Rechtsanwalt über die geforderte besondere Expertise im Handels- und Gesellschaftsrecht verfüge.
Soweit er angebe, er habe ausbaufähige Englischkenntnisse, erscheine auch dies angesichts des Umstands, dass er ausweislich eines von den Beklagten eingereichten Artikels, Englisch nach der 11. Klasse abgewählt und mit der Note „ausreichend“ abgeschlossen habe, eher zweifelhaft. Auch dies spreche gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Das LAG Berlin-Brandenburg führte weiterhin aus, es sei davon überzeugt, dass der Kläger nicht ernsthaft an einer Anstellung interessiert gewesen sei, sondern sich durch die Bewerbung auf bestimmte Stellenanzeigen eine weitere Einnahmequelle erschließen wolle. Dieses Verhalten war nach Überzeugung des LAG Berlin-Brandenburg rechtsmissbräuchlich, weshalb es einen Entschädigungsanspruch des Klägers ablehnte. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Der klagewütige 60-jährige trifft Unternehmen und Kanzleien an einer sensiblen Stelle. Wie auch der in diesem Newsletter besprochenen Fall wieder zeigt ist höchste Vorsicht bei der Formulierung von Texten für Stellenanzeigen geboten. Bezeichnungen wie „Berufsanfänger“ oder „Hochschulabsolventen“ oder Anglizismen wie „Young Professionals“ sollten, grundsätzlich vermieden werden (vgl. auch Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 24.1.2013 (Az.: 8 AZR 429/11)). In Fällen, wie dem in diesem Newsletter beschriebenen, hat das verklagte Unternehmen die Beweislast eines diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens zu tragen. Diesen Beweis zu erbringen ist meist keine leichte Aufgabe, vor allem wenn Auswahlkriterien nicht schriftlich festgehalten wurden. Es ist Unternehmen daher zu empfehlen, vor dem Schalten einer Anzeige genau zu kontrollieren, ob und inwiefern die darin enthaltenen Aussagen in die Grauzone des AGG fallen könnten, um dadurch Zeit, Nerven und Kosten zu sparen.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 31. Oktober 2013 (Aktenzeichen: 21 Sa 1380/13).
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