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Arbeitsmarkt braucht künftig mehr Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten

01.04.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Bertelsmann Stiftung.

Die Deutschen werden weniger und älter. Der demographische Wandel befeuert auch die derzeitige Debatte um Einwanderungsgesetz und Willkommenskultur.

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung analysiert, wie sich der Bedarf an Zuwanderung bis 2050 entwickeln wird.

Deutschland ist in den kommenden Jahrzehnten stärker denn je auf Zuwanderung angewiesen. Ohne Einwanderer würde die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter bis 2050 von heute rund 45 Millionen auf unter 29 Millionen sinken. Das wäre ein Rückgang um 36 Prozent. Diese Lücke ist ohne Zuwanderung nicht zu schließen. Selbst wenn genauso viele Frauen berufstätig sind wie Männer und die Rente erst mit 70 Jahren beginnt, steigt die Zahl potenzieller Arbeitskräfte im Land lediglich um 4,4 Millionen. Das belegt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Sie prognostiziert außerdem, dass die derzeit hohe Zuwanderung aus EU-Ländern schon bald deutlich nachlässt. Das erfordert verstärkte Bemühungen um qualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten.

In 2013 kamen 429.000 mehr Menschen nach Deutschland als das Land verließen. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass im vergangenen Jahr im Saldo sogar 470.000 Einwanderer zuzogen. Eine Nettozuwanderung in dieser Höhe würde laut Studie zumindest in den kommenden zehn Jahren ausreichen, um die Zahl der arbeitsfähigen Menschen hier-zulande konstant zu halten. Dann allerdings steigt der Bedarf an Einwanderern, weil die Generation der Baby-Boomer ins Rentenalter kommt. Jeder zweite heutige Arbeitnehmer mit qualifizierter Berufsausbildung verlässt bis 2030 das Arbeitsleben.

Zuzug aus EU-Ländern wird wieder zurückgehen

Die Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Coburg, die die Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellten, sehen eine weitere Herausforderung: Das derzeitige Rekordhoch der Zuwanderung aus EU-Staaten (2013: netto rund 300.000) wird sich nicht fortschreiben. Ein Grund ist der demographische Wandel, der in der gesamten EU die Bevölkerung schrumpfen lässt. Auch wird bei wirtschaftlicher Erholung der Krisenländer der Anreiz zur Auswanderung sinken. Die Studienautoren rechnen bis 2050 im Jahresdurchschnitt nur noch mit bis zu 70.000 Einwanderern aus EU-Staaten. Dies wäre immer noch eine erheblich höhere Einwanderung als in den 35 Jahren bis 2010: Da war der Wanderungssaldo mit der EU zumeist ausgeglichen.

Die Migrationsforscher berechnen in verschiedenen Szenarien, dass Deutschland bis 2050 pro Jahr netto zwischen 276.000 und 491.000 Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten benötigt. Diese Gruppe stellte in 2013 unter dem Strich jedoch lediglich 140.000 Einwanderer und damit nur rund ein Drittel der gesamten Nettozuwanderung. Zudem wanderten die meisten der Drittstaatler aus familiären und humanitären Gründen, für ein Studium oder eine Ausbildung nach Deutschland ein. Mit der Blue Card der EU oder über andere Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit kamen hingegen noch nicht einmal 25.000 qualifizierte Fachkräfte ins Land.

Einwanderungsgesetz kann helfen

"Deutschland darf sich nicht auf eine weiterhin hohe Einwanderung aus der EU verlassen. Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit Deutschland als Einwanderungsland auch für Drittstaatler attraktiver wird", sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Dazu gehöre ein verständliches Einwanderungssystem, das deutlich mache, dass qualifizierte Zuwanderung von außerhalb der EU nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist, so Dräger. Dieses Willkommens-signal sollte von einem neuen Einwanderungsgesetz ausgehen, das die Einwanderungsregeln transparent und einfach macht und Einwanderern Perspektiven für langfristigen Aufenthalt und zügige Einbürgerung bietet. Die Migrationsforschung zeigt: Staaten sind dann für ausländische Fachkräfte attraktiv, wenn sie gute Chancen auf Teilhabe bieten. Dazu gehören Sprachförderung, Integration in den Arbeitsmarkt, gesellschaftliche Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung.

Die Studienautoren räumen ein, der tatsächliche Bedarf an Erwerbspersonen sei angesichts des Wandels der Arbeitsgesellschaft schwer zu prognostizieren. Die Digitalisierung etwa könne die Bedarfe durchaus zurückschrauben. Trotzdem gehen die Forscher davon aus, dass die Alterung der Gesellschaft den Staatshaushalt und die sozialen Sicherungssysteme vor unlösbare Probleme stellt, sofern die Nettozuwanderung deutlich zurückginge.

Mit einer stärkeren Anwerbung von Einwanderern aus Drittstaaten, so Dräger, würde zugleich Deutschlands Verantwortung für die Stabilität der Arbeitsmärkte in den Herkunftsländern steigen: "Deutschland muss sich international stärker für eine faire Gestaltung von Migration engagieren." Der Fairness-Gedanke ist auch der hiesigen Bevölkerung wichtig: In einer repräsentativen TNS Emnid-Umfrage für die Bertelsmann Stiftung hatten kürzlich 43 Prozent der Befragten gesagt, Deutschland dürfe qualifizierte Zuwanderer aus Entwicklungsländern nur dann anwerben, wenn diese Länder dadurch nicht in ihrer Entwicklung behindert werden.

Die Studie
Die Studie der IAB-Experten Johann Fuchs und Alexander Kubis sowie Lutz Schneider von der Coburger Hochschule untersucht in unterschiedlichen Szenarien, wie die Arbeitsmarktbeteiligung der inländischen Erwerbspersonen sowie Zuwanderung aus EU und Drittstaaten dem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials entgegenwirken kann. Anlässlich des Reinhard Mohn Preises, den die Stiftung am 11. Juni an Prof. Rita Süssmuth für ihre Verdienste um eine zukunftsfähige Migrations- und Integrationspolitik verleiht, beschäftigt sich die Bertelsmann Stiftung in diesem Jahr vertieft mit der Frage, wie Migration in Deutschland und weltweit fair gestaltet werden kann.


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