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Aggressive Arbeitgeber: Jede sechste Betriebsratsgründung wird behindert

10.11.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Sie schüchtern Kandidaten ein, drohen mit Kündigung oder verhindern die Bestellung eines Wahlvorstands, zeigen neue Auswertungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Wenn Beschäftigte ihre verbrieften Mitbestimmungsrechte in Anspruch nehmen, müssen sie in etlichen Firmen mit Schikanen durch den Arbeitgeber rechnen. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung von PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch, die Befunde einer Vorgängeruntersuchung des WSI aus dem Jahr 2012 bestätigt. Besonders gegen Neugründungen von Betriebsräten gehen Unternehmen häufig aggressiv vor.

Die WSI-Forscher haben im vergangenen Jahr 159 hauptamtliche Gewerkschafter der IG BCE, der IG Metall und der NGG zu ihren Erfahrungen mit der Durchführung von Betriebsratswahlen befragt. Mehr als die Hälfte der Befragten kannte Fälle, in denen Unternehmen versucht hatten, Betriebsratswahlen zu behindern. Besonders rau scheint es in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und dem Gastgewerbe zuzugehen: Dort hatten 76 Prozent der Hauptamtlichen Kenntnis von Störmanövern der Arbeitgeber. In der Metall- und Elektroindustrie sind es 53 Prozent, im Organisationsbereich der IG BCE 43 Prozent. Über ein Drittel der Gewerkschafter berichtet darüber hinaus von Versuchen, die Arbeit bereits gewählter Gremien zu erschweren. Bei der NGG beträgt der Anteil 48 Prozent, bei der IG BCE 37 Prozent und bei der IG Metall 31 Prozent.

Insgesamt sind den 159 Befragten 221 Betriebe bekannt, in denen es zu Behinderungen bei Betriebsratswahlen gekommen ist. In einem Drittel dieser Betriebe ist die Wahl letztlich vereitelt worden. Maßnahmen gegen bestehende Arbeitnehmervertretungen haben nach Kenntnis der Gewerkschafter 92 Unternehmen ergriffen.

Wie hoch der Anteil der Betriebsratswahlen ausfällt, bei denen es zu Eingriffen durch das Management kommt, konnten die WSI-Experten für die Organisationsbereiche von IG BCE und die IG Metall berechnen. In den 35 Bezirken der IG BCE und den Zuständigkeitsbereichen der 103 IG-Metall-Geschäftsstellen, die in die Befragung einbezogen waren, gab es zwischen 2013 und 2015 Wahlen zu insgesamt 10.445 Betriebsräten. Bei 1,7 Prozent dieser Wahlen erhielten die beiden Gewerkschaften Kenntnis von Obstruktionsversuchen des Managements. Weitaus häufiger war dies bei Neugründungen von Betriebsräten. Von 835 erstmals durchgeführten Betriebsratswahlen im Bereich von IG BCE und IG Metall waren 16,3 Prozent von Behinderungen seitens der Unternehmen betroffen.

Behrens und Dribbusch haben auch ermittelt, wie das Repertoire der Arbeitgeberaktivitäten aussieht. Um Betriebsratswahlen zu sabotieren, pflegen Unternehmen demnach vor allem Kandidaten einzuschüchtern. Das geschah laut der Befragung in 71 Prozent der Fälle, in denen es zu einer Behinderung kam. In 66 Prozent der Konfliktfälle versuchten Arbeitgeber, die Bestellung eines Wahlvorstands zu verhindern, bei 43 Prozent unterstützten sie ihnen nahestehende Kandidaten. In einem Fünftel der betroffenen Betriebe wurde Kandidaten gekündigt (siehe auch die Infografik; Link unten). Zu den gängigen Maßnahmen gegen gewählte Gremien gehören Versuche, Mitglieder zum Rücktritt zu drängen, Kündigungen und Auflösungsanträge beim Arbeitsgericht. Die betroffenen Arbeitnehmervertreter ihrerseits haben Behinderungen von Wahlen in 7,7 Prozent der Fälle angezeigt, Übergriffe auf bestehende Betriebsräte zu 7,5 Prozent.

Nach Angabe der befragten Gewerkschafter nahm etwa die Hälfte der Arbeitgeber bei ihren Störaktionen externe Hilfe durch Anwaltskanzleien oder Beratungen in Anspruch. Die delinquenten Unternehmen sind überproportional häufig inhabergeführt und mehrheitlich der mittleren Größenklasse mit 50 bis 200 Beschäftigten zuzurechnen.

Als Fazit halten die Wissenschaftler fest, dass das Problem des „Betriebsrats-Bashing“ mittlerweile auch in der Industrie angekommen ist. Die hohe Zahl der Neugründungen, denen Arbeitgeber Steine in den Weg legen, zeige, dass „weiße Flecken“ die eigentlichen Problemzonen sind. Das gelte umso mehr, wenn Eigentümer die Geschäfte führen.

Die Untersuchung unterstreicht nach Analyse der Forscher, wie wichtig ein umfassender gesetzlicher Schutz vor Eingriffen des Managements ist. Hier wäre insbesondere wünschenswert, dass bereits bei der Vorbereitung von Betriebsratswahlen alle daran beteiligten Beschäftigten vom ersten Tag an vor Kündigungen geschützt werden, so Behrens und Dribbusch. Ebenso wichtig sei eine wirksame Sanktionierung von Verstößen. Dazu sollten Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet werden, die auf gesetzwidrige Eingriffe von Unternehmen in Betriebsratswahlen spezialisiert sind und diese auch verfolgen.



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